| Was kann DIESER Mietendeckel? Eine politische Einschätzung

September 2019  Druckansicht
Von Moritz Warnke und Niklas Schenker

Der Vorschlag von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher für einen Berliner Mietendeckel sorgte bundesweit für Furore. Nach heftigen Reaktionen hat sich die rot-rot-grüne Koalition nun auf einen veränderten Mietendeckel geeinigt. Niklas Schenker und Moritz Warnke haben sich den vorgelegten Referentenentwurf angesehen und aufgeschrieben, was dieser neue Mietendeckel kann. Und wofür es sich zu kämpfen lohnt.

Zusammenfassende Einschätzung

Bisher kannten die Mietpreise nur eine Richtung: nach oben. Mit dem Berliner Mietendeckel wird sich das zum ersten Mal seit Jahrzehnten ändern: Mieten werden nicht nur gedeckelt, zu hohe Mieten werden sogar gesenkt! Der Mietendeckel greift dazu in bestehende Mietverträge ein – das ist ein Novum in der BRD. Der Mietspiegel, der immer als ›Mieterhöhungsspiegel‹ wirkte, wird dadurch ersetzt. Damit schafft das Land Berlin die schärfste Mietenregulierung in der Bundesrepublik – und setzt ein Signal, was möglich ist und mit entsprechenden Mehrheiten andernorts kopiert werden könnte.

Auch wenn der Referentenentwurf hinter den zwischenzeitlich über die Presseberichte geweckten Erwartungen zurückbleibt, braucht DIE LINKE sich mit dem Ergebnis keineswegs zu verstecken. Es ist immer noch der stärkste Eingriff in den Wohnungsmarkt seit Jahrzehnten. Neben den möglichen Mietabsenkungen, der Begrenzung von Mieterhöhungen auf Inflationsniveau (1,3 Prozent/Jahr) ist dabei einer der wichtigsten Punkte, dass die Miete bei Wiedervermietung nicht mehr erhöht werden darf. Denn damit entfällt der Anreiz für Vermieter*innen, Mieter*innen aus der Wohnung zu verdrängen.

Das in der Presse geleakte Arbeitspapier enthielt weitergehende Maßnahmen, als der nun vorgelegte Referentenentwurf. Das lässt sich teilweise sachlich (z.B. Verwerfen des Verbots von Eigenbedarfskündigungen wegen massiver Zweifel an Rechtssicherheit), teilweise nur durch den politischen Druck von SPD, Grünen und Interessengruppen erklären (z.B. Höhere Mietobergrenzen, Einschränkung der Absenkungsberechtigten durch 30-Prozent-Regel, Ermöglichung von Mieterhöhungen im Rahmen des Inflationsausgleichs, Modernisierungsregulierung). Insbesondere die Grünen machten es zur Grundbedingung, dass Mieterhöhungen weiterhin möglich sind. Die SPD wollte am liebsten gar keine Absenkungsmöglichkeit in bestehenden Verträgen.

Zu wenig Mieterschutz bei Modernisierungen: Massive modernisierungsbedingte Mieterhöhungen in bisher günstigen Wohnungen (›Herausmodernisieren‹) bleiben bis zur Mietobergrenze lediglich anzeigepflichtig und für Vermieter*innen attraktiv. Die Mietobergrenzen werden für Modernisierungen erhöht und können auch dann noch überschritten werden. Die Genehmigung dazu muss erteilt werden, wenn »die Modernisierung zur Erreichung der Klimaschutzziele des Landes Berlin erforderlich ist«. Das dürfte in der Regel der Fall sein. Das Geschäftsmodell »Deutsche Wohnen« bliebe damit intakt – sofern hier in der jetzt anstehenden Gesetzesberatung nichts mehr ›gedreht‹ werden kann.

Die Vereinbarung in der Koalition im Koalitionsausschuss vom 29.8.2019 und damit auch der Referentenentwurf vom 2.9.2019 bleiben hinter dem zurück, worauf man sich bereits in der Koalition (!) durch den Eckpunkte-Beschluss des Senats vom 18.6.2019 geeinigt hatte. Die Abgeordnetenhausfraktion der LINKEN sollte sich im Gesetzgebungsprozess (mindestens) für die Einhaltung der im Juni vom Senat beschlossenen Eckpunkte einsetzen.

Der Mietendeckel als tiefgreifender Einschnitt in den Berliner Wohnungsmarkt steht als Vorhaben so nicht im Koalitionsvertrag und kommt insofern ›on top‹ auf die Erfolge der LINKEN in der Regierung. Möglich wurde er, weil SPD und Grüne angesichts der von »DW & Co enteignen« angestoßenen Vergesellschaftungsdebatte in die Defensive geraten waren. DIE LINKE muss neben den Anstrengungen für leistbaren Neubau weiterhin den Druck für weitergehende Regulierungsmaßnahmen (u.a. »Soziale Richtsatzmiete« im Sozialen Wohnungsbau) und die Vergesellschaftung von Wohnraum zusammen mit den Akteuren aus der Stadtgesellschaft hoch halten.

