| »Wir sind hier, weil Ihr unsere Länder zerstört.«

Von Christian Jakob

SELBSTORGANISIERUNG: Osaren Igbinoba aus Nigeria war der Erste, der in den Asylheimen Ostdeutschlands eine Protestbewegung aufbaute. Sie existiert bis heute. Nur wenn die Flüchtlinge ethnische Grenzen überwinden, können sie ihre Lebensbedingungen verbessern, sagt er.

Manche sehen die Welt als einen Ort, der immer komplizierter wird, so sehr, dass sich kaum noch erklären lässt, was auf ihr geschieht. Osaren Igbinoba nicht. »Es gibt keinen Hunger. Es gibt nur Ausplünderung«, sagt er. Die westliche Zivili­sation werde als »die grausamste, die zerstörerischste Macht« (KRFM 2010) in die Geschichte eingehen. Wegen solcher Sätze haben sie ihn heute hergeholt.
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| Von Paris in die Lausitz – Klimagerechtigkeit nach dem Gipfel

Mona Bricke im Gespräch mit Tadzio Müller

So richtig leicht war es nach dem Ende des Klimagipfels im Winter letzten Jahres in Paris – der »COP21« – nicht, sich einen Reim darauf zu machen, was dort entschieden worden ist. Die Einschätzungen reichten von »Historischer Einigung« (SPON) bis hin zu »Bullshit« und »Betrug« (Klimaforscher James Hansen). Auch innerhalb der Klima(gerechtigkeits)bewegung variierten die Einschätzungen enorm. Im Vorfeld des Gipfels ging bei vielen die Angst vor einem ›Kopenhagen 2.0‹ um, also vor einer Wiederholung des tiefen Motivationslochs, in das viele Aktive nach dem Scheitern der »COP15« in Kopenhagen im Jahr 2009 gefallen waren. Wo siehst Du die Bewegung nach Paris, und wie ist deine persönliche Einschätzung des Paris Agreements?
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| »Wir sind doch keine Sklavinnen!«

Von Sarah Schilliger

(Selbst-)Organisierung von polnischen Care-Arbeiterinnen in der Schweiz

Im Sommer 2013 gründeten polnische Care-Arbeiterinnen mit Unterstützung der Dienstleistungsgewerkschaft Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) in Basel das Netzwerk Respekt@vpod. Sie hatten sich zusammengefunden, um auf ihre prekären Arbeitsverhältnisse aufmerksam zu machen und für Arbeitsrechte, Respekt und ein Leben in Würde einzustehen. Diese Form lokaler Selbstorganisierung von Hausarbeiterinnen hat für den deutschsprachigen Raum Vorbildcharakter:
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| Manifest Wir sind links

Von Somos Izquerda

Die spanische Rechte, die seit viel zu langer Zeit unser Land beherrscht (sei es in der Regierung oder aus dem Hintergrund), hat von jeher ihre Macht verfestigt, indem sie uns Linke gegeneinander ausgespielt hat. Getreu der militärischen Maxime »teile und herrsche« hat die Rechte es immer darauf angelegt, dass wir uns gegenseitig zerfleischen, indem sie unsere internen Widersprüche hervorgehoben hat. Ihr Kommunisten, verdammte Stalinisten! Ihr Sozialisten, ihr habt uns an den Kapitalismus verkauft! Ihr Feminazis, euer Kampf ist kein Klassenkampf! Ihr pseudo-alternativen Hipster, ihr vergesst die Revolution! Kommt dir das bekannt vor? Immer das gleiche. Jahr für Jahr werfen wir uns gegenseitig diesen Kram an den Kopf und machen uns fertig, während sich die Rechte genussvoll unsere Streitereien und sektiererischen Spaltungen anschaut. Bist du es nicht leid? Immer haben sie versucht uns zu spalten, die Konservativen ebenso wie gelegentlich die Führungsspitzen unserer eigenen Parteien, die so oft von den Mächtigen gekauft wurden. Aber weißt du warum? Weil sie uns fürchten. Weil sie Angst vor uns haben. Weil es nichts gibt, was die Rechte so sehr fürchtet wie eine populare Bewegung (frente popular). Deswegen zittern sie jedes Mal, wenn sie dieses Wort hören. Und warum? Weil wir links sind!

Und das ist sehr viel wichtiger als die Kürzel auf unseren Parteibüchern, die Farbe unserer Fahne oder der Name unseres Parteivorsitzenden: unsere gemeinsamen Ideen als Linke. Ideen mit einer großen Bandbreite. Ideen wie Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Fortschritt. Ideen so schön und ewig, dass unsere Großeltern dafür im politischen Kampf ihren Schweiß und auf dem Schlachtfeld sogar ihr Blut gelassen haben. Ideen, die nicht altern, da sie immer das Streben unserer Ideale als Bürger verkörpern werden: dass wir alle in Würde und Gleichheit leben können, ohne Ausbeuter und ohne Ausgebeutete. Gibt es irgendjemanden hier, der das zurückweisen würde? Niemanden. Warum? Weil wir links sind.

