| Das italienische Paradoxon

Von Mimmo Porcaro

Die politische Situation in Italien ist nicht zu verstehen, wenn man die gelb-grüne Regierung aus Movimento 5 Stelle und Lega  als faschistisch und autoritär auffasst oder abtut. Nach der Wahl am 4. März 2018 waren die zwei Siegerparteien dazu gezwungen, eine Koalition einzugehen, um eine Rückkehr der Besiegten zu vermeiden, das heißt eine Rückkehr der Partito Democratico (Demokratische Partei/PD) und der Partei Berlusconis, denen die Wähler*innen eine heftige Absage erteilt hatten. Diese Koalition hat sich indes nicht nur aus einer politischen Notwendigkeit ergeben, sondern auch aus einer sozialen: Sie ist Ausdruck eines instabilen Bündnisses zwischen der nationalen Bourgeoisie (kleine und mittlere Unternehmen mit Fokus auf den italienischen Binnenmarkt) und Teilen des Proletariats und Halbproletariats, also zwischen jenen, die am meisten unter der Globalisierung und der Europäischen Union gelitten haben und heute eine grundlegende Veränderung fordern.
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| Die doppelte Umwälzung des politischen Feldes in Spanien. Die Regierung Sánchez und der Aufstieg der radikalen Rechten

Von Andrés Gil

Lange Zeit schien es, Spanien sei vor einem Aufstieg der radikalen Rechten, wie er in anderen Ländern zu beobachten ist, gefeit. Schließlich hatte sich der in die Gesellschaft eingeschriebene Franquismus hinter dem Kürzel der spanischen Volkspartei Partido Popular (PP) zurückgezogen. Zudem beschränkten vier Jahrzehnte franquistischer Herrschaft die Attraktivität rückwärtsgewandter Vorstellungen. Nicht zuletzt hatte sich die Unzufriedenheit im Kontext der Krise – dank der Indignados der Bewegung des 15. Mai (15M) – in eine linke Richtung kanalisiert. Vor einigen Jahren waren diese Annahmen noch korrekt, doch die Zeiten haben sich geändert.
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| La France insoumise. Anmerkungen zu einer neuen postlinken Formation

Von Sebastian Chwala

Vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Frankreich im Jahr 2017 schien festzustehen, dass die politische Linke kurz vor dem Fall in die Bedeutungslosigkeit stand. Die Kommunistische Partei Frankreichs (PCF) rutschte bereits seit dem Beginn der 1980er Jahre in eine tiefe Krise und die Sozialistische Partei (PS) tat es ihr spätestens seit der enttäuschenden Amtszeit François Hollandes gleich, der versprochen hatte, sich nicht dem Willen der deutschen Politik nach verschärfter Austerität zu beugen, und der Hoffnungen auf eine sozialere Politik im Inneren geweckt hatte. Die Möglichkeit, dass ein Vertreter der politischen Linken ernsthaft in das Rennen um die Präsidentschaft eingreifen könnte, schien nach diesen Entwicklungen gleich null.
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| Grenzüberschreitender Sozialismus. Großbritannien und die EU

Von Hilary Wainwright

Im Zeitalter transnationaler Unternehmen und globaler Finanzspekulation ist eine sozialistische Strategie, die nur oder nur primär auf einen bestimmten Nationalstaat fokussiert, zum Scheitern verurteilt. Gleichzeitig sind breit angelegte Kämpfe um Kontrolle über Nationalstaaten ein grundlegender Teil einer notwendigen internationalen Strategie. Diese Feststellungen sind mein Ausgangspunkt, um auf Costas Lapavitsas (griechischer Ökonom) und seine Forderung nach einem Sozialismus, der „daheim“ beginnen solle, einzugehen.
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| Momentum für ein solidarisches Europa der Vielen. Perspektiven einer verbindenden Plattform

 Von Mario Candeias und Johanna Bussemer

Als Folge der großen Krise ab 2009 wird etwa seit 2011 das politische Feld in Europa umgewälzt. Erstaunlich ist weniger die Niederlage zahlreicher Protestbewegungen und neuer linker Parteien gegenüber dem neuen Autoritarismus der Herrschenden als vielmehr, dass an unterschiedlichen Stellen in Europa die Dynamik neuer Mobilisierungen immer wieder aufbricht. Mittlerweile erhalten sie Konkurrenz von der radikalen Rechten, deren Aufstieg bedrohliche Ausmaße annimmt. Kurz vor den Wahlen zum Europäischen Parlament ist das politische Feld stark polarisiert. Aber die Linke ist in der europäischen Frage gespalten und zerstritten. Und doch ist spürbar, gerade jetzt, aufgrund der Gefahr von Autoritarismus und des Aufstiegs der radikalen Rechten, ein weit verbreitetes Gefühl, Widerstand leisten zu müssen, ein Impuls für eine starke Mobilisierung. Wir plädieren darüber hinaus dafür, ein europäisches Momentum zu kreieren, eine verbindende Plattform quer zu den inner-linken Konfliktlinien, die diesem Impuls symbolisch Ausdruck verleihen kann und zugleich eine Basis für Neues wäre.
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| Ungelöst und ungeliebt: Die nationale Frage. Wie Europa von links denken

