| Queerfeldein. Queer-feministische Perspektiven auf die Bewegung für Ernährungssouveränität

Von Paula Gioia und Sophie von Redecker

The effects of gender stereotypes are present everywhere, and especially in agriculture.
(Land Dyke Manifesto by Land Dyke Feminist Family Farm, Taiwan)

Queerfeminismus ins Feld führen

Acht Jahre nach der Verfassung der Nyéléni-Erklärung (Nyéléni, 2007) äußerte Kelli Malford vom nationalen Koordinationskreis der Landlosenbewegung Brasiliens (Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra – MST) im Anschluss an das erste LGBT[1]-Seminar ihrer Organisation 2015, dass es wichtig sei anzuerkennen, dass die LGBT-Community in den Reihen der sozialen Basis, der politischen Aktivist*innen und der politischen Leitung der Bewegung längst präsent sei.
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| »Erst kommt das Fressen« – LuXemburg 1/2018

Wie und was wir essen, wird oft als moralische Entscheidung oder persönliche Geschmacksfrage verhandelt. Wer keine Lust auf die individuelle Suche nach dem richtigen Essen im falschen System hat, schiebt die Frage gern beiseite, gerade als Linke*r. Doch wirkliche gesellschaftliche Veränderung geht nicht ohne eine Revolution unseres Essens. Die Krisen und Verwerfungen des globalen Kapitalismus sind eng mit den Umbrüchen eines von Konzernen dominierten Ernährungssystems verknüpft. So ist rund ein Drittel der erwerbsfähigen Weltbevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt. Die neuen Landnahmen und die Marktmacht der Lebensmittelindustrie zerstören natürliche Ressourcen und lokale Versorgungssysteme auf der ganzen Welt. Abgehängte ländliche Räume bieten auch autoritären populistischen Bewegungen einen Boden, die »traditionelle« Lebensweisen verteidigen wollen.
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| Vielfältige Agrarstrukturen sichern. Wie wir Landgrabbing in Deutschland verhindern

Von Frieder Thomas

Eine neue Dimension des Strukturwandels in der Landwirtschaft beginnt…

Die Landwirtschaft steht weltweit vor einer großen Veränderung, nämlich vor einem tiefgreifenden Wandel der Besitz- und Eigentumsverhältnisse. Der folgende Beitrag betrachtet diesen Wandel konkret in Deutschland. Grundsätzliche Veränderungen in der Geschichte der Landwirtschaft sind jedoch nicht neu. Historisch bedeutsam war beispielsweise der Übergang von einer bäuerlichen Selbstversorgungswirtschaft hin zu einer arbeitsteiligen Land- und Ernährungswirtschaft. Das führte zu einem Prozess, der je nach Sichtweise als „Strukturwandel“ oder „Höfesterben“ bezeichnet wird.
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| »Wir haben nicht satt«

Gespräch mit Michael Bättig

Wie eine Erwerbsloseninitiative für gutes Essen streitet

Gutes Essen ist meist etwas für Menschen mit gehobenem Lebensstandard. Nicht nur wegen der Preise. Essen ist auch eine Kulturpraxis, über die sozialer Status (re)produziert wird. Wie kommt ihr als Arbeitsloseninitiative dazu, euch mit Ernährungsfragen zu beschäftigen?

Es fing damit an, dass die Ausgaben für Schnaps, Smartphone und Videostreaming zunehmend den Anteil für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke im Hartz-IV-Regelsatz auffraßen. Als wir eine Erhöhung forderten, rieten uns auch wohlmeinende Menschen, wir sollten doch erstmal mit dem Rauchen aufhören und die Heizung beim Lüften ausdrehen. Man könne sich doch auch mit wenig Geld gesund und ökologisch ernähren. Tatsächlich steigt seit Jahren der Pro-Kopf-Energieverbrauch für Wohnen, Essen, Auto, Reisen proportional zur Höhe des Einkommens. Und zwar völlig unbeeinflusst vom pseudogrünen Postwachstumsdiskurs und unabhängig von Bildungsstand und politischer Einstellung.1 Auf der ersten »Wir haben es satt«-Demonstration 2011 in Berlin haben wir es auf unserem Flugblatt so ausgedrückt:
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| Im Bauch der Bestie. Widersprüche des globalen Ernährungsregimes

Von Philip McMichael

Die Geschichte der Globalisierung der Landwirtschaft weist verschiedene Perioden auf. Sie lässt sich weder von Industrialisierungsprozessen noch von geopolitischen Kämpfen um Hegemonie trennen. Etwa Ende des 19. Jahrhunderts entstand das, was man einen »echten Weltmarkt« nennen kann. Das heißt, die Produktion und die Zirkulation von Nahrungsmitteln waren in großen Teilen der Welt von jeweils einheitlichen Weltmarktpreisen wesentlich beeinflusst.
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| Wem gehört der Boden? Öffentliche Bodenpolitik gegen die neue Landnahme

