| Der Verfassungsprozess in Chile – Wie sich soziale und ökologische Konflikte gegenseitig verstärken

Von Jakob Graf

30 Jahre nach Ende der Diktatur bekommt Chile eine neue Verfassung. Dieser Prozess ist auch das Ergebnis von Kämpfen, die sich in den letzten Jahren vor allem um die soziale Reproduktion dreht.

Das lateinamerikanische Musterland Chile steckt in einer tiefen politischen Krise. Erste Ergebnisse dieser Umbruchphase sind die systematische Diskreditierung des Neoliberalismus, die Tatsache, dass sich das Land endlich eine neue Verfassung geben wird, und dass dem verfassungsgebenden Prozess eine indigene Frau vorsteht. Elisa Loncón entstammt dem Volk der Mapuche, das in der chilenischen Politik traditionell weitgehend ausgeschlossen wurde.
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| Das Patriarchat ist nicht in Quarantäne

Gespräch mit Francisca Fernández Droguett über feministische Politik in Zeiten der Pandemie

Ihr habt bereits im März mit dem Einsetzen der Ausgangssperre in Chile einen feministischen Notfallplan entwickelt. Inwiefern richten sich die Forderungen an den Staat und inwiefern geht es dabei um Selbstorganisierung?

Chile ist weiterhin das Wahrzeichen des Neoliberalismus in Lateinamerika. Und Neoliberalismus bedeutet nicht nur eine Politik der Privatisierung, sondern auch der radikalen Individualisierung von Verantwortung. So bestehen auch die staatlichen Reaktionen auf die Pandemie vor allem darin, an die Individuen und deren „rational choice“ zu appellieren.
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| Umweltkrise und Uber-Boom – Lateinamerikas Städte stecken im Stau

Von Daniel Santini

Der Verkehr in den Metropolen Lateinamerikas ist zum alltäglichen Krisenphänomen geworden. Die Politik bevorzugt systematisch den Autoverkehr und schränkt die Mobilität und Gesundheit der meisten Stadtbewohner*innen ein. Die herrschenden Antworten auf die Krise sind kapitalistische – obwohl es durchaus Bewegung gibt für ein öffentliches und sozial gerechtes Verkehrssystem.
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| Keine Rückkehr zum Alltag – die Popularen Versammlungen im Herzen des chilenischen Aufstands

Von Bree Busk

In Chile gibt es eine lange Geschichte politisch radikaler nachbarschaftlicher Organisierung – diese Tradition dient nun einem aktuellen Prozess: dem Entwerfen einer neuen Verfassung für ein Land im Aufruhr.

Mehr als fünfzig Tage sind vergangen, seit der chilenische Aufstand sich Bahn gebrochen hat.[1] Für jene, die ihn an der Basis miterleben, scheint er jedoch bereits länger anzudauern. Die Bewegung hat seitdem etliche Umbrüche durchlebt. Die Regierung Piñeras und ihre Sympathisant*innen haben – ohne Erfolg – eine Rückkehr zur Normalität verlangt. Unisono gaben die Menschen zur Antwort, eben diese ‘Normalität’ sei das Problem gewesen. In der Hauptstadt Santiago waren allerorten Graffiti zu lesen: „Mir ist das Chaos lieber.“
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| Revolution heißt, für die Zukunft sorgen

Von Verónica Gago

Über eine Zukunft des Sozialismus nachzudenken impliziert, sich eine Vorstellung davon zu machen, was kommen wird. Die Frage, die sich dann notwendigerweise anschließt, ist: Wie erreichen wir dieses ersehnte Ziel? In jeder revolutionären Theorie hat die Utopie folglich auch eine pragmatische Seite, die sich auf die Frage des Übergangs bezieht. Dieser Übergang stellt insofern eine Herausforderung dar, als sich historisch immer wieder gezeigt hat, dass es dabei keine Linearität gibt, keinen direkten Weg, der von dem einen zum anderen Punkt führt.
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| Der Aufstieg Bolsonaros: Erfolgsbedingungen und Perspektiven der Rechtsregierung

Von Ana Garcia

Als weltweites Phänomen ist der Aufstieg der radikalen Rechten eine der unheilvollen Folgen der neoliberalen Globalisierung, die überall auf der Welt zu Massenarbeitslosigkeit und immenser Ungleichheit geführt hat. Der Aufstieg lässt sich vor allem auch als eine der politischen Spätfolgen der weltweiten Finanzkrise begreifen, die die Welt zu Anfang des 21. Jahrhunderts erschütterte.

