| Vergesellschaftung statt Eigentum. Die Wohnungsfrage bei Engels neu gelesen

Von Caren Lay und Hanno Bruchmann

Was man heute unter Wohnungsnot versteht, ist die eigentümliche Verschärfung, die die schlechten Wohnungsverhältnisse der Arbeiter durch den plötzlichen Andrang der Bevölkerung nach den großen Städten erlitten haben; eine kolossale Steigerung der Mietpreise; eine noch verstärkte Zusammendrängung der Bewohner in den einzelnen Häusern, für einige die Unmöglichkeit, überhaupt ein Unterkommen zu finden.“ (Friedrich Engels: Zur Wohnungsfrage, 1872)

Die Worte von Friedrich Engels klingen merkwürdig aktuell. Als vor 150 Jahren Engels’ „Wohnungsfrage“ im Organ der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei „Der Volksstaat“ erschien, rauchten in den Städten die Schlote. Die Stadt des 19. Jahrhunderts stand für Schmutz und Rauch und das Versprechen des Fortschritts. Im Laufe der Industrialisierung siedelten sich immer mehr Arbeiter*innen um die städtischen Fabriken an. Sie wohnten in von Fabrikbesitzern errichteten Mietwohnungen. Ein enormes Bevölkerungswachstum und der Zuzug in die kapitalistischen Zentren beförderten eine große Wohnungsnot. Enge und die hygienischen Verhältnisse machten das Leben in den häufig überbelegten Wohnungen unwürdig.
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| »Das ist nicht Neoliberalismus, das ist Klassenkampf«

Teil II des Gesprächs mit Didier Eribon, Geoffroy de Lagasnerie und Edouard Louis

Warum ist die Banlieue Avantgarde? Wer wird der nächste Präsident in Frankreich? Und was bedeutet es heute, links zu sein? Eine Fortsetzung des Gesprächs zur Bewegung der Gelbwesten.


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| HKWM-Stichwort »Massenstreik«

Frigga Haug, Frank Heidenreich und Florian Wilde

Wir  veröffentlichen an dieser Stelle einzelnen Beiträge aus dem Historisch-Kritischen Wörterbuch des Marxismus mit freundlicher Genehmigung des Argument Verlages.

A: iḍrāb al-ǧamāhīr. – E: mass strike.

F: grève de masse. – R: massovaja stačka.

S: huelga de masas. – C: qúnzhòng bàgōng 群众罢工

I. Bei der M-Debatte Anfang des 20. Jh. geht es im Kern um das Verhältnis des Ökonomischen zum Politischen, um das von Partei und Gewerkschaften, um Arbeiterbewegungspolitik, um die Problematik des M als politisches Mittel, als Kampfmittel zur Vorbereitung von Revolution oder als Erscheinungsform des proletarischen Kampfes in der Revolution. Ein zentraler historischer Bezugspunkt ist die Rolle des M in der russischen Revolution von 1905, die Lenin – einschließlich des historischen Verlaufs der Protestformen der ›Intelligenz‹ und der Arbeiter – eingehend analysiert. Rosa Luxemburg verfasst grundlegende Schriften zum M sowie zahlreiche Reden und Artikel zu M.s in Belgien, Frankreich, Holland, Italien, Österreich, Schweden, Spanien, den USA, die die internationale Bandbreite und politische Präsenz ihrer Agitation und ihre politische Orientierung zeigen.
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| ABC der Transformation: Revolutionäre Realpolitik

Michael Brie & Mario Candeias

Revolutionäre Realpolitik I (Von Micha Brie):

Es gibt einen quälenden Widerspruch, der viele Linke umtreibt: Sie wissen, wie notwendig und unverzichtbar grundlegende gesellschaftliche Veränderungen sind. Sie engagieren sich, weil es an elementarer Gerechtigkeit fehlt, weil Milliarden von Menschen kein würdiges Leben führen können, weil die kapitalistische Wachstumsmaschine in die ökologische Katastrophe führt, weil über die elementarsten Fragen nicht demokratisch entschieden werden kann, weil Menschen illegalisiert leben, weil Kriege ganze Gesellschaften zerstören. Aber real können sie nur wenig bewirken.
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| The Green Marx. Democratising Society’s Relation to Nature

by Alex Demirovic

The critique of Marx put forward by parts of the environmentalist movement and subsequently the Green Party targeted a central aspect of Marxian theory.[1] Marx’s notion presented in the Foreword to the ‘Critique of Political Economy’, according to which the development of the productive forces is determined by social relations, was interpreted by environmentalists in the sense that Marx simply favoured endless economic growth, a permanent expansion of man’s technological domination of the natural world allowing for the infinite appropriation of natural resources. From this perspective, socialism seemed to imply that the abolishment of capitalist ownership relations would mark only the beginning of unrestricted technological development. The result would be ever-increasing consumption, continuous destruction of the environment, and a depletion of natural resources robbing future generations of the latter. Despite the good intentions on behalf of humankind, the destruction of nature would ultimately bring suffering upon humans as well.
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| Bevölkerung und Klassenpolitik. Gramscis hegemonietheoretische Annäherung an die Frage der Migration

