| NEUNUNDACHTZIG NEUNZIG

Von Ingo Schulze

Je unsicherer die Gegenwart, desto drängender das Bedürfnis, sich in der Vergangenheit des eigenen Herkommens zu vergewissern. Um das dreißigjährige Jubiläum der Friedlichen Revolution vom Herbst 1989 zu feiern, gibt es grob gesagt zwei unterschiedliche Ansätze. Der eine reduziert alles auf den 30. Jahrestag des Mauerfalls, der andere begreift den Herbst als Prozess, in dem die Öffnung der Westgrenze ein Meilenstein war, aber nicht der einzige.

Ich halte den zweiten Ansatz für den angemessenen. Die Ereignisse der Friedlichen Revolution/des Umbruchs/des Herbstes 89 auf den Mauerfall zu konzentrieren, ist allerdings das herrschende Deutungsmuster, nicht nur, weil ein Datum, ein Ereignis griffiger ist als ein Prozess, es für den »Mauerfall« Bilder und Reportagen gibt und der Begriff »Mauer« die Qualität eines mythischen Elementes besitzt, also über sich hinausweist.
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| »SCHÖNER WOHNEN« − Luxemburg 2/2019


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| Geschäftsmodell mit beschränkter Wirkung. Warum der soziale Wohnungsbau seinen Namen nicht verdient

Von Andrej Holm

Wenn über Wohnungspolitik diskutiert wird, fällt schnell das Schlagwort sozialer Wohnungsbau. Mieterbund und Gewerkschaften fordern eine Aufstockung des Fördervolumens, viele Kommunen versuchen, verbindliche Quoten für Sozialwohnungen bei Neubauprojekten festzulegen, und selbst die Lobbyverbände der Immobilienwirtschaft möchten mehr sozialen Wohnungsbau – insbesondere seit Vorschläge zur Enteignung großer Immobilienkonzerne die Schlagzeilen füllen (vgl. GdW 2019). Doch wie fast immer, wenn ein Konzept so breite Zustimmung erfährt, gibt es einen Haken: Der soziale Wohnungsbau, wie wir ihn kennen, ist für eine soziale Wohnversorgung viel zu teuer und nutzt vor allem der Wohnungswirtschaft.
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| Kommunal und selbstverwaltet. Modellprojekt am Kottbusser Tor

Von Jannis Willim

Als 2011 am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg der Unmut gegen zu hohe Mieten hochkochte und eine kraftvolle, heterogene Nachbarschaft ihren Protest artikulierte, entstand unsere Initiative Kotti & Co. Viele der Wohnungen dort wurden im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus errichtet. Bei einem näheren Blick wurde deutlich, dass die hohen Mieten die Folgen eines Fördersystems sind, in das die Interessen von privaten Immobilieninvestoren und ihren kreditgebenden Banken eingeschrieben sind und das nur nachgeordnet der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum für einkommensarme Haushalte dient (vgl. Holm in diesem Heft). Das führt dazu, dass Sozialmieter*innen, die Hartz IV beziehen, einen viel zu hohen Anteil ihres Einkommens für die Miete ausgeben müssen. Eine Reform des sozialen Wohnungsbaus zugunsten einer Mietsenkung wird momentan in der rot-rot-grünen Regierungskoalition blockiert.
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| Spielräume nutzen. Wo linke Wohnungspolitik auf der Bundesebene ansetzen kann

Von Armin Kuhn

Durch den anhaltenden Anstieg der Mieten und Immobilienpreise scheint die Verwandlung der Innenstädte in sterile Wohlstandsinseln vorgezeichnet. Der zunehmende Ausschluss derjenigen, die ohnehin nur schwer Zugang zu Wohnraum finden, ist nicht nur eine Katastrophe für die unmittelbar Betroffenen. Wenn nachbarschaftliches Leben und damit oft existenziell wichtige Netzwerke der gegenseitigen Unterstützung zerstört werden, wenn sich Unterschiedliches nicht mehr auf der Straße begegnet, wenn Feuerwehrleute, Krankenpfleger*innen oder Erzieher*innen nicht mehr annähernd in der Nähe ihrer Arbeitsplätze wohnen können, dann ist städtisches Leben als Ganzes gefährdet.
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| »Das Geschäftsmodell der Immobilienkonzerne basiert auf der Enteignung der Mieter*innen«

Gespräch mit Knut Unger

Immobilienriesen wie Vonovia und Deutsche Wohnen sind in aller Munde. Warum sind sie eigentlich schlimmer als andere private Wohnungsunternehmen und warum sollten wir uns gerade mit ihnen anlegen?