Von Walter Baier

Die magische Formel, mittels derer nach 1945 Kriege und Nationalismen gebändigt werden sollten, lautete Integration. Doch entgegen aller optimistischen Rhetorik, mit der noch vor Kurzem ein »postnationales Zeitalter« ausgerufen wurde,[ref]Typisch für diese Sicht sind Cohn-Bendit/Verhofstadt (2012) und Menasse (2012). [/ref] stellt man heute fest, dass Europa mit der »nationalen Frage« keineswegs fertig ist. Tatsächlich hat die Finanz- und Wirtschaftskrise zu einem Legitimationsverlust der europäischen Integration und zu einem Wiederaufleben des Nationalismus geführt.


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| No Pasaran! Eine neue Internationale gegen die radikale Rechte

Von Emily Thornberry

Dies ist der Moment vieler bedeutsamer Jubiläen in der Geschichte der sozialistischen Bewegung – einer Bewegung die sich stets auf den unwiderstehlichen Impuls der Massen gründete, auf der wunderbaren Inspiration durch mutige Einzelne und dem tiefverwurzelten Glauben, dass ein Unrecht gegenüber einem oder einer von uns einem Unrecht gegenüber uns allen gleichkommt – wo auch immer in der Welt wir uns befinden.
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| Neuer Fürst, alte Regeln – Regierungswechsel ohne Perspektive für Katalonien

Von Ignasi Bernat und David Whyte

Gibt es Anzeichen dafür, dass der spanische Staat in der Katalonien-Frage nachgibt? Vieles spricht dafür, nachdem das korrupte Rajoy-Regime durch ein Mißtrauensvotum auf den Müllhaufen der Geschichte befördert wurde. Es war allen voran Rajoy selbst, der den Katalonien-Konflikt anheizte, paramilitärische Polizeieinheiten in die Region schickte, um die katalanische Regierung absetzte und seine Gegner verhaften ließ. Mit der Minderheitsregierung der sozialdemokratischen PSOE unter Ministerpräsident Pedro Sánchez, toleriert von der Fraktion von Unid@s Podemos, ist eine Entschärfung des Konflikts wahrscheinlicher geworden. Nach Antritt der neuen Regierung kam es sogleich zu einigen symbolischen Gesten, um den Konflikt zu deeskalieren. Ein neues Abkommen zur Dezentralisierung von Aufgaben und Zuständigkeiten wurde in Aussicht gestellt. Ministerpräsident Sánchez sagte jedoch nichts über die fortgesetzte Internierung von neun politischen Gefangenen oder über die vielen im Exil, die Prozessen wegen ‚Rebellion‘ oder ‚Volksverhetzung‘ entgegensehen. Auch ein Referendum über die katalanische Unabhängigkeit lehnt er weiterhin als illegal ab.
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| »Do you believe in life after work?« Der Dozentenstreik in Großbritannien

Von Mark Bergfeld

Vom 21. Februar bis zum 19. März 2018 wurde Großbritanniens Universitätssystem durch einen Arbeitskonflikt der Dozent*innen lahmgelegt: Um ihre Renten zu verteidigen, streikten die in der Gewerkschaft UCU (University and College Union) organisierten Dozent*innen, Professor*innen und akademische Hilfskräfte zwei Wochen lang an 61 Universitäten.

Dieser Artikel fasst den Streikverlauf zusammen und diskutiert die Hintergründe und Entwicklung des Streiks und welche politischen Fragen der Konflikt aufwarf.

Auslöser der Arbeitskampfmaßnahmen war die Entscheidung der Arbeitgeber, das Defined-benefits-Rentensystem abzuschaffen. Auf der Grundlage einer Risikoberechnung der Consulting-Firma PricewaterhouseCooper behauptete der Rentenfond University Superannuation Scheme (USS), ein Defizit zu haben.
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| Widerstand gegen die neoliberale Rentenreform in Russland

Von Anna Očkina

Am 14. Juni 2018 hat die Regierung der Russischen Föderation ein Gesetzesprojekt zu einer Rentenreform in das russische Parlament, die Duma, eingebracht. Es geht um eine schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 65 Jahre für Männer und 63 Jahre für Frauen. Nach derzeitigem Recht beträgt das Renteneintrittsalter für Frauen 55 und für Männer 60 Jahre. Das Projekt über die Veränderung des geltenden „Gesetzes über die gesetzlichen Renten in der Russischen Föderation“ wurde bereits vom Ausschuss für Arbeit, Sozialpolitik und Angelegenheiten älterer Menschen der Duma angenommen und auch von der Mehrheit der gesetzgebenden Organe in den Regionen anerkannt. Es erhielt Unterstützung von der Mehrzahl der Abgeordneten der Staatsduma sowie einer Reihe von Prominenten in Politik und Gesellschaft sowie populären Medienvertreter*innen.
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