| Über die Null hinaus denken. Zur Kritik des Aufrufs #Zero Covid

Von Alex Demirović

Der Aufruf #ZeroCovid hat innerhalb einer Woche eine enorme Resonanz erhalten. Fast 75.000 Menschen haben ihn bisher unterzeichnet, in den Medien wurde er vielfach erwähnt. Viele meiner Freund*innen haben ebenfalls unterschrieben. Es gab in Vorbereitung des Aufrufs eine Reihe spannender Diskussionen in der Rosa-Luxemburg-Stiftung oder im wissenschaftlichen Beirat von Attac. Ich habe mich dann doch nicht entscheiden können, zu unterschreiben. Mit einer gewissen Sorge sehe ich, zu welchen Verwerfungen die unterschiedlichen Einschätzungen der Pandemie auch innerhalb der Linken führen können. Insofern sind auch die mittelfristigen Folgen dieser Kampagne zu bedenken.
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| Gesicht zeigen für Leiharbeiter*innen. Gewerkschaftliche Kampagnen gegen Spaltung im Betrieb

Von Michael Schilwa und Lukas Wunsch

Der Kampf gegen Rechts muss auch im Betrieb geführt werden. Aktivierende Betriebsarbeit kann Solidarität unter denen schaffen, die oft gegeneinander ausgepielt werden.
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| Die Polizei abschaffen? Was uns wirklich sicher macht

Mit Melanie Brazzell

Nach den jüngsten Protesten der Black-Lives-Matter-Bewegung hat der Stadtrat in Minneapolis beschlossen, die Polizeibehörde aufzulösen. In anderen Städten wird über defunding gesprochen. Was bedeutet das?

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| Exzessive Staatsgewalt

Von Yves Winter

Brutale Polizeigewalt ist im modernen Rechtsstaat nicht vorgesehen. Doch sie hat System und spricht zu uns allen.

8 Minuten, 46 Sekunden. Das Zeitintervall hat inzwischen weltweit traurige Berühmtheit er­langt. Fast neun Minuten lang hat der Polizist Derek Chauvin am 25. Mai 2020 sein Knie gegen den Hals von George Floyd gepresst. Der Mord löste in den USA und weltweit erneut große Proteste gegen Polizeigewalt und systemischen Rassismus aus. Doch die polizeiliche Gewalt vor allem gegen Schwarze Amerikaner*innen geht ungebremst weiter. Allein in den vier Monaten seit Floyds Tod töteten US-amerikanische Polizeibeamt*innen nach der Zählung der Organisation Mapping Police Violence 349 Menschen, darunter weit überproportional viele Schwarze Menschen. Diese brutalen Erscheinungsformen staatli­cher Gewalt und die anhaltenden Demons­trationen der Black-Lives-Matter-Bewegung haben überfällige Diskussionen zu Polizei und Staatsgewalt hervorgerufen. Sie werfen erneut die grundsätzliche Frage auf, wie Staatsgewalt eigentlich zu verstehen ist und ob die in der historischen Soziologie gängige These ihrer zunehmenden Rationalisierung durch solche Gewaltexzesse empirisch entkräftet wird.

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| »No Justice, No Peace!«

Von Asad Haider

Während der Unruhen in Los Angeles im Jahr 1992 machte ein neuer Slogan die Runde: »No Justice, No Peace!« (»Kein Frieden ohne Gerechtigkeit«) Er war ein paar Jahre zuvor entstanden, möglicherweise während der Proteste gegen den Mord an Michael Griffith durch einen weißen rassistischen Mob in Howard Beach, im New Yorker Stadtteil Queens, und ist seither auf jeder Demonstration gegen Polizeigewalt zu vernehmen.
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| »Arbeitszeit verhandeln, um Beschäftigung zu sichern«

Interview mit Matthias Wilhelm

Anfang nächsten Jahres stehen Tarifrunden in der Metall- und Elektroindustrie, in der Stahl- und der Textilindustrie sowie im VW-Konzern an. Seid ihr mitten in der 2. Welle der Corona-Pandemie überhaupt handlungsfähig?

Ja, das sind wir. Die gebotenen Schutzmaßnahmen einzuhalten und die zusätzlichen Auflagen aus den verschiedenen Verordnungen von Bund und Bundesländern sowie die Allgemeinverfügungen der Kommunen zur Eindämmung der Corona-Pandemie machen die Gewerkschaftsarbeit mit Sicherheit nicht einfacher. Aber wir sind in der Lage, jederzeit unseren Interessen und Forderungen Nachdruck zu verleihen.
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| Chile zwischen Pandemie und historischem Referendum

Von Sophia Boddenberg

Ein Jahr ist seit Beginn der Revolte in Chile vergangen. Die Coronavirus-Pandemie hat es der Protestbewegung erschwert, sich zu organisieren, aber gleichzeitig das Scheitern des neoliberalen Modells verdeutlicht. Nun findet am 25. Oktober das hartnäckig erkämpfte Referendum über das Erbe der neoliberalen Diktatur statt.


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| Wer glaubt warum an Verschwörungstheorien? Ein Versuch zu verstehen

Von Ingar Solty

In der Buchbranche gilt ein wissenschaftliches Sachbuch als großer Erfolg, wenn von ihm in mehreren Jahren 10 000 Exemplare verkauft werden. Für die meisten Wissenschaftspublikationen liegen die Druckauflagen zwischen 150 und 500 Stück. Als vor etwa einem Vierteljahr der freischaffende Radiomoderator Kayvan Soufi Siavash, der sich selbst Ken Jebsen nennt, einen Videokommentar zu den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung bei Youtube hochlud, hatten ihn in kürzester Zeit mehr als drei Millionen Menschen gesehen.
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| EAT THE RICH

Von Volker Lösch

Tabu Reichtum

Vor zehn Jahren habe ich am Schauspielhaus Hamburg das Stück „Marat/Sade“ von Peter Weiss inszeniert. 20 Hartz IV-Empfänger*innen erzählten darin aus ihrem Alltag. Am Ende skandierte die Gruppe der Armen chorisch einen Weiss-Text, der durchsetzt war mit Namen und Vermögen der reichsten Hamburger*innen – abgeschrieben aus dem „Manager-Magazin-Spezial“. Das löste einen Theaterskandal aus. Die Senatorin von Hamburg versuchte, meine Inszenierung zu verbieten, und einige Reiche erließen einstweilige Verfügungen gegen ihre Namensnennung. Ohne es zu wissen, hatten wir an ein Tabu gerührt. Über Armut darf man reden, über Reichtum hat man zu schweigen.
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| Die Schere öffnet sich weiter – Verlierer und Gewinner in der Corona-Krise

Von Christoph Butterwegge

Man könnte meinen, dass vor einem Virus alle gleich sind. Bezüglich der Infektiosität von Coronaviren stimmt dies, im Hinblick auf das Infektionsrisiko allerdings nicht. So traf die Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 alle Menschen, aber keineswegs alle gleichermaßen. Je nach Arbeitsbedingungen, Wohnverhältnissen und Gesundheitszustand waren sie vielmehr ganz unterschiedlich betroffen. Wegen der niedrigen Lebenserwartung von Armen, die rund zehn Jahre geringer ist als die Lebenserwartung von Reichen, gilt selbst in einer wohlhabenden, wenn nicht reichen Gesellschaft wie der Bundesrepublik Deutschland die zynische Grundregel: Wer arm ist, muss früher sterben. Während der Coronapandemie galt: Wer arm ist, muss eher sterben. Denn das Mortalitätsrisiko von Arbeitslosen und Armen war deutlich höher als das von Reichen.
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