| Kommunikativer Kapitalismus und Klassenkampf

Von Jodi Dean

Die letzten fünf Jahre mit ihren zahlreichen Aufständen und Demonstrationen waren die erste Phase einer Revolte, die von der Klasse der WissensarbeiterInnen ausgeht. Die Occupy-Bewegung, die Proteste von Studierenden in Chile und im kanadischen Montreal, die Kämpfe gegen Austeritätspolitiken in Europa, selbst Teile der Bewegungen des Arabischen Frühlings und die Streiks von LehrerInnen, GesundheitsarbeiterInnen und anderen im öffentlichen Dienst Beschäftigten überall auf der Welt können als Aufbegehren der Klasse derjenigen begriffen werden, die unter dem System des kommunikativen Kapitalismus proletarisiert wurden. Diese Kämpfe sind nicht Kämpfe der Multitude, nicht Kämpfe für mehr Demokratie oder Kämpfe, die allein aus lokalen Bedingungen heraus zu erklären sind. Es sind keine sozialen Abwehrkämpfe der Mittelschichten und es ist nicht der Freiheitsdrang von Netzwerkindividuen, der sich hier Bahn bricht (vgl. Mason 2012). Vielmehr sind es Kämpfe derjenigen, deren Arbeitskraft der kommunikative Kapitalismus ausbeutet und deren Lebensäußerungen von diesem enteignet werden (vgl. Dean 2009, 2010).
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| Die Datenzentren sozialisieren

Interview mit Evgeny Morozov

Wie kamen Sie auf das Thema neue Medien?

Ich schrieb an meinem ersten Buch The Net Delusion. Damals ging es mir darum, deutlich zu machen, dass viele von den Tools, Plattformen und Techniken, deren emanzipatorisches Potenzial wir bejubelten, just zum Schaden derselben Aktivisten, Dissidenten und Anliegen, die wir zu fördern versuchten, eingesetzt werden können.[1] Heute klingt das selbstverständlich. Aber damals nahmen die meisten Sponsoren und westlichen Regierungen an, Diktaturen ‒ oder wie auch immer sie autoritäre Regime zu bezeichnen pflegten ‒ würden niemals dazu in der Lage sein, das Internet zu »kontrollieren«, weil sie hierfür zu dumm, zu schlecht organisiert oder schlichtweg zu technikfeindlich wären.
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| Viel zu smart

Von Rainer Fischbach

Alles soll smart werden: Es soll nicht beim Smartphone und bei der Smartwatch beiben. Nein, wir sollen in Zukunft als BewohnerInnen von smart homes, die selbstverständlich in smart cities liegen, nur noch smart products konsumieren, die ebenso selbstverständlich aus smart factories kommen. Doch wir sollten gewarnt sein: Nicht zufälligerweise trat das Adjektiv in der smart weapon zum ersten Mal in ein inniges Verhältnis mit einem Artefakt. Noch vor der Fähigkeit eines Gerätes, scheinbar unabhängig und intelligent zu agieren, bezeichnet es, so belehrt uns das Oxford Dictionary, die Schärfe und den Ernst eines Schmerzes beziehungsweise die Fähigkeit einer Waffe oder eines Schlages, einen solchen zuzufügen. Die Frage, die sich stellt, lautet: Ist das alles auch klug?
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| Drohnenkriege

Von Norbert Schepers

Warum Big Data tödlich sein kann

Kampfdrohnen sind zu einem vielbeachteten Phänomen geworden. Ihr kriegerischer Einsatz reicht bis zum Ersten Weltkrieg zurück, als unbemannte Doppeldecker mit tödlicher Bombenfracht (Kettering Bug) zum Einsatz kamen. Ihren Durchbruch erlebten die Drohnen, als nach den Debakeln der Weltmächte in Vietnam und in Afghanistan asymmetrische Konflikte zunahmen und der Fortschritt in der Informationstechnik die Steuerung und Datenauswertung nahezu in Echtzeit ermöglichte. Mit dem ›globalen Krieg gegen den Terrorismus‹ nach 9/11 verlor die Drohnentechnologie endgültig ihr Nischendasein. Der Einsatz ferngesteuerter und unbemannter Fluggeräte veränderte das Gesicht der modernen Kriegsführung. Ein neues Wettrüsten ist in Gang gesetzt, in dem relativ unabhängig agierende Killerroboter entwickelt werden. Internationale Institutionen und Normen sowie humanitäre Rechtsordnungen erodieren beschleunigt unter dem Druck der automatisierten Kriegsführung.
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| Veränderungen der Klassenstruktur im Digitalen Zeitalter

Ursula Huws

Wir leben in einer Gesellschaft, in der das Kapital hochgradig konzentriert ist und die Warenproduktion von Unternehmen betrieben wird, deren Geschicke zum großen Teil von Finanzinvestoren gelenkt werden. Die von ihnen produzierten materiellen oder immateriellen Waren werden über komplexe Wertschöpfungsketten auf einem globalen Markt angeboten, in die zunehmend auch unsere unbezahlte Arbeit als Konsumenten einfließt. Informations- und Kommunikationstechnologien haben die räumliche und zeitliche Teilung der Arbeit so stark verändert, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben für viele von uns unentwirrbar vermengt sind. Sollten wir nicht einfach akzeptieren, dass wir in dieser oder jener Weise allesamt Teil einer gewaltigen undifferenzierten Arbeitskraft sind, die undifferenzierten Wert für ein undifferenziertes Kapital produziert?
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| Nach der „Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft“: Was hat die Digitalisierung mit linker Politik zu tun?

von Petra Sitte und Halina Wawzyniak

Drei Jahre Arbeit, zwölf Projektgruppen und rund 2000 Seiten Berichtstext hat die Enquetekommission des Bundestages „Internet und digitale Gesellschaft“ hervorgebracht. 17 Bundestagsabgeordnete und ebenso viele von den Bundestagsfraktionen benannte Sachverständige sollten die Umwälzungen der Gesellschaft durch Digitalisierung ermessen und politische Handlungsempfehlungen für den Umgang mit der digitalen Revolution entwickeln.
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| »You call it Piracy. We call it Freedom«1

Von Horst Kahrs

Die Piratenpartei und ihre Wähler – liquid patchwork

Die Wahlerfolge der Piratenpartei haben aufgeregte Fragen ausgelöst: Sind sie gekommen, um zu bleiben? Wer ist die Piratenpartei überhaupt? Entsteht eine neue linkslibertäre Partei, die den heimatlos gewordenen Sozialliberalismus beerbt? Wie begegnen die Piraten den institutionellen Mühlen? Und was lässt sich sagen über die Gesellschaft, die Erfolge der Piraten möglich macht?
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| MACHTBEZIEHUNGEN IN DER GLOBALEN KOMMUNIKATION

von Miya Yoshida

Postkarte der “Phone-Wars”

Im Kontext der Telekommunikation wird häufig von Erreichbarkeit (accessibility) gesprochen. Das bedeutet zweierlei: Die Nutzer der mobilen Telefonie haben globalen personalisierten Zugriff auf ein simultanes Netzwerk. Dessen soziale und kontextuelle Verfügbarkeit ebnet soziale Unterschiede und Hierarchie und beinhaltet gleichzeitig Verhandlungen über die zeitliche Flexibilität von Individuen. Beide Bedeutungen von Erreichbarkeit drücken sich im Englischem – in der Medientheorie wie auch in den Werbekampagnen großer Mobiltelefonanbieter – im Begriff seamless connectivity (nahtlose Kommunikation) aus.
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