Der Unterschied ist, dass die börsennotierten Immobilienkonzerne kapitalmarktorientiert sind. Sie sind also nicht nur damit beschäftigt, das eigene Vermögen zu bewahren oder zu mehren. Ihr Hauptgeschäft besteht darin, einer internationalen Kundschaft von Finanzinvestoren Aktien und Anleihen anzubieten, die lukrativer oder sicherer erscheinen als die Anlagen der Konkurrenz, zum Beispiel Staatsanleihen.
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| Die Absahner. Wie Investmentfonds die Finanzialisierung des Wohnens vorantreiben

Von Christoph Trautvetter

Wenn im Immobilienbereich über gnadenlose Profitmaximierung, hohe Managergehälter und überhöhte Renditen gesprochen wird, liegt der Fokus meistens auf den börsennotierten Wohnungsunternehmen. Share Deals zur Vermeidung von Grunderwerbssteuer werden immer wieder als Symbol für ein ungerechtes Steuersystem genannt. Und bei Geldwäsche denken
viele Politiker*innen, Journalist*innen und ihre Leser*innen an die Geldkoffer der italienischen Mafia. Ein Akteur wird dabei oft übersehen: die Immobilienfonds und Vermögensverwalter.
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| Kurswechsel statt Kosmetik. Warum wir Wohnen anders organisieren müssen

Von Bernd Riexinger

In Berlin demaskiert der Volksentscheid »Deutsche Wohnen & Co. enteignen« die Kräfte, die hinter dem aktuellen Mietenwahnsinn stecken. Das Ziel der Initiative, in der Hauptstadt mittels Volksentscheid alle Wohnungskonzerne mit mehr als 3 000 Mietwohnungen zu vergesellschaften, alarmierte die bürgerlichen Parteien und das Kapital gleichermaßen. Während die Konservativen mit Schaum vor dem Mund vor »sozialistischen Blütenträumen« warnten, fällt die Erpressung des Kapitals handfester aus.
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| Boden gutmachen. Was kann linke Bodenpolitik?

Von Werner Heinz

Die Nachfrage nach Grund und Boden sowie Immobilien ist gegenwärtig immens. Nicht allein in den Großstädten der Ballungsräume und wirtschaftlich attraktiven Mittel- und Universitätsstädten werden Grundstücke vermehrt als Objekte der Kapitalanlage- und Spekulation gesehen, auch am landwirtschaftlichen Grundstücksmarkt zeigt sich zunehmendes Kaufinteresse. Der preistreibenden Nachfrage steht in vielen Städten eine immer größere Zahl von Haushalten gegenüber – zunehmend auch von Angehörigen der Mittelschicht –, die den damit kontinuierlich steigenden Grundrenten-, Miet- und Bodenpreisforderungen nicht mehr nachkommen können. Gegenwärtig gibt jeder zehnte Großstadthaushalt mehr als die Hälfte seines verfügbaren Einkommens für Miete aus (vgl. Frankfurter Rundschau, 13.9.2017). Die Politik der öffentlichen Hand hat maßgeblich zur Verschärfung dieser Probleme beigetragen, indem sie sich in Bund und Ländern aus der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zurückzog.
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| Wohnen, wohnen, wohnen. Warum es eine rebellische, linke, solidarische Stadtpolitik braucht

Von Stefan Thimmel

Wem gehört die Stadt? Wem gehört Hamburg? Wem gehört Berlin? Wem gehört Leipzig? Wem gehört Konstanz? Nachdem Anfang der 2000er Jahre viel über schrumpfende Städte, Leerstandsprobleme, Rückbau und ökologische Fragen diskutiert wurde, sind seit einigen Jahren steigende Mieten, Wohnungsmangel, Verdrängung und Obdachlosigkeit zum drängenden Problem geworden. Anfang April 2019 haben allein in Berlin 35.000 Menschen gegen den Mietenwahnsinn protestiert. Die Initiative »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« nutzte die spektakuläre Demo als Auftakt für ihr Volksbegehren zur Vergesellschaftung der Berliner Bestände großer Immobilienkonzerne. Denn es geht nicht nur um bezahlbare Wohnungen, um Wohnungsneubau im Allgemeinen und sozialen Wohnungsbau im Besonderen. Es ist die Eigentumsfrage, die gegenwärtig auf der Agenda steht.
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