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Wir müssen die USA von einem Krieg gegen den Iran abhalten

Von Bernie Sanders

Trumps Wahlkampfversprechen war es, die USA aus «Kriegen ohne Ende» herauszuhalten – doch seine Regierung beschreitet einen Weg, auf dem Krieg immer wahrscheinlicher wird.

In Washington wird wieder die Kriegstrommel gerührt. Wir haben erfahren, dass die USA – als Reaktion auf den Abschuss einer US-Drohne im persischen Golf – kurz davorstanden, den Iran militärisch anzugreifen.[1] [1] Das Weiße Haus gab bekannt, dass man 1.000 zusätzliche Truppen in den Nahen Osten senden werde, und zwar als Antwort auf den vermeintlich vom Iran verübten Angriff auf zwei Öltanker im Golf von Oman.[2] [2] Vor zwei Monaten berichtete die New York Times, dass das Pentagon dem Weißen Haus einen Plan vorgelegt hat, der vorsieht, bis zu 120.000 Truppen für einen Militäreinsatz gegen den Iran in die Region zu entsenden.[3] [3]

Wir brauchen dringend eine Kehrtwende – denn ein Krieg mit dem Iran wäre eine absolute Katastrophe.[4] [4] Oder wie der ehemalige General Anthony Zinni mahnte: «Wenn ihr in Irak und Afghanistan euren Spaß hattet, dann werdet ihr den Iran lieben.»[5] [5] Sollten die USA den Iran angreifen, entgegnet der Iran womöglich mit Angriffen auf US-Truppen und benachbarte Länder. Die Folge wäre eine weitere – beispiellose – Destabilisierung der Region, die auf Kriege hinausläuft, die sich jahrelang hinziehen und voraussichtlich Billionen von US-Dollar kosten werden.

Vor 16 Jahren haben die USA mit dem Krieg im Irak einen der größten außenpolitischen Fehltritte in der Geschichte unseres Landes begangen. Der amerikanischen Bevölkerung hat man diesen Krieg mit einem Lügenmärchen über Massenvernichtungswaffen verkauft. Einer der Hauptbefürworter des Irakkriegs war John Bolton, damals Mitarbeiter der Bush-Administration und inzwischen Nationaler Sicherheitsberater von Donald Trump. Unbegreiflicherweise ist Bolton noch heute einer der wenigen Menschen auf der Welt, die weiterhin glauben, dass der Irakkrieg eine gute Idee war.

Dieser Krieg hat mehr als 4.400 US-Soldatinnen und Soldaten das Leben gekostet, außerdem wurden zehntausende Truppenangehörige verletzt, viele davon schwer – ganz abgesehen von den hunderttausenden Toten unter der irakischen Zivilbevölkerung.[6] [6] Der Krieg hat in der Region eine Welle der Radikalisierung und Destabilisierung losgetreten, die uns noch auf Jahre hinaus beschäftigen wird. Kurzum, der Irakkrieg war das größte außenpolitische Desaster in der amerikanischen Geschichte.

Im Wahlkampf machte Trump sich dafür stark, die USA aus «Kriegen ohne Ende» herauszuhalten – doch seine Regierung beschreitet einen Weg, auf dem Krieg immer wahrscheinlicher wird.

Am Anfang stand die kopflose Entscheidung des Präsidenten, das Atomabkommen mit dem Iran vor einem Jahr aufzukündigen und abermals lähmende Sanktionen gegen den Iran zu verhängen. Von dieser Entscheidung hatte sogar sein eigener Sicherheitsstab abgeraten, darunter auch der damalige Verteidigungsminister James Mattis. Warum? Weil ihnen – genauso wie dem Gros der Fachleute für nationale Sicherheit in den USA, Europa und anderswo – klar war, dass das Atomabkommen ein wirkungsvolles Mittel ist, um den Iran von der Weiterentwicklung seines Atomprogramms abzuhalten.

Dem Atomabkommen war es zu verdanken, dass das iranische Atomprogramm den strengsten Kontrollen unterworfen war, die es jemals gab. Der Iran sah sich gezwungen, mehr als 98 Prozent seines Bestands an angereichertem Uran aufzugeben.[7] [7] Trumps Strategie der «maximalen Druckausübung» hat diese Erfolge zunichte gemacht. Der Iran gab unlängst bekannt, dass er als Erwiderung auf ein Jahr verschärfter US-Sanktionen seine Uranbestände wieder ausbauen wird, doch ohne Rücksicht auf die im Atomabkommen festgelegten Grenzwerte.[8] [8] Trump wiederum warnt jetzt absurderweise den Iran davor, gegen einen Vertrag zu verstoßen, den seine Regierung vor mehr als einem Jahr aufgekündigt hat.

