| »EINSTÜRZENDE ÜBERBAUTEN« – LuXemburg 3/2016

Brexit, Trump und zweistellige Ergebnisse für die AfD markieren 2016 die tiefe Krise der Demokratie. Rechtspopulistische Forderungen nach »Souveränität« und »Bürgerbeteiligung«, die Kritiken an »Politiker-Filz« und »EU-Bürokratie« verfangen so massenhaft, weil sie ›Wahres‹ treffen: Der autoritäre Neoliberalismus hat die politischen Institutionen ausgehöhlt und Verfahren demokratischer Teilhabe auf Scheinpartizipation verengt. Politik gilt als das Geschäft von Expert*innen – auch weil die Interessen großer Teile der Bevölkerung tatsächlich nicht mehr zum Ausdruck gebracht werden. Die Apparate sind so sehr von verkrusteten Strukturen, Machtspielen und Ämtergeschacher geprägt, dass die Akteure selbst den Überblick verlieren, zwischen Strategie, Taktik und schierem Machterhalt kaum mehr unterscheiden können.
Zuweilen reicht es nicht einmal zu Letzterem, wie derzeit sozialdemokratische Parteien in ganz Europa vorführen. Die Geschwindigkeit, mit der eine politische Kraft, die über 150 Jahre lang zentraler Integrationsmechanismus eines befriedeten Kapitalismus war, zerfällt, ist beängstigend. Aber nicht nur sie: Die europäischen Institutionen sind reformunfähig, politische Alternativen blockiert, vielfach bildet sich gar kein ›Block an der Macht‹, geht es eher darum, dass sich konkurrierende Eliten gegenseitig in Schach halten. Wir erleben eine Zeit EINSTÜRZENDER ÜBERBAUTEN.
In dieses Vakuum stoßen rechte Bewegungen und Parteien. Wie kann es sein, dass Rechtspopulist*innen den Widerspruch zum Status quo derzeit am überzeugendsten artikulieren? Dass sie keinen echten Ausweg weisen, wissen viele – und doch: Solange die Linke keine mitreißende Alternative präsentiert, für die es sich gemeinsam zu kämpfen lohnt, bleibt imaginierte Selbstermächtigung durch die Identifikation mit ›Anpackern‹ von Trump bis Renzi, bleibt ein ›Populismus von oben‹ das beste Spiel.
LuXemburg 3/2016 fragt nach den Ursachen dieser Krise der Repräsentation und nach zarten Pflänzchen der Erneuerung. Wie können unter gegebenen Bedingungen linke Handlungsoptionen aussehen – auch hinsichtlich der heiklen Frage von linken Regierungsbeteiligungen? Was können wir von denen lernen, wo eine Erneuerung der Sozialdemokratie partiell gelingt – wie in den USA und im UK? Aber auch: Wie müssen wir unsere Praxen und Politiken grundlegend verändern, um überhaupt die Basis zu schaffen für einen Politikwechsel?
LuXemburg 3/2016, Januar 2017, 124 Seiten
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Inhaltsverzeichnis
Bildstrecke: My Home is The Delta
Von China Hopson und Jonas Kakó
Ausgehöhlt
Was ein Erdsturz in Louisiana mit Donald Trump zu tun hat
Von Arlie Russel Hochschild
Tiefe Risse
Die alte Tante. Warum die Sozialdemokratie die Grenze eines linken Projekts markiert
Von Mario Candeias
Rückkehr nach Reims?
Warum sich Frankreichs Sozialisten in die Bedeutungslosigkeit regieren
Von Felix Syrovatka
Autoritär gewendet
Wie ein Abbau der Demokratie als hippes Modernisierungsprojekt verkauft wurde
Von Marco Revelli
Drei Populismen und kein ›Volk‹
Warum Beppe Grillo nun das Spiel macht
Von Beppe Caccia
Implosion
Warum sich die Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) selbst zerstört
Von Juan Andrade
Ohne Grundlage
Warum einem Erfolg der Sozialdemokratie die Voraussetzungen fehlen oder: Wer nicht kämpft,hat schon verloren
Von Ingo Schmidt
Luxemburg Online: Von Corbyn lernen… (erscheint in Kürze)
Von Paul Mason
Luxemburg Online: Zwischen Aufbruch und Alternativlosigkeit – Die österreichische Sozialdemokratie am Scheideweg
Von Hannah Lichtenberger (erscheint in Kürze)
Wer Weiss was? 100 Jahre Peter Weiss
Stafettenlesung in Rostock
Zarte Pflänzchen
Ihr repräsentiert uns nicht
Warum wir uns die Demokratie(kritik) zurückholen müssen
Von Alex Demirović
Kontrovers: Was tun gegen Rechts? Das Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus«
Hanno Bruchmann vs. Christine Buchholz
Luxemburg Online: Vom wahren Kern der AfD (erscheint in Kürze)
Von Ingar Solty
Abstiegsgesellschaft oder Ausweitung der Kampfzonen?
Warum die soziologische Diagnose einen politischen Unterschied macht
Von Thomas Goes
Luxemburg Online: Sicherheit von Links? (erscheint in Kürze)
Von Melanie Braselle
Mission possible?
Warum es kompliziert ist, ohne gesellschaftlicheMehrheit zu regieren
Von Volker Hinck
Interview: Die Platte gewinnen!
Wie die Linke wieder in die Nachbarschaften kommt
Mit Katalin Gennburg und Moritz Warnke
Luxemburg Online: Rückkehr der Hoffnung
Für eine linke Doppelstrategie
Von Micha Brie und Mario Candeias
Luxemburg Online: Debatte zu Rot-Rot-Grün in Berlin (erscheint in Kürze)
Wie ich feministische Sozialistin wurde
Von Hilary Wainwright
Offenes Terrain
Der Name der Zeit I: Trumpiness
Von Tadzio Müller
Der Name der Zeit II: Donald Trumps Wahrheitspolitik des Geldes
Von Jodi Dean
»Ich bin New York«
Bilanz des kommunalen Personalausweises in New York City
Von Henrik Lebuhn
Luxemburg Online: Nach den Wahen in den USA
Trump: Auf dem Weg zu einem neuen Machtblock
Von Rainer Rilling
Luxemburg Online: Klasse, Scham und die Linken
Debatte zu EribonsRückkehr nach Reims