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Trump und Macron: derselbe Kampf

Von Thomas Piketty

Trump und Macron werden gern als Gegensätze betrachtet: hier der vulgäre amerikanische Geschäftsmann mit seinen fremdenfeindlichen und klimaskeptischen Tweets, dort der aufgeklärte europäische Geist, der sich um den Dialog der Kulturen und nachhaltige Entwicklung bemüht. Das ist nicht völlig falsch, und noch dazu schmeichelhaft für französische Ohren. Sieht man sich aber ihre Politik näher an, ist man erstaunt über die Parallelen.

Vor allem haben Trump wie auch Macron ganz ähnliche Steuerreformen verabschieden lassen. Sie stellen in beiden Fällen eine unglaubliche Flucht nach vorn im Steuerdumping zugunsten der Reicheren und Mobileren dar.

Rekapitulieren wir. In den USA hat der Senat die Leitlinien des Trump-Plans gebilligt: Die Steuer auf Unternehmensgewinne sinkt von 35 auf 20 Prozent (noch dazu mit einer fast völligen Amnestie für die repatriierten Gewinne der Multis), es wird ein ermäßigter Steuersatz von etwa 25 Prozent (anstelle des Spitzensteuersatzes von 40 Prozent) für die Einkommen von Unternehmenseignern eingeführt, und die Erbschaftssteuer wird für die größten Vermögen stark reduziert (und in der vom Repräsentantenhaus angenommenen Fassung sogar ganz abgeschafft).

Und so sieht es bei Macron und in Frankreich aus: Die Steuer auf Unternehmensgewinne sinkt schrittweise von 33 auf 25 Prozent, es wird ein ermäßigter Steuersatz von 30 Prozent (anstelle des Spitzensteuersatzes von 55 Prozent) für Dividenden und Zinsen eingeführt, und die Vermögenssteuer wird für die größten Finanz- und Betriebsvermögen abgeschafft (während die Grundsteuer für die weniger Begüterten noch nie so hoch war).

Erstmals seit dem Ancien Régime wird damit in beiden Ländern ein Steuersystem eingeführt, das die Einkünfte und Vermögen der einkommensstärksten Gruppen ausdrücklich durch Sonderregelungen begünstigt. Beide Male mit einem scheinbar schlagenden Argument: Die Masse der weder freien noch mobilen Steuerzahler muss die Reichen gut behandeln, weil sie sonst das Land verlassen und aufhören, sie mit ihren Wohltaten (Arbeitsplätzen, Investitionen und anderen, für die Allgemeinheit unerreichbaren großen Ideen) zu beglücken. „Job creators“ für Trump, „premiers de cordée“ (Seilschaftsführer) für Macron: Die Bezeichnungen für diese neuen Wohltäter, denen die Massen huldigen sollen, variieren, aber es ist im Kern dasselbe.

Beide, Trump wie auch Macron, sind wahrscheinlich ehrlich. Beide beweisen nichtsdestoweniger ein tiefes Unverständnis gegenüber den inegalitären Herausforderungen der Globalisierung. Sie wollen nicht zur Kenntnis nehmen, was heute gleichwohl erwiesen ist – dass nämlich die von ihnen begünstigten Gruppen bereits einen übermäßigen Anteil am Wachstum der letzten Jahrzehnte eingesteckt haben.

Durch ihre Verleugnung dieser Realität setzen sie uns drei großen Gefahren aus. Das Gefühl der Vernachlässigung in der einfachen Bevölkerung nährt in den reichen Ländern eine ablehnende Einstellung zur Globalisierung, insbesondere zur Migration. Trump spielt damit, indem er die Xenophobie seiner Wähler anspricht, Macron hofft an der Macht zu bleiben, indem er auf die mehrheitlich positive Einstellung der öffentlichen Meinung zu Toleranz und Offenheit setzt und seine Kritiker als Globalisierungsgegner verdammt. In Wirklichkeit aber ist diese Entwicklung für die Zukunft bedrohlich, in Ohio und Louisiana genauso wie in Frankreich oder in Schweden.

Zweitens erschwert die Weigerung, die Ungleichheiten in Angriff zu nehmen, erheblich die Lösung des Klimaproblems. Wie Lucas Chancel (Insoutenables inégalités, Paris 2017) gezeigt hat, werden die beträchtlichen Veränderungen der Lebensstile, die durch die Erwärmung notwendig werden, nur akzeptabel sein, wenn man für eine gerechte Aufteilung der Lasten sorgt. Wenn die Reichen mit ihren Allradmobilen und mit ihren Yachten, die auf Malta registriert sind (steuerbefreit, sogar von der Umsatzsteuer, wie die Paradise Papers gezeigt haben), weiter die Umwelt verschmutzen, warum sollen die weniger Reichen dann die notwendige Erhöhung der CO2-Steuer akzeptieren?

Und schließlich hat die Weigerung, die inegalitären Tendenzen der Globalisierung zu korrigieren, katastrophale Folgen für unsere Fähigkeit zum Abbau der globalen Armut. Die am 14. Dezember veröffentlichten Prognosen des World Inequality Report sind eindeutig: Werden die inegalitären Politiken und Strategien fortgeschrieben, dann werden die Lebensbedingungen der am stärksten benachteiligten Hälfte der Weltbevölkerung sich bis 2050 ganz anders entwickeln.

Schließen wir mit einer optimistischen Note: Auf dem Papier vertritt Macron eine Politik der internationalen und europäischen Zusammenarbeit, die natürlich vielversprechender ist als der Unilateralismus Trumps. Die Frage ist, wann wir aus der Theorie und der Hypokrisie herauskommen. Das Ceta-Abkommen zwischen der EU und Kanada, das einige Monate nach dem Pariser Klimaabkommen in Kraft trat, enthält zum Beispiel keine einzige verbindliche Vorgabe zu Klimapolitik und Steuergerechtigkeit. Macrons vermeintliche Vorschläge zur EU-Reform, die unsere gallische Brust vor Stolz anschwellen lassen, sind in Wirklichkeit völlig unklar. Wir wissen noch gar nicht, wie das Parlament der Eurozone zusammengesetzt sein soll und was seine Befugnisse sind (bloße Details, wie es scheint). Die Gefahr ist groß, dass bei alledem nichts herauskommt. Damit der Macronsche Traum nicht zu einem Trumpschen Alptraum wird, müssen wir die kleinen nationalistischen Befriedigungen aufgeben und uns den Fakten zuzuwenden.

Mit freundlicher Genehmigung von (c) Le Monde, wo der Artikel unter dem Titel “Macron, Trump: meme combat” erschien [1].  Aus dem Französischen von Thomas Laugstien