| ICH WERDE SEIN – Jubiläumsausgabe zum 100. Todestag von Rosa Luxemburg

Rosa Luxemburg ist eines der ikonischen Gesichter der sozialistischen Bewegung. Und eine der wenigen Frauen, vielleicht die einzige, deren zentrale Rolle darin unbestritten ist. Sie beeindruckt als brillante Autorin und klarsichtige Theoretikerin, als mitreißende Rednerin und engagierte Politikerin, als lyrische Chronistin und streitbare Genossin. Und sie steht für eine Haltung, in der Entschiedenheit im politischen Kampf und »weitherzigster Menschlichkeit« ein Ganzes bilden.

Luxemburg ist nicht nur Namensgeberin der Stiftung, sondern auch Patin dieser Zeitschrift. Das von ihr gelebte Zueinander von Theorie und Praxis, von Analyse und Veränderung, von Strategie und eingreifendem Handeln steht für die Perspektive der LuXemburg und für die Entwicklung eines linken Projekts, als dessen Teil und Debattenorgan sich die Zeitschrift versteht.
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| Was dürfen wir hoffen? Ernst Bloch mit Gramsci lesen

Von Jan Rehmann

Ernst Bloch ist bekanntlich nach dem Ungarn-Aufstand 1956 vonseiten der Partei- und Staatsführung der DDR zum Dissidenten gestempelt worden, seine Philosophie wurde für utopisch und daher unmarxistisch erklärt. Im Dezember 1956 wandte sich Walter Ulbricht im Neuen Deutschland gegen Bloch (ohne Namensnennung), der die These vertrete, »man könne das Morgen nur vom Übermorgen aus verstehen«. Dies zeige, wie weit sich manche Philosophen vom Volk und vom Kampf um die sozialistische Gesellschaftsordnung entfremdet hätten. Bloch wurde 1957 zwangsemeritiert, was ihn dann bewogen hat, 1961 nicht mehr von einer Reise nach Westdeutschland zurückzukehren.
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| Kämpfen lernen. Was Luxemburg der Linken raten würde

Von Janis Ehling

Im zehnten Jahr der zugespitzten Krise des Neoliberalismus gewinnen die gesellschaftlichen Umwälzungen eine neue Qualität: Ein globaler Autoritarismus und eine radikale Rechte bestimmen die Agenda. Die Rechten gerieren sich erfolgreich als Gegenpol zum neoliberalen »Weiter so«, während linke Kräfte häufig orientierungslos, zerstritten, wenig handlungs- oder wirkmächtig erscheinen. Dabei müsste gerade die Linke – insbesondere die parteiförmig organisierte – die Rolle einer offensiven Kraft gegen die Unbill des Kapitalismus und den rechten Autoritarismus einnehmen und über eine bloße Verteidigungshaltung hinausgehen. Dafür muss die Linke sich neu ausrichten, Gewissheiten hinterfragen, andere zurückgewinnen. Rosa Luxemburg kann genau hierfür strategische Orientierung bieten. Auch sie lebte in einer Zeit der Umbrüche, als sich die politische Rechte ab den 1890er Jahren in Deutschland neu formierte. Ich möchte Denkanstöße für die politische Linke, wie ich sie im Werk von Luxemburg finde, in sieben Thesen formulieren.
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| Wiedergelesen: Volker Caysa über Rosa Luxemburg als Philosophin

Für die Redaktion von Michael Brie

Es gibt Bücher, bei deren Lesen einen tiefe Trauer ergreift. So auch beim nachgelassenen Werk von Volker Caysa »Rosa Luxemburg – die Philosophin«. Der Verlust, den sein früher Tod für die Luxemburg nahe Linke in Deutschland und darüber hinaus bedeutet, wird offenkundig. Volker Caysa hat einen Zugang zu Leben und Wirken von Luxemburg gewonnen, der sich völlig unterscheidet von allem, was vorliegt. Indem er mit tiefstem Wissen und Verständnis des antiken griechischen Philosophierens in die Schriften und in das Handeln Luxemburgs eindringt, wird sie auf eine Weise lebendig, die die Schuttberge von Gemeinplätzen und hohler Bewunderung oder flacher Denunziation beiseite räumt.
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| »Nur keine Sentimentalität«. Eine israelische Perspektive

Von Gal Hertz

Im Juni 1916 wurden die Gründer des Spartakusbundes Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wegen unpatriotischer Aktionen während des Ersten Weltkriegs festgenommen (vgl. Solty in diesem Heft). Nach ihrer Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Schutzhaft kommentierte Luxemburg in ihrer Junius-Broschüre (1916, 163) vom Gefängnis aus die Verheerungen des Krieges:
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| Ungelöst und ungeliebt: Die nationale Frage. Wie Europa von links denken

Von Walter Baier

Die magische Formel, mittels derer nach 1945 Kriege und Nationalismen gebändigt werden sollten, lautete Integration. Doch entgegen aller optimistischen Rhetorik, mit der noch vor Kurzem ein »postnationales Zeitalter« ausgerufen wurde,[ref]Typisch für diese Sicht sind Cohn-Bendit/Verhofstadt (2012) und Menasse (2012). [/ref] stellt man heute fest, dass Europa mit der »nationalen Frage« keineswegs fertig ist. Tatsächlich hat die Finanz- und Wirtschaftskrise zu einem Legitimationsverlust der europäischen Integration und zu einem Wiederaufleben des Nationalismus geführt.