Für einen direkten Vergleich des Referentenentwurfs mit dem Eckpunkte-Beschluss vom Berliner Senat (Juni 2019) in den einzelnen Punkten, haben wir eine Synopse angelegt. Diese kann hier eingesehen werden: Klick zur Synopse.

Wie geht es jetzt weiter?  Die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher, hat den Referentenentwurf für das Gesetz vorgelegt. Dieser geht nun in die Verbändeanhörung, soll dann Mitte Oktober im Parlament eingebracht und im Januar 2020 beschlossen werden und in Kraft treten.

In den weiteren Beratungen sollten insbesondere 5 Punkte nachgebessert werden, die teilweise so bereits schon in den im Juni 2019 vom Senat beschlossenen Eckpunkten enthalten waren und nun durch politischen Druck modifiziert wurden.

1. Mietenstopp: Mietsteigerungen ausschließen

Im Referentenentwurf ist enthalten, dass statt eines Mietenstopps geringfügige Mieterhöhungen (1,3%/Jahr) bis zur Mietobergrenze möglich sein sollen.

In den Eckpunkten wurde festgehalten, dass Vermieter*innen bei wirtschaftlicher Unterdeckung eine Anhebung der Miete beantragen können. Hinzu kommt, dass Vermieter*innen durch Modernisierungen, auch solche, die in der Vergangenheit liegen, Mietobergrenzen anheben bzw. Mietsteigerungen begründen können. Die zulässigen Miethöhen (auf der Grundlage des Mietspiegels von 2013), bis zu denen Mieten steigen dürfen, sind relativ hoch angesetzt (die Durchschnittsmiete liegt aktuell im Berliner Bestand noch bei deutlich unter 7 Euro). Es besteht für besonders »soziale Vermieter*innen« auch ohne Mieterhöhung Spielraum.

Wir sind der Auffassung, dass es keinen Grund gibt, Mietsteigerungen allgemein zu billigen.

2. Mietabsenkungen auf ein leistbares Mieten-Niveau

Der Referentenentwurf enthält die Regelung, dass Mietabsenkungen auf die Mietobergrenze auf Antrag möglich sein sollen, wenn die bisherige Nettokaltmiete mehr als 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens beträgt, die Miete die Mietobergrenze übersteigt und nicht nach Modernisierung oder Härtefallregelung genehmigt ist oder zu genehmigen wäre.

Wenn überhaupt eine solche Regelung akzeptiert werden sollte, dann muss die Bruttowarm- statt der Nettokaltmiete als Bezugsgröße genommen werden, entsprechend der Regelungen für geförderten Wohnraum. Denn nicht nur die großen Immobilienkonzerne sind dafür bekannt, Nebenkostenabrechnungen in die Höhe zu treiben. Erst mit der Referenz auf die Bruttowarmmiete wäre erreicht, dass Mieter*innen in Berlin eine leistbare Miete zahlen.

3. Mietobergrenzen auf der Grundlage eines ausgeglichenen Wohnungsmarktes

Laut Referentenentwurf ist Grundlage für die Mietobergrenzen der Mietspiegel 2013. Es ist überzeugender als Grundlage für die Mietobergrenzen einen Mietspiegel zu nutzen, der einen ausgeglichenen Berliner Wohnungsmarkt abbildet, nicht einen angespannten. Auch der Berliner Mieterverein nutzt aus diesem Grund für seinen Vorschlag eines Mietendeckels den Mietspiegel 2011. Die Mietobergrenzen würden beim Mietspiegel 2011 entsprechend niedriger ausfallen.

4. Umlage von Modernisierungskosten ab 0,50 Cent genehmigungspflichtig machen und Inanspruchnahme von Fördermitteln für Modernisierungsmaßnahmen festschreiben

Die Modernisierungsumlage ist eines der wichtigsten Instrumente von Vermieter*innen, um Mieter*innen zu verdrängen (›Herausmodernisieren‹). Erst wenn durch Modernisierung die Miete über der Mietobergrenze liegt, ist die Maßnahme genehmigungspflichtig. Für energetische Modernisierungen wird diese Genehmigung laut Referentenentwurf in der Regel erteilt werden müssen. Entsprechend der Eckpunkte sollten alle Modernisierungsmaßnahmen, die zu einer Erhöhung der Miethöhe um mehr als 50 Cent pro Quadratmeter oder über die Mietobergrenze führen, genehmigungspflichtig sein. Eine Genehmigung sollte an die Inanspruchnahme von Fördermitteln der Wohnraummodernisierungsbestimmungen 2018 gekoppelt sein. Denn damit unterwerfen sich die Vermieter weiteren Mietpreisregulierungen. So würde verhindert, dass Klima- und Mieterschutz gegeneinander ausgespielt wird.

5. Spekulative Mondpreise deckeln

Der Referentenentwurf sieht vor, dass Vermieter*innen, die in eine wirtschaftliche Unterdeckung geraten, eine Erhöhung der zulässigen Miethöhe gebilligt werden kann. Diese Härtefallregelung für Vermieter*innen darf nicht dazu führen, dass Mieter*innen spekulative Kaufpreise mit ihren Mieten refinanzieren müssen.