Obwohl noch nicht viel zu den Tankerangriffen und dem Drohnenabschuss bekannt geworden ist, gießt die Trump-Administration mit ihrer Rhetorik und verschärften Sanktionen Öl ins Feuer. Die USA und die internationale Staatengemeinschaft haben ein gemeinsames Interesse daran, dass internationale Wasserwege und internationaler Luftraum gesichert sind. Diese Aufgabe können wir nur durch multilaterale Kooperation bewerkstelligen. Wegen Trumps Ausstieg aus dem Atomabkommen und seiner Stimmungsmache gegen den Iran stehen die USA derzeit leider alleine und abgeschottet von ihren wichtigsten Verbündeten da. Viele Menschen rund um den Globus haben infolge Trumps notorischem Lügen das Vertrauen in die USA verloren.

Im Vorfeld des Irakkriegs sind kritische Stimmen unbeachtet geblieben. Jetzt gilt es, ihnen Beachtung zu schenken. Der Kongress muss alles in seiner Macht Stehende tun, um diesen Krieg abzuwenden. Die Verfassung ist in diesem Punkt eindeutig: Der Kongress entscheidet, wann Amerika in den Krieg zieht, und nicht der Präsident. Der Kongress hat dem Präsidenten unverzüglich klarzumachen, dass eine kriegerische Auseinandersetzung mit dem Iran sowohl verfassungswidrig als auch strafbar wäre, wenn sie vorher nicht vom Kongress abgesegnet worden ist.

Vor einigen Monaten haben wir im Kongress Historisches erreicht, als erstmals seit 40 Jahren wieder die War Powers Resolution geltend gemacht wurde, um die US-Streitkräfte aus dem rechtswidrigen und nicht autorisierten Krieg im Jemen abzuziehen. Das ist uns auch dank der tatkräftigten Unterstützung durch eine parteiübergreifende Graswurzel-Koalition gelungen; rogressive und konservative Kräfte haben gemeinsam an einem Strang gezogen, um die US-Außenpolitik von ihrem Irrweg abzubringen. Dieselben Kräfte sind es, die wir brauchen, um dem Kongress und dem außenpolitischen Establishment hier in Washington – das reflexartig zu Militarismus und Interventionismus neigt – zu verdeutlichen, dass wir einen weiteren militärischen Alleingang der USA im Nahen Osten nicht hinnehmen werden. Und diesmal müssen wir noch stärker an einem Strang ziehen, um im Kongress eine vetofähige Mehrheit zu bilden.

Damit wir uns richtig verstehen: Der Iran ist in vielerlei Hinsicht politisch fehlgeleitet. Das Land unterdrückt gewaltsam seine eigene Bevölkerung und unterstützt extremistische Gruppen in der Region. Dasselbe könnte man auch über das mit uns schon lange befreundete Saudi-Arabien sagen. Wir müssen im Nahen Osten unparteiischer agieren und in regionalen Konflikten nicht blindlings nur eine Seite unterstützen. Die USA sind stark genug, um diese Streitigkeiten mithilfe ihrer Verbündeten weltweit diplomatisch beizulegen. Wir dürfen uns nicht auf einen weiteren unnötigen Krieg einlassen.

Der Artikel erschien zuerst bei The Guardian [9]. Aus dem Amerikanischen von Utku Mogultay

Literatur

[1] [10] www.theguardian.com/world/2019/jun/21/donald-trump-retaliatory-iran-airstrike-cancelled-10-minutes-before [11]

[2] [12] www.theguardian.com/us-news/2019/jun/17/us-to-send-1000-additional-troops-to-the-middle-east-citing-hostile-behavior [13]

[3] [14] www.nytimes.com/2019/05/13/world/middleeast/us-military-plans-iran.html [15]

[4] [16] www.theguardian.com/world/2019/jun/21/iran-latest-trump-drone-attack-timeline-airstrikes-called-off [17]

[5] [18] thinkprogress.org/the-consequences-of-a-strike-on-iran-adb27963ff01/ [19]

[6] [20] dod.defense.gov/News/Casualty-Status [21]

[7] [22] armscontrolcenter.org/factsheet-implementation-of-iran-nuclear-deal [23]

[8] [24] www.nytimes.com/2019/06/17/world/middleeast/iran-nuclear-deal-compliance.html [25]