| FUCK FRACKING

März 2012  Druckansicht
Von Jörn Krüger

GEGEN GASBOHREN

Bilder von brennenden Wasserhähnen, Berichte über vergiftetes Grundwasser und das Wort »Fracking« schrecken seit dem letzten Jahr die Bevölkerung in vielen Regionen Deutschlands auf. In den USA, Australien, Südafrika und Frankreich kämpfen bereits hunderte Bürgerinitiativen gegen die rücksichtslosen Methoden großer Konzerne und einer wenig unabhängigen Politik. In Deutschland formierte sich der Widerstand im September 2010, als ExxonMobil ankündigte, im kleinen münsterländischen Dorf Nordwalde nach Erdgas bohren zu wollen.

Seit einigen Jahren laufen in Deutschland Experimente, schwer zu erschließendes Schiefer- und Kohleflözgas zu gewinnen. Diese so genannten unkonventionellen Gasvorkommen enthalten große Mengen Methan, fest eingeschlossen in unterirdischen Gesteinsschichten. Mit dem Verfahren des Hydraulic »Fracking« Fracturing sollen diese Vorkommen erschlossen werden. Millionen Liter eines Wasser-Chemikalien Gemisches werden dafür bei über 1000 bar Druck in den Untergrund verpresst. Dadurch entstehen Risse in den gasführenden Schichten, entlang derer für kurze Zeit Gas gefördert werden kann. Für einen wirtschaftlichen Betrieb sind zehntausende Bohrungen notwendig. Doch mit der steigenden Anzahl an Bohrungen steigen auch die Risiken und Probleme. Milliarden Liter sauberen Ober- flächenwassers werden fürs Fracking mit giftigen, krebserregenden und hormonverändernden Substanzen versetzt. Die genaue Zusammensetzung dieses Chemikaliencocktails ist ein Geheimnis der Industrie. Im Untergrund reichert sich das Wasser zusätzlich mit großen Mengen an Salzen, radioaktiven Isotopen, Schwermetallen und Kohlenwasserstoffen an, bevor es wieder an die Oberfläche gelangt.

Die Entsorgung dieses belasteten Wasser ist schwierig. In den USA wird es in offenen Teichen gesammelt, in Flüsse abgeleitet oder an städtische Klärwerke übergeben, die mit der Reinigung überfordert sind. Ganze Städte müssen schon mit Trinkwasser versorgt werden, weil das Oberflächenwasser oder Brunnen von Anwohnerinnen und Anwohnern zu stark belastet sind. In Deutschland wird es vor allem in Versenkbohrstellen unter Aufsicht der Industrie im Untergrund »entsorgt«. Der Oscar nominierte Dokumentarfilm »Gasland« von Josh Fox zeigt eindrucksvoll, wie hilflos die US-Bevölkerung den Risiken gegenüber steht. In Deutschland sei so etwas nicht möglich, so einhellig die Industrie, die Bundesanstalt für Geowissenschaften und die zuständigen Behörden der Bundesländer. Zu streng seien die Gesetze und zu sicher die Verfahren der Industrie.

Doch stimmt das? Die Verfahren sind die gleichen wie in den USA und werden teils von denselben Unternehmen wie Halliburton durchgeführt. Die Gasförderung in Deutschland wird nach dem Bundesbergrecht aus preußischen Zeiten kontrolliert. Für Genehmigungen und Überwachung sind alleine spezielle Behörden der Bundesländer zuständig. Weder die Kommunen vor Ort, noch die Landkreise, Wasseroder Umweltverbände und schon gar nicht die Bürger haben dabei ein grundsätzliches Mitspracherecht. Alleiniger Auftrag dieser Bergämter ist die Erschließung von Bodenschätzen. Dazu arbeiten sie eng mit den Unternehmen zusammen, in Nordrhein-Westfalen zuletzt zu eng. Nachdem das Landesbergamt mit »Info-Material« der Industrie als »neutrale Information« warb, wurden erstmals Konsequenzen gezogen. Die Behörde wurde umstrukturiert und ein Moratorium für weitere Fracking-Genehmigungen erlassen.

In Niedersachsen ließen sich Vertreter des Landesbergamtes vom Erdgas-Lobbyverband WEG über die Folgen der Gasförderung aufklären. Die Argumente der Behörde ähneln in frappierender Weise denen der Industrie. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Bode (FDP) besuchte mit Cowboyhut die ExxonMobil Zentrale in Texas. Dort zeigte er sich begeistert über die »hervorragende und transparente Informationspolitik« des Unternehmens, welches in Niedersachsen für hunderte Millionen Euro Steuergelder sorgt.

Kein Wunder also, dass Bürger und Wasserversorger in ganz Deutschland auf die Barrikaden gehen. Kaum eine Bohrung kann momentan begonnen werden, ohne dass sich vor Ort eine Bürgerinitiative bildet. Hunderte Menschen tragen in ländlichen Regionen die Proteste auf die Straße. Im nordrhein-westfälischen Dorf Nordwalde fand die größte Demonstration seit 30 Jahren statt. Vom Chiemsee bis Bremen finden Informationsveranstaltungen statt, die die weniger schönen Seiten der Gasförderung jenseits der bunten Werbebilder der Industrie darstellen.

Momentan ist der Energiekampf um die unkonventionelle Gasförderung in Deutschland vor allem ein »Informationskrieg«. Die Unternehmen schließen Gefahren gleich ganz aus oder verniedlichen sie durch geschickte Formulierungen ihrer PR-Abteilungen. Bürgerinitiativen sorgen für mediale Aufmerksamkeit und belegen ihre Kritik mit Berichten über die Auswirkungen der Gasförderung aus der ganzen Welt. Ein möglicher Kompromiss ist momentan nicht erkennbar.