Und aus dieser großen zentralen Idee entspringen alle anderen. Wie verschiedene blühende Zweige, die denselben Stamm schmücken und stärken. Sozialismus, Umweltbewegung, Kommunismus, Anarchismus, Feminismus, Pazifismus, Egalitarismus, der progressive Patriotismus oder die christliche Sozialdoktrin sind unterschiedliche Ideologien, jede gleich achtbar und bedeutsam. Sie alle münden in der Verteidigung der sozialen Errungenschaften, im Kampf für öffentliche Bildung und Gesundheit, im Widerstand gegenüber Zwangsräumungen, in Gender-Bewusstsein, im Kampf gegen Kürzungspolitik und in der Verteidigung unserer Souveränität gegenüber den transnationalen Finanzmächten. All diese Verschiedenheit spaltet und entzweit uns nicht, sondern bereichert uns und komplementiert uns, denn über all dies hinaus ist uns klar, wer der Gegner ist: die Rechte. Warum? Weil wir links sind.

Vor einigen Tagen ist in Griechenland – der Wiege der Demokratie – endlich Hoffnung geboren für uns alle, die wir uns als Linke begreifen im Mittelmeerraum. Syriza, eine Koalition aus mehr als zehn Parteien und unterstützt von unendlich vielen sozialen Plattformen und Bürgergruppierungen, hat gezeigt dass die Schlacht gegen den Feind gewonnen werden kann, trotz seiner gewaltigen Maschinerie der Macht. Auch in Spanien können wir gewinnen, wenn all jene, die sich als Linke begreifen, nicht mehr gegeneinander handeln, sondern miteinander kooperieren und das gemeinsame Ziel ins Visier nehmen: die endgültige Zerstörung der Rechten. Jene ranzige, konservative und autoritäre Rechte, die uns belügt, beraubt und hintergeht, und an ihrer Seite der ganze unheilvolle Hofstaat der Finanziers, der sie an der Macht hält. Als spanische BürgerInnen werden wir seit Jahren abgewertet, geschunden und erniedrigt von inkompetenten Führungskräften, die sich an die Macht klammern, indem sie unsere Spaltung, Passivität und Mutlosigkeit ausnutzen. Deswegen haben sie solche Angst vor unserem Erwachen und unserer Vereinigung, weil sie wissen dass wir mehr sind, und dass wir immer mehr sein werden. Und warum? Weil wir links sind.

Wir Linken sind vor allen Dingen bunt. Wir sind rot wie der Syndikalismus und der Klassenkampf, grün wie die Umwelt und die Verteidigung der öffentlichen Bildung, lila wie der Feminismus und der Kampf für die Republik, gelb wie das Gewissen der Menschenrechte und der Kampf gegen Straffreiheit, und weiß wie die Forderung nach einem öffentlichen Gesundheitswesen und dem Recht auf Gesundheit jenseits unserer ökonomischen Stellung. Und wir haben kein Problem damit, all diese verschiedenfarbigen Finger einer einzigen Hand miteinander zu verschränken. Unsere breite Farbpalette soll von jetzt an immer unsere Stärke sein und niemals mehr unsere Schwäche. Warum? Weil wir links sind.

Betonen wir das, was uns eint – und das ist viel –, und vergessen wir all das, was uns trennt, denn das ist wenig. Radikale und Sympathisanten aller politischen Richtungen der Linken, Mitglieder von Bürgerplattformen und zivilgesellschaftlichen Bewegungen, GewerkschafterInnen, Kulturschaffende, unabhängige Menschen: Vereinen wir uns in einer gemeinsamen Front! Lasst uns ein für alle Mal der Rechten die Stirn bieten, sonst werden sie uns mit all ihrer Macht verschlingen. Dies ist nicht der Augenblick Feindschaften auszutragen, sondern sich daran zu erinnern, dass uns alle das gleiche Ideal eint. Es ist die Stunde gekommen, unsere alten Streitigkeiten beiseite zu legen und gemeinsam dem letzten Sieg entgegenzusteuern. Das Schiff der mediterranen Linken ist von Griechenland aus losgefahren und der nächste Hafen ist Spanien. Bleib nicht an Land! Komm mit uns an Bord und schließe dich der Veränderung an! Wir sind die Menschen dieses Landes, wir sind die Mehrheit! Wir sind links!

Aus dem Spanischen von Anna Müssener

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| Athens calling?

