| Bernie Sanders und die Hegemoniekrise des neoliberalen Kapitalismus

Von Jan Rehmann

Im Folgenden geht es im Wesentlichen um zwei Punkte: zum einen kann die erstaunliche Anziehungskraft von Bernie Sanders’ Wahlkampf nur angemessen verstanden werden, wenn wir begreifen, dass und in welcher Hinsicht der neoliberale Hightech-Kapitalismus sich in einer Hegemoniekrise befindet und wie diese die Erwartungen und Haltungen der Bevölkerung in den USA beeinflusst; zum anderen will ich zeigen, wie Sanders wirksam in diese Hegemoniekrise eingegriffen und die Koordinaten ihrer Verarbeitung im Alltagsverstand nach links verschoben hat. Auch wenn er nicht der Kandidat der Demokratischen Partei geworden ist, hat er die ideologischen Verhältnisse in den USA zum Tanzen gebracht und die Möglichkeit eröffnet, eine demokratisch-sozialistische Perspektive zu entwickeln und im Alltagsverstand tragfähig zu verankern.
| mehr »

| Goodbye Sanders? Warum die ›politische Revolution‹ noch nicht am Ende ist

Von Ingar Solty

Manche seiner Unterstützer*innen mögen enttäuscht sein, dass Bernie Sanders nicht zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten gekürt wurde. Angesichts des Momentums seiner Kampagne schien für einen Augenblick das Unmögliche möglich. Allerdings war ein Sieg Sanders von Anfang an undenkbar – zu groß sind die Machtressourcen des Partei-Establishments und zu manipulativ ist der Wahlprozess, wie die Mitte Juli 2016 geleakten E-Mails der Parteiführung noch einmal bezeugen, in denen die Entschlossenheit, Sanders Kandidatur um jeden Preis zu verhindern, offensichtlich wurde. Anstatt einem historischen Pessimismus zu verfallen, ist es darum sinnvoll, sich in Erinnerung zu rufen, dass Sanders bereits jetzt vieles erreicht hat.
| mehr »

| Auch in den Krankenhäusern ist eine andere Welt ist möglich – Kalifornische Pflegekräfte erringen sichere Personalbesetzung

Von Marilyn Albert

Das amerikanische Gesundheitssystem wird von gewinnorientierten Kräften kontrolliert. Die planmäßige personelle Unterbesetzung in Einrichtungen des Gesundheitswesens ist eine wichtige Profitquelle für die Gesundheitswirtschaft in den USA. Die Beschäftigten im Gesundheitswesen befinden sich also im ständigen Kampf darum, eine sichere PatientInnenversorgung zu gewährleisten und zugleich annehmbare Arbeitsbedingungen zu erwirken.
| mehr »

| US-Vorwahlen: Bernie Sanders’ Politische Revolution

Ein Kommentar von Rainer Rilling

Die Vorwahlen der Demokraten in New York und Kalifornien entscheiden den Ausgang des Wettrennens zwischen Bernie Sanders und Hillary Clinton. Darüber sind sich beide Kontrahenten einig. Es bleibt spannend und erstaunlich. Um auf dem Parteitag Chancen zu haben, müsste Sanders in den kommenden Wochen die meisten Mid-Atlantic-States gewinnen (darunter Pennsylvania) und im Juni California und New Jersey. Die Freunde der Wahldemografie wie Nate Silver sind skeptisch: Da in diesen Staaten die Wählerschaft älter und schwärzer ist, prognostizieren sie Siege für Clinton. Doch unter den Demokraten und jenen Unabhängigen, die bundesweit den Demokraten zuneigen, hat Sanders mittlerweile in den Umfragen einen knappen Vorsprung. Dennoch: entscheidend sind die Vorwahlen und das bislang bestenfalls leicht angekratzte System der Superdelegierten, das in den 1970er geschaffen wurde, um der Parteielite die Kontrolle über den Auswahlprozess zu sichern.
| mehr »

| »Anti-Terror«-Schlagzeilen, mit denen wir 2016 rechnen können

Von Tom Engelhardt

Allen weltpolitischen Turbulenzen zum Trotz bleibt die US-amerikanische Außenpolitik erstaunlich vorhersagbar

Einer der Reize der Zukunft liegt in ihrer Unvorhersagbarkeit. Sie kann uns auf reizende Weise überraschen oder unerwartet in den Hintern treten. Unsere Gegenwart fällt hinter die meisten Zukunftsszenarien, die ich mir als Junge ausgemalt habe, zurück. Sonst würde ich heute mit einem Raketenrucksack die Wolkenkratzer von New York überfliegen oder Urlaub auf dem Mond machen.

