| Die nützlichen Idioten des Front National

Interview mit Jacques Rancière

Für den Philosophen Jacques Rancière haben bestimmte »republikanische« Intellektuelle seit einigen Jahren den Weg für den Front National geebnet. Er zeigt, dass die universalistischen Werte von einem fremdenfeindlichen Diskurs vereinnahmt wurden.

Vor drei Monaten ging Frankreich auf die Straße im Namen der Meinungsfreiheit und des friedlichen Zusammenlebens. Die letzten Wahlen zu den Bezirksparlamenten waren geprägt von einem neuen Vormarsch des Front National. Wie erklären Sie sich das rasche Aufeinanderfolgen dieser zwei Entwicklungen, die doch offenbar widersprüchlich sind?

Ich bin mir nicht sicher, dass es da einen Widerspruch gab. Natürlich sind sich alle einig, wenn es darum geht, die Anschläge vom Januar zu verurteilen und die breite Reaktion darauf zu begrüßen. Der geforderte Konsens in Bezug auf die “Meinungsfreiheit” hat aber für Verwirrung gesorgt.
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| Ziemlich falsche Freunde

Von Christoph Lammers

Rechtsreligiöse in Deutschland

Themen wie (sexuelle) Selbstbestimmung, Emanzipation und (sexuelle) Aufklärung galten weithin als ausgehandelt, als Teil eines liberalen Konsenses. Die 68er-Bewegung schien hier ihre Schuldigkeit getan zu haben. Aus Kinder, Küche, Kirche wurde Kinder, Küche, Karriere, und die Kirchen mussten ihre Deutungshoheit in Fragen des (familiären) Zusammenlebens und des Umgangs mit Sexualität zunehmend aufgeben. Diese Entwicklung gefällt nicht allen. Auseinandersetzungen über die genannten Themen stehen – für einige überraschend – heute wieder auf der Tagesordnung.
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| Modis Match

Interview mit Carsten Krinn

Indien nach der Wahl

Bei den Wahlen in Indien hat die hindunationalistische Bharatiya Janata Party (BJP) eine absolute Mehrheit errungen, ihr Spitzenkandidat Narendra Modi, der bisherige Regierungschef von Gujarat, ist neuer Premierminister. Manche Leute sprechen von der Gefahr eines ›Hindufaschismus‹. Wie schätzt du das ein?

Tatsächlich ist das ein Begriff, der in der indischen Linken schnell in Bezug auf die BJP auftaucht. Vor dem Hintergrund der europäischen Geschichte teile ich diese Analyse aus zwei Gründen nicht: Erstens setzt Faschismus im europäischen Verständnis eine politische Massenbewegung voraus. Diese gibt es in Indien nicht.
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| Rollback in Kroatien

Von Mario Kikas

Wie die Kirche gegen gleichgeschlechtliche Ehen mobilisiert

Im Dezember vergangenen Jahres sorgte eine Volksabstimmung in Kroatien für mediale Aufmerksamkeit. Die WählerInnen sprachen sich mit einer Zweidrittelmehrheit dafür aus, die Ehe als Bund zwischen Mann und Frau zu definieren und dies in der Verfassung festzuschreiben. Dem waren jedoch keine positiven Gesetzesänderungen zur Ausweitung der Rechte der LGBT-Community vorausgegangen, vielmehr sollte damit jeglichen Reformversuchen in diese Richtung vorgebeugt werden. Zwar bieten die existierenden Gesetze in Kroatien sexuellen Minderheiten einen besseren Schutz als in den anderen ehemaligen jugoslawischen Republiken Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, aber sie sind nicht so weitreichend wie in Slowenien, wo es letztes Jahr ein vergleichbares Referendum gegeben hat.
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| Budapest in Warschau

Von Holger Politt

Die Rechte in Polen

Polen ist nicht Ungarn. Dennoch prophezeite Jarosław Kaczyński im Herbst 2011, auch Warschau werde bald Budapest sein. Soeben hatte er als Spitzenkandidat der nationalkonservativen Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) ein weiteres Mal bei Parlamentswahlen das Rennen gegen die konservativ-liberale Konkurrenz von der PO (Bürgerplattform) deutlich verloren. Budapest sollte an diesem Wahlabend signalisieren, dass die Verhältnisse sich ändern werden, denn an der Donau regierte bereits seit mehreren Monaten die nationalkonservative Fidesz (Ungarischer Bürgerbund) mit absoluter Mehrheit. Kaczyński versprach dem erstaunten Publikum, bald allein regieren zu wollen. Seitdem ist viel Wasser die Weichsel hinuntergeflossen. Jarosław Kaczyński ist seinem ehrgeizigen Ziel nicht näher gekommen. Allerdings bleiben Kaczyński noch anderthalb Jahre Zeit, um bei den nächsten turnusmäßigen Sejm-Wahlen im Herbst 2015 zumindest die absolute Mehrheit der Parlamentssitze zu erzielen.
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| Rechts der Union