Von Moritz Warnke

Der europäische Frühling hat in Athen begonnen. Eine Woche nach der griechischen Wahl zogen 200.000 Menschen durch Madrid, das Motto: »Wir haben keine Angst mehr. Die Angst ist jetzt auf der anderen Seite.« Auf vielen Schildern las man ein einfaches »Tic Tac Tic Tac…«, um den Herrschenden zu signalisieren, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Und wen es beim Lesen dieser Worte nicht packt, der sollte sich die Rede von Pablo Iglesias auf youtube anschauen, Iglesias rief den Menschen auf dem übervollen Platz Puerta del Sol zu: »Von der Fähigkeit diesen Zeitpunkt zu nützen, hängt ab, was einer ganzen Generation widerfahren wird […] Madrid, Europa, 31. Januar 2015, Jahr des Wandels. Wir können träumen, wir können siegen!«
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| »Gespenst Europa« – LuXemburg 1/2014

Die neue LuXemburg ist erschienen. Die bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament sind diesmal Anlass für den Schwerpunkt: GESPENST EUROPA. Es gruselt und lockt, ist hehrer Traum, drohendes Schreckensszenario und düstere Realität zugleich. Für viele Linke ist Europa trotz der Troika-verordneten Austeritätspolitik weiterhin positiver Bezugspunkt, jenseits der ewigen Kriege der ewigen Nationalstaaten. Die populistische und extreme Rechte, die einmal mehr ihr hässliches Haupt erhebt, sieht in der EU ein Sinnbild allen Übels: ›Multikulturalismus‹‚ ›Transnationalismus‹, ›Überfremdung‹. Und für Flüchtlinge aus dem globalen Süden endet der Traum von Europa oft schon vor seinen Küsten tödlich.
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| Neugründung Europas? Strategische Orientierungen

Von Mario Candeias, Lukas Oberndorfer und Anne Steckner

Europa ist mehr als die Europäische Union und die EU mehr als ihre neoliberale und zunehmend undemokratisch-autoritäre Gestalt. Doch ist Letztere die gegenwärtig existierende. Simple Bekenntnisse zu Europa oder gar ›mehr Europa‹ verfehlen den zu Recht skeptischen Alltagsverstand. Immer wieder wurde die europäische Ebene als Hebel genutzt, um Sozial- und Arbeitsrechte auszuhöhlen sowie Kapital- und Marktlogik zu stärken – und zwar nicht erst seit der Krise 2008, sondern spätestens seit dem Mitte der 1980er Jahre forcierten Projekt des europäischen Binnenmarktes.
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| “Die Kampfzone ausweiten” – Luxemburg 3,4/2013

Von Redaktion

Das Warten hat sich gelohnt:
Die neue LuXemburg ist da − diesmal als Doppelheft.

Und zum letzten Mal tauscht sie sich gegen Geld, denn:

LuX goes Commons

»There are no Commons without Commoning.« (Peter Linebaugh)

LuXemburg war von Beginn an eine Zeitschrift für viele Linke, eine „sozialistische Zeitschrift“, wie Heinz Vietze ihr in der ersten Ausgabe ins Geleitwort schrieb.  Eine Zeitschrift, die sich um das Allgemeine, das Gemeinsame und den Weg dorthin kümmert – ab Heft 1/2014 wird sie außerdem kostenfrei.[1]
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| Gewerkschaften globalisieren?

von Anrew Herod

Wo man hinkommt, wird über Globalisierung gesprochen. Im gewerkschaftlichen Feld ergibt sich daraus fast zwangsläufig die Schlussfolgerung: »ArbeiterInnen müssen sich global organisieren!«, »Gewerkschaften müssen sich internationalisieren!« Ich will nicht behaupten, dies seien nicht zentrale Elemente einer lebendigen Gewerkschaftspolitik, um der entfesselten Macht des globalen Kapitals etwas entgegenzusetzen.1 Ich denke aber doch, dass unsere Antworten etwas komplexer sein müssten als ein simples ›Wir müssen uns globalisieren‹. Kompliziert wird die Lage unter anderem durch die Frage der Geographie.
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| Widersprüchliche Konstellationen

Von Anannya Bhattacharjee

Transnationale Bündnisarbeit am Beispiel der Asia Floor Wage Campaign

Die miserablen Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie entlang der globalen Produktionskette sind nicht erst seit gestern ein schmerzliches Thema. AktivistInnen, die sich für Rechte von ArbeiterInnen und VerbraucherInnen einsetzen, organisieren seit Jahren internationale Kampagnen für mehr Unternehmensverantwortung. Sie machen Verletzungen von Arbeitnehmerrechten öffentlich, versuchen, Arbeitgeber und multinationale Konzerne für gerechte Arbeitsstandards in die Pflicht zu nehmen, und organisieren verbraucherorientierte Kampagnen gegen ausbeuterische sweatshops.
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