| GEIZ IST GAR NICHT GEIL. ÜBER KONSUMWEISEN, KLASSEN UND KRITIK

Von Mario Candeias und Anne Steckner

Angesichts der Übernutzung natürlicher Ressourcen, immenser Abfallproduktion und fortschreitender Zerstörung der ökologischen Grundlagen des Planeten ist Konsumkritik en vogue. Allenthalben wird der Wahnsinn der Wachstumsgesellschaft und des Massenkonsums beklagt. Gehör verschaffen sich vor allem mahnende Stimmen aus dem wertkonservativen und dem grünbürgerlichen Lager. Jeweils exemplarisch hierfür stehen der Ökonom Meinhard Miegel und der Sozialpsychologe Harald Welzer. Beide Autoren treffen einen Nerv der Zeit. In ihrer Argumentation finden sich kulturpessimistische, neo- liberale und kapitalismuskritische Versatzstücke einer Kritik, die Probleme benennt, Bedrängnis anspricht und Sehnsüchte aufgreift. Zugleich bieten sie ein verkürztes Verständnis von Konsum und Bedürfnisbefriedigung, weil sie Klassenverhältnis- se nicht bedenken und häufig moralisch statt politisch argumentieren. Konsum aber ist eine Klassenfrage.1
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| LuXemburg Spezial zu Neuer Klassenpolitik

Die Klassenfrage steht im Zentrum eines links-marxistischen Projekts. ›Klasse‹ spielte aber zuletzt weder in linken Strategiedebatten noch in der politischen Praxis eine große Rolle. Das hat viele Gründe: Die Sozialdemokratie hat die Klassenfrage seit den 1970er Jahren zu Gunsten von Modellen aufgegeben, in denen eine Vielfalt sozialer Schichten angenommen wird; neue soziale Bewegungen haben sich in Abgrenzung eines auf männliche Industriearbeit verkürzten Klassenverständnisses Fragen von Lebensweisen, Geschlechterverhältnissen, postkolonialem Erbe und der Ökologie zugewandt; und das »Ende des Sozialismus« tat sein Übriges. Gleichzeitig verschärfen sich in westlichen Industrieländern die sozialen Gegensätze – Folgen eines in die Krise geratenen finanzialisierten Kapitalismus und sinkender Profitraten, die durch Flexibilisierung, Druck auf die Löhne und eine Zerstörung öffentlicher Infrastrukturen auf dem Rücken der Vielen »kompensiert« werden.

Letztlich waren es die Erfolge der Rechten – vom BREXIT über Front National und AfD bis hin zur Wahl Donald Trumps in den USA, die auf verquere Art die Klassenfrage zurück auf die Tagesordnung geholt haben:
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| Portugal: Tolerierung einer Anti-Austeritäts-Regierung − ein erfolgreiches Modell?

Von Mario Candeias

Seit Ende 2015 stellt die sozialdemokratische Partido Socialista (PS) in Portugal eine Minderheitsregierung mit parlamentarischer Unterstützung der radikalen Linken – dem Linksblock (Bloco de Esquerda) und der portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP). Eröffnet dieses Modell der Tolerierung einer Anti-Austeritäts-Regierung Bewegungsmöglichkeiten für eine radikale Linke zwischen Opposition und Koalitionsbeteiligung als ‘Juniorpartner’? Ermöglicht es, bestimmte begrenzte Reformen durchzusetzen und zugleich ein eigenständiges transformatives Projekt zu entwickeln? Kann es gar als Vorbild dienen für andere Länder? Selbstverständlich ist kein ‘Modell’ aufgrund der in der Realität immer sehr spezifischen Rahmenbedingungen einfach auf andere politische Konstellationen übertragbar, aber es lässt sich doch immer etwas aus den Erfahrungen in anderen Ländern lernen.
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| John P. Neelsen

| Glaubwürdigkeit wahren

Von Volker Lösch

Rede von Volker Lösch bei „10 Jahre DIE LINKE“ in der Volksbühne Berlin am 16. Juni 2017

Liebe Freundinnen und Freunde der LINKEN!

Es war eine andere Zeit, damals vor zehn Jahren, als die LINKE gegründet wurde, eine Zeit politischen Stillstands. Sarkozy gewann die Wahl in Frankreich, Horst Köhler war Bundespräsident, George W.Bush war leider auch Präsident, Angela Merkel Bundeskanzlerin. Es fühlte sich so an, als sei der Neoliberalismus unaufhaltsam, und somit eine hinzunehmende Naturerscheinung.