Und mal ehrlich: Hätten Sie, sofern sie nicht schon vor dreißig Jahren William Gibsons Roman Neuromancer gelesen haben, sich das Internet vorstellen können, und noch dazu die sozialen Netzwerke und Cyberspace? Wer hätte sich träumen lassen, dass die Geheimdienste eines einzigen Landes nicht nur die Gespräche und Mitteilungen der eigenen Bürger abzuhören, abzufangen und auszuwerten in der Lage sein würden – das ist aus den totalitären Regimes des 20. Jahrhunderts vertraut –, sondern die nahezu jedes Menschen auf dem Planeten, vom Kleinbauern im pakistanischen Hinterland bis hin zu den Regierungsoberhäuptern 35 größerer und kleinerer Länder? Das ist natürlich unsere dystopische Gegenwart. Sie beruht auf Technologiesprüngen, die nicht einmal Science-Fiction-AutorInnen sich auszumalen in der Lage waren.
| mehr »

| Eine politische Revolution für die US-Linke

Von Ethan Young

Nach Jahrzehnten des Niedergangs ist die US-Linke dabei, wieder zu Kräften zu kommen. Zu Beginn der Obama-Jahre hatte sie sich in einem erschreckenden Zustand befunden: politisch zerrissen, ohne Bezug zur eigenen Geschichte, organisatorisch und sozial fragmentiert. Doch seit einigen Jahren gab es Anzeichen eines Wiedererwachens, und in den letzten Monaten erleben wir nun so etwas wie eine progressive Erhebung, die das öffentliche Bewusstsein in einem seit Generationen nicht mehr gekannten Maße erfasst. Ihren markantesten Ausdruck findet diese Erhebung derzeit in der Kampagne für die Nominierung von Bernie Sanders zum Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei.
| mehr »

| Die »Kalifornische Ideologie« und die Linke

Von Nina Scholz

Der Spiegel fragte neulich in einem Leitartikel seine Leser: »Das Morgen-Land: Im Silicon Valley formt sich eine neue Elite, die nicht nur bestimmen will, was wir konsumieren, sondern wie wir leben. Sie will die Welt verändern und keine Vorschriften akzeptieren. Müssen wir sie stoppen?« Auch das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung haben schon früh vor einer Netzeuphorie gewarnt und sich kritisch mit der sharing economy, einem wichtigen Phänomen der »kalifornischen Ideologie« befasst.1 In der deutschen Linken dagegen scheint das Thema verspätet und auch noch nicht in seiner ganzen Reichweite angekommen zu sein.
| mehr »

| Digitale Dominanz

Von Malte Daniljuk

Wie Informationstechnologie globale Herrschaft verändert

Die durch die Digitalisierung verursachten Umbrüche in ihrer Tragweite zu verstehen, heißt zunächst, einige Voraussetzungen in Erinnerung zu rufen, die den Umgang mit Technik seit jeher prägen. Ihnen kommt nicht zuletzt deshalb zeitlose Bedeutung zu, weil sie die ideologischen Schemata bedingen, auf denen strategische Herangehensweisen in der Technologiepolitik aufsetzen.
| mehr »

| Die dritte Partei auf dem Vormarsch

Von Sarah Jaffe

Mit neuen Strategien wirbelt die Working Families Party das Zweiparteiensystem in den USA durcheinander

„In den vergangenen Jahren waren Unterschiede zwischen Demokraten und Republikanern oft nur schwer auszumachen. Niemand wollte über Rassismus reden; niemand wollte über Armut reden.“

Sauda Baraka hat sich um einen Sitz im Schulaufsichtsrat von Bridgeport (Connecticut) nicht bemüht, um sich damit für höhere Ämter zu bewerben. Als ihre Kinder die öffentliche Schule in Bridgeport besuchten, sah sie sich selbst schlicht als engagierte Mutter – bis sie 2004 von der Republikanischen Partei angeworben wurde, für den Rat1 zu kandidieren. In Connecticut sind jeweils drei Sitze in den Schulräten für Oppositionsparteien reserviert. Bridgeport ist seit langem von der Demokratischen Partei dominiert und diese Sitze fielen an die Republikaner. Baraka kandidierte und gewann den Sitz.
| mehr »

| Bernie for President?

Von Bhaskar Sunkara

Bernie Sanders’ Kandidatur begrüßen und in ihren Grenzen sehen

“Ich bin kein kapitalistischer Soldat. Ich bin ein proletarischer Revolutionär. . . . Ich bin gegen jeden Krieg, nur nicht gegen den einen.” Dies waren Senator Bernie Sanders’ Worte im Jahr 1979, als er für eine Folkway-Aufnahmensammlung eine Rede des fünfmaligen Kandidaten der Sozialistischen Partei für das Präsidentenamt, Eugene V. Debs. zitierte.

Diese Sprache wurde in einem Land, das mit der Reagan’sche Revolution, in deren Verlauf sogar die bescheidensten Errungenschaften des US-amerikanischen Wohlfahrtsstaates attackiert wurden, seit Jahrzehnten nicht mehr verwendet. Nur zwei Jahre später wurde Sanders Bürgermeister der größten Stadt von Vermont. Die Vermont Vanguard Press feierte die “Volksrepublik von Burlington” mit einer Sonderausgabe. Sanders hing ein Portrait von Debs in seinem neuen Büro auf — ein Portrait, das nun in seinem Büro im Washingtoner Viertel Capitol Hill hängt.
| mehr »