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| Dissidenz. Luxemburg als Patin eines undogmatischen Sozialismus

Januar 2019
Von Jan Toporowski

Gemeinsam mit ihrem Genossen und Lebensgefährten Leo Jogiches gehörte Rosa Luxemburg 1893 zu den Begründer*innen der Sozialdemokratie des Königreichs Polens und Litauens (SDKPiL). Der Bezug auf das Königreich im Namen der Partei ergab sich aus der geografischen Lage des russisch besetzten Polen und war nicht als Huldigung der polnischen Wahlmonarchie gemeint. Die Partei verstand sich als linke radikale Alternative zur etwa zeitgleich gegründeten Polnischen Sozialistischen Partei (PPS). Letztere war durch heftige interne Fraktionskämpfe gekennzeichnet – insbesondere hinsichtlich der polnischen Unabhängigkeit. Eine von Józef Piłsudski angeführte Strömung der PPS, die den Kampf um nationale Unabhängigkeit als Vorbedingung für die Befreiung der polnischen Arbeiterklasse ansah und priorisierte, wurde als »Revolutionäre Fraktion« bekannt. Ihr gegenüber stand in dieser Frage der linke Flügel (Lewica), der wiederum auf den gemeinsamen Kampf mit anderen nationalen und sozialen Gruppierungen gegen die zaristische Autokratie setzte. Die SDKPiL verfolgte derweil eine entschieden antinationalistische Linie und propagierte ein Programm, das die Auflösung aller Nationalstaaten und die Errichtung einer internationalen proletarischen Republik vorsah. Angesichts einer Vielzahl an sprachlichen, religiösen und ethnischen Identitäten innerhalb der städtischen Bevölkerung und vor allem der industriellen Arbeiterklasse war die nationale Frage von erheblicher Bedeutung. Tatsächlich war die größte Organisation der Arbeiterklasse Polens zu jener Zeit der Allgemeine Jüdische Arbeiterbund, kurz Bund, der sowohl als Gewerkschaft als auch als politische Partei fungierte.
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