Von Plan B konkret

Gute Böden sind lebensnotwendige Güter und wertvolle Lebensräume. Doch der Zugang zu dieser elementaren Ressource wird immer mehr zum Problem. Die Weltbevölkerung wächst, zugleich steht immer weniger fruchtbares Ackerland zur Verfügung, nicht nur durch den Flächenverbrauch von Siedlungen und Straßen, vor allem auch durch die Übernutzung durch die Landwirtschaft. Auf immer weniger Land soll immer mehr produziert werden, um die Welternährung zu sichern. Allein diese Prognose erhöht den Druck auf das knappe Gut Boden. Das lockt auch Spekulant*innen und Großinvestor*innen an. Das Nachsehen haben die, die tagtäglich das Land bewirtschaften, aber in diesem Wettbewerb nicht mithalten können.
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| Konzerne denken in Quartalen, Bauern in Generationen

Von Volker Woltersdorff

Wer Ernährungssouveränität will, muss bäuerliche Strukturen stärken

In der städtischen Vorstellungswelt sind bäuerliche Betriebe ein Refugium jenseits kapitalistischer Verwertungsinteressen. Man muss nur auf die wirklichkeitsfernen Bilder in den Supermarktregalen und Werbeclips schauen. Tatsächlich aber ist die Landwirtschaft völlig durchkapitalisiert. Trotzdem ist die Sehnsucht nach einer anderen Landwirtschaft, in der eine Ökonomie der Sorge um das Land und seine Lebewesen über den Kapitalinteressen steht, nicht aus der Luft gegriffen. Sie stützt sich auf reale Bedürfnisse und auf eine konkrete, geschichtlich verankerte und enkeltaugliche landwirtschaftliche Praxis, die ich »bäuerlich« nennen will und die für das Ziel der Ernährungssouveränität zentrale Bedeutung hat. Denn wer ein Ende der Abhängigkeit des Lebensmittelsektors von den Kapitalinteressen einiger weniger Konzerne will, muss bäuerliche Strukturen stärken, die anders funktionieren. Ernährungssouveränität setzt auf die Dezentralisierung und Diversifizierung der Lebensmittelproduktion. Sie braucht kleinteilige, regionale Netzwerke, von Erzeuger*innen untereinander wie auch von Erzeuger*innen und Verbraucher*innen, die als freie Assoziationen politisch aushandeln, wie und was die Vielen erzeugen und essen wollen, und dies auch ökonomisch umsetzen. Landwirtschaftliche Produktions-, Reproduktions-, Zirkulations- und Konsumptionsbedingungen müssen ökologisch nachhaltig, sozial gerecht, demokratisch und daher vielfältig organisiert sein.
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| Hartz-IV-Menü und Feinkosttheke. Ernährungspolitik muss kulinarische Teilhabe für alle ermöglichen

Von Daniel Kofahl

Weltweit gibt es gemessen in Kilokalorien mehr Nahrung, als man benötigen würde,
um alle Menschen ausreichend satt zu bekommen. Dass überhaupt noch gehungert wird, ist zumindest im Moment primär ein Verteilungsproblem und weniger eins der Produktion. In Deutschland ist die Fülle von Lebensmitteln offensichtlich. Die Supermarktregale sind gefüllt, allerorten gibt es Restaurants unterschiedlicher Couleur, und im Zweifel ruft man halt einen Lieferdienst, der einem das Essen bequem an die Haustür bringt. Das Schlaraffenland scheint Wirklichkeit geworden zu sein. Zumindest für alle,
die dafür zahlen können. Wer dazu nicht in der Lage ist, darf durch die Schaufenster der Geschäfte gucken oder, zeitgemäßer, durch die Bildschirmscheibe in die zahllosen Kochshows, wie wohlschmeckend und ambitioniert andere kochen, kochen lassen und essen.
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| Zu viel und zu wenig. Die Macht der Konzerne und die globale Fehlernährung

Von David Sanders

Fehlernährung ist weltweit ein erheblicher Krankheits- und Sterblichkeitsfaktor, besonders im globalen Süden. Die Unterernährung von Frauen hat gravierende Auswirkungen nicht nur auf ihre Gesundheit, sondern auch auf den Verlauf von Schwangerschaften. Ein niedriges Geburtsgewicht ist die häufigste Todesursache bei Neugeborenen und eine direkte Folge der Unterernährung ihrer Mütter: Etwa 2,6 Millionen und damit fast 40 Prozent frühkindlicher Sterbefälle gehen weltweit hierauf zurück. Unterernährung erhöht nicht nur das Risiko für Infektionskrankheiten und Tod, sondern beeinträchtigt auch die körperliche und geistige Entwicklung.
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| Das Recht, Nein zu sagen. Ernährungssouveränität als feministische Strategie und Praxis

Von Christa Wichterich und Kalyani Menon-Sen

Bei der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Buenos Aires
 im vergangenen Jahr erklärten Hunderte Menschenrechtsorganisationen: »Basta ya! WTO: Wir wollen Souveränität.« Besonders brisant war die Ablehnung durch mehr als 160 Frauenrechtsorganisationen vor allem aus dem globalen Süden. Denn ein offizielles Ziel der Konferenz war das wirtschaftliche Empowerment von Frauen durch deren Einbindung in Wertschöpfungsketten, Unternehmertum und Handel. »Pink washing« nennen das die Kritikerinnen, die ihre lokalen Lebensgrundlagen (livelihoods) durch die Freihandelsregeln bedroht sehen.
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