Von Alex Demirovic

Die Migrationsfrage als Herausforderung für die Linke

Seit dem Sommer 2015 und der Nichtschließung der deutschen Grenzen für die zahlreichen Flüchtlinge vor allem aus dem Kriegsgebiet Syriens, die in Ungarn und Österreich sowie in den Balkanländern gestrandet waren, wird in der deutschen Öffentlichkeit wieder einmal erregt über die Fragen von Asyl und Einwanderung diskutiert und gestritten. Bereits Anfang der 1990er Jahre gab es einen Diskurs mit ähnlichen Frontstellungen. Nach der undemokratisch betriebenen Vereinigung der zwei deutschen Staaten wurde die große Zahl von Asylsuchenden vor allem aus Osteuropa von den konservativen Parteien und der Regierung offensichtlich genutzt, um eine nationalistische Stimmung zu erzeugen. Im Ergebnis wurde das Grundrecht auf Asyl 1993 faktisch abgeschafft; nach diesem Recht wurden 2017 weniger als ein Prozent der 600 000 gestellten Anträge bewilligt (vgl. taz, 9.8.2018).
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| HKWM-Stichwort: Köchin

Von Frigga Haug

Der Lenin zugeschriebene Satz, die K solle den Staat regieren, schlägt eine emanzipatorische Schneise für Frauen und orientiert zugleich hin auf eine sozialistisch-demokratische Politik als Lernprojekt. Der Satz wurde vielfach aufgenommen, gedeutet, sogar in Gedichtform gebracht, schließlich metaphorisch genutzt als Buchtitel – Küche und Staat –, um Frauen zu ermutigen, sich politisch einzumischen, mit dem Ziel, »die gesellschaftlichen Verhältnisse so umzugestalten, dass alle Bereiche von allen herrschaftsfrei und also gemeinschaftlich geregelt werden können« (Haug/Hauser 1988, 7).
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| Wiedergelesen: Der »Klassen-Rassismus«

Von Étienne Balibar

Auch wenn die wissenschaftlichen Analysen des Rassismus vorzugsweise die rassistischen Theorien untersuchen, gehen sie doch davon aus, dass der »soziologische« Rassismus ein populäres Phänomen ist. Die Entwicklung des Rassismus in der Arbeiterklasse (die den sozialistischen und kommunistischen Aktivisten als etwas Widernatürliches erscheint) wird auf eine den Massen innewohnende Tendenz zurückgeführt und der institutionelle Rassismus in die Konstruktion eben dieser psychosoziologischen Kategorie »Masse« projiziert. Zu untersuchen wäre also der Prozess der Verschiebung von den Klassen zu den Massen, der diese zugleich als bevorzugtes Subjekt und Objekt erscheinen lässt.
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| Wiedergelesen: ›Rasse‹, Artikulation und Gesellschaften mit struktureller Dominante

Von Stuart Hall

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Ziel dieses Aufsatzes ist es, eine Reihe von Fragen und Problemen genauer zu bestimmen, die beim Studium rassistisch strukturierter Gesellschaftsformationen auftauchen, und auf neue wichtige Forschungsansätze hinzuweisen. Dafür ist es wichtig, die Brüche zu markieren, die diese neuen Studien im etablierten Forschungsfeld darstellen. Was das Feld angeht, so lässt es sich in zwei große Strömungen unterteilen, die beide eine breite Vielfalt verschiedener Studien und Ansätze hervorgebracht haben.
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| Warum die imperiale Lebensweise die Klassenfrage ausblenden muss

Von Thomas Sablowski

Ulrich Brand und Markus Wissen haben vor einiger Zeit ein neues Konzept in den Kosmos der kritischen Gesellschaftstheorie eingeführt: Die „imperiale Lebensweise“ (ausführlich: Brand/Wissen 2017). Was erklärt dieses Konzept? Wie verändert es unser Denken über Herrschaft und Ausbeutung, über die kapitalistischen Verhältnisse? Wie beeinflusst es unsere Strategien?
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