Es ist nicht einfach, das Phänomen Jair Bolsonaro in Brasilien zu erklären und seine Unterstützung innerhalb und außerhalb der Regierung zu verstehen. Dieser Essay basiert nicht auf detaillierter Recherche, sondern gründet auf kollektiven Überlegungen und Gesprächen. Ich habe versucht, einige wichtige Fragestellungen zu formulieren und Ansätze für ihre Beantwortung zu finden.
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| Krise in Venezuela

Die Lage in Venezuela ist eskaliert. Die Krise hat bereits eine lange Entwicklung genommen. Ein Teil der Problematik liegt in den Widersprüchen des chavistischen Modells des „Sozialismus im 21. Jahrhundert“, die innerhalb der Linken schon lange diskutiert werden.
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| Putschversuch in Venezuela …und wie weiter?

Von Dario Azzellini

In Venezuela ist ein von den USA unterstützter Putschversuch im vollen Gange. Am 23. Januar ernannte sich der bis dato weitgehend unbekannte Oppositionspolitiker Juan Guaidó und erst seit dem 5. Januar 2019 Vorsitzender der Nationalversammlung selbst zum Präsidenten Venezuelas. Dabei wurde er offenbar von der US-Regierung ermuntert. Der Putsch wurde in Geheimgesprächen in Anwesenheit Gesandter der kolumbianischen Regierung in den USA vorbereitet. Auf die Selbsternennung Guaidós erfolgte die sofortige Anerkennung durch die US- und die kanadische Regierung. Auch die radikale rechten Regierungen in Brasilien und Kolumbien, sowie die rechte Regierung in Argentinien schlossen sich dem an. Diverse EU-Regierungen, darunter auch Deutschland, Frankreich und Spanien haben Guaidó Unterstützung zugesagt und der Regierung von Maduro ein Ultimatum gestellt innerhalb von acht Tagen Neuwahlen auszurufen.
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| Zwei Präsidenten, keine Lösungen

Von Tobias Lambert

Ohne Verhandlungen droht in Venezuela ein Blutvergießen

Juan Guaidó hat die politischen Krise in Venezuela gezielt eskaliert. Auf einer oppositionellen Großdemonstration am 23. Januar in Caracas vereidigte sich der bis Anfang des Jahres noch weitgehend unbekannte Parlamentsvorsitzende als Interimspräsident selbst. Er schwor, „formell die Kompetenzen der Nationalen Exekutive zu übernehmen“ und kündigte an, Neuwahlen auszurufen, sobald der Nationale Wahlrat (CNE) neu besetzt sei. Kurz darauf erkannte US-Präsident Donald Trump Guaidó an[1]. Es folgten die rechten Regierungen der Nachbarstaaten Brasilien und Kolumbien, gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der so genannten Lima-Gruppe mit Ausnahme Mexikos[2]. Am 26. Januar setzten die deutsche Bundesregierung sowie weitere europäische Regierungen dem amtierenden venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro eine Frist von acht Tagen, um die Bereitschaft für Neuwahlen zu erklären. Andernfalls wollen sie und möglicherweise die gesamte EU Guaidó ebenfalls als Interimspräsidenten anerkennen. Die Regierungen Kubas, Nicaraguas, El Salvadors, Mexikos, der Türkei, Irans, Russlands und Chinas betrachten hingegen weiterhin Maduro als rechtmäßigen Präsidenten.[3]
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| Luxemburg in Lateinamerika. Perspektiven nach dem Scheitern der progressiven Regierungen

Von Isabel Loureiro

Linke und sozialistische Ideen stecken aktuell weltweit in einer tiefen Glaubwürdigkeitskrise. Während man diese in Russland und den osteuropäischen Ländern auf die eingeschränkten Freiheiten und die für kommunistische Bürokratie übliche wirtschaftliche Ineffizienz zurückführen kann, haben sich die sozialdemokratischen und „progressiven“ Regierungen im Westen selbst verantwortlich gemacht, indem sie die Programme ihrer politischen Gegner übernahmen, sich so zum Verwalter des Kapitalismus machten und die Armut weiter vertieften. Dort wo verwaltet wird, herrscht nicht die Politik, sondern Friedhofsruhe. Dieser leere Raum wurde nun durch die extreme Rechte eingenommen, die ihre auf die Anhäufung von Kapital konzentrierte Politik umzusetzen sucht.
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