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| Move it! Für die Kanakisierung linker Politik

Von Stefanie Kron

Die Diagnose ist bekannt: Der gesellschaftlichen Linken fehlt ein gemeinsames Narrativ. Eines, das wieder mehr Menschen anspricht und für linke Politiken begeistert. Rechtsextreme Bewegungen und Parteien in Europa propagieren eine Rückkehr zu ethno-nationalistischen Formen gesellschaftlicher Organisation. Sie erzeugen damit offenbar den viel zitierten »Wärmestrom«, eine klassenübergreifende und affektive Zustimmung bei immer mehr Menschen. Dieses neurechte Narrativ erzählt Migration als potenzielle Bedrohung des Idealbilds einer homogenen Nation und wird in Deutschland vor allem von der AfD und Pegida propagiert.

Währenddessen spaltet sich die gesellschaftliche Linke in Deutschland an der Frage migrationspolitischer Strategien.
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| Ohne Grundlage. Warum einem Erfolg der Sozialdemokratie die Voraussetzungen fehlen oder: Wer nicht kämpft, hat schon verloren

Von Ingo Schmidt

Der Sozialstaat ist beliebt. Die Parteien, die sich seinen Ausbau auf die Fahnen geschrieben haben, sind es nicht. Es ist verständlich, dass die Sozialdemokrat*innen in der Defensive waren, solange in weiten Kreisen der Wählerschaft die Hoffnung bestand, Kürzungen heute würden Gewinne und Prosperität von morgen ermöglichen. Doch längst ist klar, dass immer weitere Kürzungen bei vielen der Preis für den Wohlstand der wenigen ist. Angesichts zunehmender Ungleichheit und grassierenden Zukunftsängsten wünschen sich viele Menschen die Stärkung, nicht den Abbau sozialer Sicherungen. Dieser Wunsch reicht mitunter auch für sozialdemokratische Regierungsmehrheiten. Doch regelmäßig folgt solchen Wahlerfolgen die Ernüchterung auf dem Fuße.
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| Drei Populismen und kein ›Volk‹. Politische Konstellationen in Italien

Von Beppe Caccia

Aus linker Sicht bildete die Geschichte Italiens im Vergleich zu anderen westlich-kapitalistischen Ländern lange Zeit eine positive ›Anomalie‹: In den 1970er Jahren gab es die heftigsten Arbeiterkämpfe und zu Beginn des 21. Jahrhunderts die breiteste Antiglobalisierungsbewegung. Die politischen Entwicklungen der vergangenen fünf Jahre stechen hingegen eher negativ hervor: Klassenkonflikte sind schwach ausgeprägt, die sozialen Bewegungen zersplittert und die politische Linke steht abgedrängt am Rand.
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| Rückkehr nach Reims? Frankreichs Sozialdemokratie im freien Fall

Von Felix Syrovatka

Die Sozialistische Partei ist zerrissen wie nie. Ihre aktuelle Situation erinnert an das Jahr 2008, als auf dem Parteitag in Reims der innerparteiliche Machtkampf eskalierte. Vorausgegangen war eine jahrelange Auseinandersetzung zwischen dem sozialliberalen und dem linkssozialistischen Flügel. Diese erreichte ihren Höhepunkt 2005:
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| Bernie Sanders und die Hegemoniekrise des neoliberalen Kapitalismus

Von Jan Rehmann

Im Folgenden geht es im Wesentlichen um zwei Punkte: zum einen kann die erstaunliche Anziehungskraft von Bernie Sanders’ Wahlkampf nur angemessen verstanden werden, wenn wir begreifen, dass und in welcher Hinsicht der neoliberale Hightech-Kapitalismus sich in einer Hegemoniekrise befindet und wie diese die Erwartungen und Haltungen der Bevölkerung in den USA beeinflusst; zum anderen will ich zeigen, wie Sanders wirksam in diese Hegemoniekrise eingegriffen und die Koordinaten ihrer Verarbeitung im Alltagsverstand nach links verschoben hat. Auch wenn er nicht der Kandidat der Demokratischen Partei geworden ist, hat er die ideologischen Verhältnisse in den USA zum Tanzen gebracht und die Möglichkeit eröffnet, eine demokratisch-sozialistische Perspektive zu entwickeln und im Alltagsverstand tragfähig zu verankern.
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