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| »Keine Feigheit vor dem Freund!« oder: Wie kritisiert man Revolutionen?

Von Lutz Brangsch

»Der Revolutionärin Rosa Luxemburg war es natürlich selbstverständlich, solidarisch zur russischen Revolution zu stehen. Doch Solidarität ohne Kritik, ohne Kritik an der Politik von Lenin und Trotzki, galt Rosa Luxemburg als Feigheit – als Feigheit vor dem Freund.« (Schütrumpf 2006, 1001)

Die Auseinandersetzungen um das Verhältnis von Lenin und Luxemburg spielten vor allem in der kommunistischen Strömung der Linken über Jahrzehnte eine zentrale Rolle. Die Beziehung beider kann mit voller Berechtigung als spannungsgeladen bezeichnet werden. Gleichzeitig verband sie der Kampf gegen den Opportunismus der rechten Sozialdemokratie und für eine sozialistische Revolution. Die Gemeinsamkeiten sind unstrittig, die Bedeutung der Widersprüche zwischen beiden wird jedoch unterschiedlich beurteilt. Während Paul Levi (1921, 138) in einem Brief an Clara Zetkin betonte, dass Rosa Luxemburg »nun einmal – das läßt sich nicht leugnen – in gewissen Fragen im Gegensatz zu den Bolschewiki« stand, und dass »gerade diese Fragen« durch den »Gang der russischen Revolution in den Vordergrund geschoben« worden seien, schätzte Zetkin etwa die Grundsätzlichkeit der Unterschiede anders ein.
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| ABC der Transformation: Revolutionäre Realpolitik

Michael Brie & Mario Candeias

Revolutionäre Realpolitik I (Von Micha Brie):

Es gibt einen quälenden Widerspruch, der viele Linke umtreibt: Sie wissen, wie notwendig und unverzichtbar grundlegende gesellschaftliche Veränderungen sind. Sie engagieren sich, weil es an elementarer Gerechtigkeit fehlt, weil Milliarden von Menschen kein würdiges Leben führen können, weil die kapitalistische Wachstumsmaschine in die ökologische Katastrophe führt, weil über die elementarsten Fragen nicht demokratisch entschieden werden kann, weil Menschen illegalisiert leben, weil Kriege ganze Gesellschaften zerstören. Aber real können sie nur wenig bewirken.
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| Ständig bei Marx

Von Judith Dellheim

Gestützt auf Raya Dunayevskaya (1982) darf die These vertreten werden, dass keine Revolutionärin, die zugleich Theoretikerin war, kein Theoretiker und Revolutionär außer Engels sich so umfassend und intensiv mit Marx befasst hat wie Rosa Luxemburg. Unentwegt hat sie in Marx’ Schriften und Notizen gesucht – um sein Denken, seine Methode, sein politisches Agieren und sein Leben zu verstehen und zu erklären, um Probleme zu erfassen und sich mit ihnen radikal auseinanderzusetzen.
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| Dissidenz. Luxemburg als Patin eines undogmatischen Sozialismus

Von Jan Toporowski

Gemeinsam mit ihrem Genossen und Lebensgefährten Leo Jogiches gehörte Rosa Luxemburg 1893 zu den Begründer*innen der Sozialdemokratie des Königreichs Polens und Litauens (SDKPiL). Der Bezug auf das Königreich im Namen der Partei ergab sich aus der geografischen Lage des russisch besetzten Polen und war nicht als Huldigung der polnischen Wahlmonarchie gemeint. Die Partei verstand sich als linke radikale Alternative zur etwa zeitgleich gegründeten Polnischen Sozialistischen Partei (PPS). Letztere war durch heftige interne Fraktionskämpfe gekennzeichnet – insbesondere hinsichtlich der polnischen Unabhängigkeit. Eine von Józef Piłsudski angeführte Strömung der PPS, die den Kampf um nationale Unabhängigkeit als Vorbedingung für die Befreiung der polnischen Arbeiterklasse ansah und priorisierte, wurde als »Revolutionäre Fraktion« bekannt. Ihr gegenüber stand in dieser Frage der linke Flügel (Lewica), der wiederum auf den gemeinsamen Kampf mit anderen nationalen und sozialen Gruppierungen gegen die zaristische Autokratie setzte. Die SDKPiL verfolgte derweil eine entschieden antinationalistische Linie und propagierte ein Programm, das die Auflösung aller Nationalstaaten und die Errichtung einer internationalen proletarischen Republik vorsah. Angesichts einer Vielzahl an sprachlichen, religiösen und ethnischen Identitäten innerhalb der städtischen Bevölkerung und vor allem der industriellen Arbeiterklasse war die nationale Frage von erheblicher Bedeutung. Tatsächlich war die größte Organisation der Arbeiterklasse Polens zu jener Zeit der Allgemeine Jüdische Arbeiterbund, kurz Bund, der sowohl als Gewerkschaft als auch als politische Partei fungierte.
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