| Alle Artikel von Bini Adamczak

| Ohne Kohle, Wachstum und Nation

Dezember 2019
Von Bini Adamczak

Den Sozialismus des 21. Jahrhunderts gibt es nicht. Ebenso wenig wie den Sozialismus des 20. oder des 19. Jahrhunderts. Erstens weil die sozialistische Bewegung seit ihren Anfängen aus einer Vielzahl regionaler und fraktioneller Strömungen besteht: von karibisch bis österreichisch, anarchistisch bis sozialdemokratisch, queerfeministisch bis kolonialrassistisch.
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| Durcheinander der Revolution. Umsturz als Transformation und Konstruktion

Januar 2018
Von Bini Adamczak

Die Revolution, die eine gute Zukunft realisieren will, entstammt einer schlechten Gegenwart, die sie überwinden will. Ohne die gefrorene Gewalt dieser vorrevolutionären Strukturen lässt sich die entfesselte der revolutionären Bewegung nicht verstehen. Wer das stille Leid der Unterdrückten nicht sehen will, wird in ihrem schließlichen Schrei nichts anderes hören können als das Brüllen einer Barbarei, gegen die dieser eigentlich gerichtet ist. Denn zunächst ist die Aufgabe der Revolution negativ bestimmt, sie hat einen unerträglichen Zustand zu beenden. »Der Zweck der Revolution«, schrieb Theodor W. Adorno in einem Brief an Walter Benjamin bündig, »ist die Abschaffung der Angst« (Adorno 1994, 173).
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| Migrutopie

April 2017
Von Bini Adamczak

Zur Gegenwart einer offenen Zukunft ohne Grenzen

Utopia – als dieser Nicht-Ort die Bühne der Geschichte betrat, bezeichnete er tatsächlich einen Ort. In Thomas Morusʼ gleichnamigem Buch von 1516, dessen Titel sich aus dem altgriechischen ou für ›nicht‹ und topos für ›Ort‹ zusammensetzt, ist es eine Insel, auf die sich die Sehnsucht nach einer besseren Welt richtet: Die Utopie ließ sich mit dem Schiff bereisen. Ein zurückgekehrter Seefahrer berichtet den unter feudaler Herrschaft siechenden Leser*innen von der bestmöglichen Republik, die er in der Ferne gefunden hat. Erst mit der Zeit wurde der Ort der Utopie zu einem Ort der Zeit. Als sich der Kolonialismus fast den gesamten Globus einverleibt hatte, blieb wenig Platz zum Träumen. Die Orte, mit denen die europäischen Seefahrer*innen auf ihren Reisen in Berührung kamen, unterwarfen sie ihrem eigenen Bild. Damit verschloss sich ab dem 19. Jahrhundert der Raum der eskapistischen Phantasie. Nur die Erzählung des Fortschritts eröffnete noch einen Ausweg nach vorn – in eine bessere Zukunft. Zwar mochte der Nicht-Ort der Utopie in manchen Regionen der Welt bessere Voraussetzungen für seine Realisierung finden als in anderen, aber er ließ sich nicht mehr durch räumliche Bewegung erreichen, nicht zu Fuß, nicht mit dem Zug und auch nicht mit dem Raumschiff. Stattdessen brauchte es eine Bewegung durch die Zeit, die zugleich eine technische, pädagogische und vor allem eine politische war. Um die ersehnte Gesellschaft zu erreichen, war eine soziale Transformation nötig, eine Reform oder – mehr und mehr bevorzugt – eine Revolution.
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