Von Gerd Wiegel

Die »Alternative für Deutschland«

Erfolge von Parteien am rechten Rand des politischen Spektrums sind in Europa inzwischen an der Tagesordnung. Einigen könnte es gar gelingen, bei den Europawahlen im Mai 2014 zur stärksten Partei ihres Landes zu avancieren – so dem Front National in Frankreich, der Partei für die Freiheit von Geert Wilders in den Niederlanden oder der FPÖ in Österreich. Ob sich mit der Alternative für Deutschland (AfD) auch hierzulande eine Partei rechts des etablierten Konservatismus längerfristig im Parteienspektrum verankern kann, wird sich zeigen.
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| Der aufhaltsame Aufstieg von UKIP

Von Richard Seymour

Anfang Mai 2013 stand die United Kingdom Independence Party (UKIP) mit ihrem Vorsitzenden Nigel Farage kurz vor dem Durchbruch: bei den Kommunalwahlen gewann sie 26 Prozent der Stimmen, nachdem ihr landesweiten Meinungsumfragen rund 20 Prozent vorausgesagt worden waren.

Wie kann das sein? UKIP war in der Presse aggressiv bloßgestellt worden. Die letzten Enthüllungen hatten in ihren Reihen Nazis und andere Sonderlinge aus rechten Subkulturen identifiziert.
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| Die Monster AG

Von Thilo Janssen

Europas radikale Rechte verbündet sich gegen die EU

Der sich abzeichnende Erfolg rechtspopulistischer Parteien bei den Europawahlen im Mai 2014 bringt Dynamik in die politischen Allianzen der europäischen Rechten: Am 13. November 2013 verkündeten Geert Wilders von der niederländischen Partij voor de Vrijheid und Marine Le Pen vom französischen Front National, sie würden im Bündnis mit anderen rechten Parteien zu den Europawahlen antreten. Ziel sei es, eine neue Fraktion im Europa Parlament (EP) zu gründen, wofür 25 Abgeordnete aus sieben Mitgliedsstaaten nötig sind.
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| Europa sprechen

Von Sebastian Reinfeldt

Rechtspopulistische Anschlüsse an den herrschenden Diskurs

Rechtspopulismus beschränkt sich keineswegs auf Parteien, die üblicherweise unter diesem Label genannt werden. Als politische Technologie, die rebellische Energien bindet, indem sie sie in einer Wir-Gruppe versammelt und zu Wählerstimmen transformiert, ist er Open Source. Allein die rechtspopulistischen Parteien sind jedoch eine relevante politische Kraft. Europaweit sind sie in den nationalen und regionalen Parlamenten vertreten, prägen die politische Kultur und den politischen Diskurs ihrer Länder. Was sie über ideologische Unterschiede hinweg verbindet, ist ein ausgeprägter Anti-Islamismus und seit einiger Zeit auch die Verteidigung eines traditionellen heterosexuellen Familienmodells. Sie agieren durchweg europaskeptisch und eurokritisch. Immer mehr Gruppierungen fordern ausdrücklich den Austritt ihres Landes aus dem Euroraum, wie etwa Geert Wilders mit seiner »Nexit-Kampagne« in den Niederlanden.
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| Rechte gegen Europa

Von Thilo Janssen

Die europäische Schuldenkrise ist auch eine Krise der (repräsentativen) Demokratie. In Griechenland und Italien wurden gewählte Regierungen durch Sparfunktionäre ersetzt, die sicherstellen sollen, dass die Forderungen der Gläubiger auf Kosten der unteren und mittleren sozialen Schichten erfüllt werden – im Namen der deutschen und französischen Regierungen und der Troika aus Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds. Die Austeritätspolitik in den Defizitstaaten könnte man das »deutsche« EU-Modell nennen (frei nach CDU-Bundestagsfraktionschef Volker Kauder). So scheint es auch gedeutet zu werden: Bei einer Umfrage des griechischen Magazins Epikaira vom Februar 2012 bejahten 77 Prozent der Befragten die Frage, ob Deutschland ihrer Meinung nach ein »Viertes Reich« errichten wolle.
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