Prekarisierung meint längst nicht mehr nur die Ausweitung unabgesicherter, schlecht bezahlter Arbeitsverhältnisse – also mehr bad-jobs – sie ist in alle Lebensbereiche eingewandert: Zeitstress, die Unmöglichkeit das eigene Leben planen zu können, Verdrängung aus den Städten und wachsende Reproduktionslücken. Prekarisierung ist neue ›Normalität‹ – und doch betrifft sie nicht alle gleichermaßen, sind die Möglichkeiten, mit vielfältigen Verunsicherungen umzugehen, stark klassenabhängig. Oft ist vom ›Prekariat‹ die Rede – doch wer ist damit gemeint? »Alle wollen ihm entfliehen, niemand will dazu gehören«, schreibt Loïc Wacquant in LuXemburg 1/2015 [1] über das »postindustrielle Prekariat«.
Und doch: Griechenland [2] spielt uns die Musik einer Neugründung Europas von unten vor – aus der Krise sind nicht nur Linderungen der größten Not, sondern auch politische Perspektiven für uns alle entstanden. Ob sie sich stabilisieren können, ist die drängende Frage. Auch Arbeitskämpfe in prekärem Gelände [3] sind keinesfalls aussichtslos.
Die zahlreichen Streiks der letzten Jahre – viele in Branchen, die als ›unorganisierbar‹ oder wegen geschlechtlicher Zuschreibungen als nicht ›kampffähig‹ galten – haben es gezeigt.
MEHR ALS PREKÄR fragt nach strategischen Ansätzen im prekären Alltag [4], nach einem neuen »Anker«, [5] nach Möglichkeiten alltagsnaher Organisierung [6], die hierzulande ein Umdenken hinsichtlich linker Praxen erfordern.
Wie können unterschiedliche Prekarisierungserfahrungen zum gemeinsamen Handeln anregen, und wo lassen sich klassenübergreifend gemeinsame Betroffenheiten ausmachen? Wie sind Bündnisse zwischen Kern und Rand [7], zwischen prekär Beschäftigen und Erwerbslosen oder zwischen PatientInnen und Pflegekräften zu schmieden? Wie kann Zukunft im Heute [8] gestaltet werden?
Die neue Ausgabe der Luxemburg ist erschienen. Sie kann kostenlos abonniert [9] werden oder hier als E-Paper [10] im Pdf-Format gelesen werden.
Inhaltsverzeichnis
Schattenseiten einer gespaltenen Stadt [1]
Von Loïc Wacquant
Zukunft sichern
Die Zukunft beginnt heute [8]
Von Christina Kaindl
Im Morgen verankern [5]
Linke Strategien für eine veränderte Zukunft
Von Katja Kipping
Krise, Kommunikation, Kapitalismus [11]
Von Christian Fuchs
Generation E [12]
Europa in Bewegung
Prekäres Aufbrechen
Prekär schreiten wir voran? [4]
Acht Thesen zu offenen strategischen Problemen
Von Mario Candeias und Anne Steckner
Prekär und widerständig [3]
Von Ingrid Artus
Kein ruhiges Hinterland [7]
Gegenhegemonie organisieren
Von Bernd Riexinger
»We are here to stay« [13]
Von Peter Bremme
INTERVIEW: Überarbeitet und überschuldet [14]
Gespräch über Arbeit, Freizeit und Konsum im Neoliberalismus
Mit Juliet Schor
Garantierte Prekarisierung [15]
Die »Jugendgarantie« der EU
Von Thomas Sablowski und Sandra Sieron
DEBATTE NEUE KLASSENPOLITIK: Ziemlich viel Klasse [16]
Von Horst Kahrs
Raum nehmen [17]
Urban Art gegen Verdrängung
PreCARE
Caring for Strategy [6]
Transformation aus Kämpfen um soziale Reproduktion entwickeln
Von Julia Dück & Barbara Fried
INTERVIEW: Aufwertung jetzt! Gespräch über feminisierte Sorgearbeit [18]
Mit Jana Seppelt
Gesundheitsversorgung ganz anders? [19]
Von Eva-Maria Krampe
Vom Geschäft mit Grundbedürfnissen [20]
Von Norbert Wohlfahrt
Der Name der Zeit: Autoritärer Kapitalismus? [21]
Von Ingar Solty
LUXEMBURG ONLINE
Datenzentren sozialisieren [22]
Von Evgeny Morozow
Kommunikativer Kapitalismus und Klassenkampf [23]
Von Jodi Dean
Klassenkrieg und die Produktion von Unsicherheit [24]
Von Barbara Ehrenreich
Zu Tode aktiviert: Prekarisierungserfahrungen von Erwerbslosen [25]
Von Tine Haubner
Deutschland als Prekarisierungsmotor in Europa
Von Fabio De Masi (erscheint in Kürze)
EUROPÄISCHER FRÜHLING – GRIECHENLAND-SPECIAL
Zwei Monate SYRIZA-Regierung: Schwierigkeiten und Herausforderungen [26]
Von Elena Papadopoulou und Michalis Spourdalakis
Athen ist nur der Anfang [27]
Von Eva, Völpel, Mario Candeias, Lukas Oberndorfer
SYRIZA: Transformative Macht: politische Organisierung im Umbruch [28]
Von Hilary Wainwright
Konsolidierung oder Zusammenbruch des europäischen Krisenregimes? [29]
Von Etienne Schneider
Athens calling? [30]
Von Moritz Warnke
Das Scheitern der europäischen Sozialdemokratie in der Eurokrise [31]
Von Yanis Varoufakis
Herausforderungen für die griechische radikale Anti-EU-Linke [32]
Von Panagiotis Sotiris
KKE: Die griechischen Kommunisten verstehen [33]
Von Nikos Lountos
Podemos: Eine Marke ersetzt keine Politik [35] Interview mit Chema Ruiz
Irland: Der Ruf nach einer neuen linken Kraft wird lauter [36]
Von Duroyan Fertl
Post-Blockupy. Bilanz und Perspektiven
Von Corinna Genschel (erscheint in Kürze)
INTERVIEW: Piketty antwortet linken Kritikern [37]