| Die Chancen der Corona-Krise

Von Ingar Solty

In der Kapitalismuskrise von 2008 wurden linke Beobachter*innen nicht müde darauf hinzuweisen, dass die zwei chinesischen Symbole für das Wort „Krise“ ins Deutsche übersetzt „Gefahr“ und „Chance“ bedeuten. Krise meine im Medizinischen eben jenen kritischen Moment, in dem sich entscheidet, ob der Patient stirbt oder – gar mit neuen Abwehrkräften ausgerüstet – überlebt.
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| Wir brauchen eine progessive, internationalistische Antwort auf die Pandemie

Von den Mitarbeiter*innen des Transnational Institute

Diese Krise ereilt eine Welt, die bereits in der Krise ist. Und wenn wir nicht eine gerechte Antwort auf sie fordern und für diese mobilisieren, dann wird sie eine drastische Wirkung auf die Schwächsten in unserer Gesellschaft, insbesondere die Menschen im Globalen Süden, haben. Die Corona-Pandemie gleicht einem Weckruf: das bestehende kapitalistische Wirtschaftssystem ist nicht geeignet, unsere Gesundheit als Einzelne oder auch als ganze Gesellschaften zu schützen. Wir müssen den Umgang mit COVID-19 lernen und zugleich lernen, die multiple Krise anzugehen, die damit eng verwoben ist – von der wachsenden Ungleichheit bis zur Klimakrise – um jene gerechte und nachhaltige Gesellschaft aufzubauen, nach der wir uns alle sehnen.
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| Rentenreform und Wissenschaftsstreiks in Frankreich

Von Kolja Lindner

Frankreich ist und bleibt das westeuropäische Land, in dem soziale Bewegungen den Regierenden am stärksten Einhalt zu gebieten versuchen. Seit Amtsantritt des Präsidenten Emmanuel Macron im Frühjahr 2017 haben sich die Konfliktarenen vervielfacht, in denen in zum Teil langwierigen Auseinandersetzungen um den Abbau öffentlicher Dienste, allgemeiner gesagt die Prekarisierung vieler Lebensbereiche beziehungsweise ihre reelle Subsumption unter das Kapital gerungen wird.
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| Wie die Schockstarre überwinden? Perspektiven der Klimabewegung in Zeiten der Pandemie

Von Max Lill

Corona trifft die Klimagerechtigkeitsbewegung genauso wie die gesellschaftliche Linke völlig unvorbereitet. Der teils gefürchtete, teils ersehnte „Bruch“, die große Systemkrise, ist nun da. Blitzartig pflügt sie den Alltag um, spitzt soziale Ausschlüsse innerhalb der kaputtgesparten und kommerzialisierten Daseinsvorsorge existenziell zu. Die Weltwirtschaft befindet sich im freien Fall. Das gesellschaftliche Leben und die öffentliche Debatte sind weitgehend paralysiert, die gewohnten Protest- und Organisierungsformate der sozialen Bewegungen komplett blockiert.
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| Hongkong: Es ist kompliziert…

Von Jan Turowski

Die Darstellung der Unruhen in Hongkong ist in westlichen Medien oftmals von einer eher simplen Dichotomie geprägt: Auf der einen Seite stehen Bürger und Bürgerinnen, die nach Demokratie und Freiheit streben, auf der anderen Seite ein repressiver Staat, der diese unterdrückt. Da sich eine solche Leseart auch in das schablonenhafte Narrativ vom unheilvollen Aufstieg eines den Westen und seine Werte herausfordernden autoritären Chinas einfügt, wundert es nicht, dass die Proteste auf das eindimensionale Bild „pro-demokratischer“ Freiheitskämpfer gegen eine übermächtige Diktatur zusammenschnurren.
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| Keine Rückkehr zum Alltag – die Popularen Versammlungen im Herzen des chilenischen Aufstands

Von Bree Busk

In Chile gibt es eine lange Geschichte politisch radikaler nachbarschaftlicher Organisierung – diese Tradition dient nun einem aktuellen Prozess: dem Entwerfen einer neuen Verfassung für ein Land im Aufruhr.

Mehr als fünfzig Tage sind vergangen, seit der chilenische Aufstand sich Bahn gebrochen hat.[1] Für jene, die ihn an der Basis miterleben, scheint er jedoch bereits länger anzudauern. Die Bewegung hat seitdem etliche Umbrüche durchlebt. Die Regierung Piñeras und ihre Sympathisant*innen haben – ohne Erfolg – eine Rückkehr zur Normalität verlangt. Unisono gaben die Menschen zur Antwort, eben diese ‘Normalität’ sei das Problem gewesen. In der Hauptstadt Santiago waren allerorten Graffiti zu lesen: „Mir ist das Chaos lieber.“
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| Kollektiv fühlen lernen

Von Max Lill

1968 veränderten sich Subjektivitäten massenhaft und in rasender Geschwindigkeit. Musik war ein Mittel, um die Trennwände zwischen Persönlichem und Politischem einzureißen. Ein Erbe, an das die Linke neu anknüpfen muss.

Der Sixties-Jubiläumsreigen neigt sich seinem Ende zu – und angesichts unzähliger, wild zusammengestückelter Flower-Power-Dokus mit weißem Mittelschichts-Bias bin ich versucht auszurufen: Endlich! Die Verkitschung der Achtundsechziger-Mythologien ist ähnlich ärgerlich wie ihre spiegelbildliche Entzauberung nach dem Motto: alles privilegierte Hedonist*innen und dogmatische Polit-Macker, nur ein romantisches Vorspiel des neoliberalen Individualismus. Tatsächlich geht es um eine der großen Wasserscheiden der Geschichte. Und in den aktuellen Kämpfen kommt es auch darauf an, etwas vom damaligen Geist konkreter Utopie wiederzufinden – trotz allem.
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| Das Fenster ist offen – Für eine linke Erzählung der Klimagerechtigkeit

Von Lorenz Gösta Beutin

Die Linke ist die einzige Partei, die Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zusammenbringen will. Doch muss sie daraus eine klare Botschaft formulieren.

Wer bei den Klimaprotesten dieser Tage und Monate Augen und Ohren aufsperrt – sei es bei Straßenblockaden, beim Brückensperren, bei Waldspaziergängen oder Tagebaubesetzungen –  bekommt in Sprechchören, auf Transparenten und in Gesprächen immer wieder die eine Botschaft zu hören: »System change, not climate change – Systemwende statt Klimawandel«. Ende Gelände, Extinction Rebellion und Fridays for Future, die als aktivistische Speerspitze der Bewegung Mitte September über 1,4 Millionen Menschen in Deutschland auf die Straßen brachten, sie alle verknüpfen die Frage des Klimaschutzes zunehmend mit der Frage nach sozialer Gerechtigkeit in Deutschland und im Rest der Welt.
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| Strategische Allianzen – Was sich von der Bewegung für einen Green New Deal in den USA lernen lässt

Von Dorothee Häußermann

Klimaaktivist*innen und progressive Politiker*innen kämpfen in den USA gemeinsam für eine sozial-ökologische Transformation. Hierzulande tut sich die Bewegung noch schwer, entsprechende Strategien und Bündnisse zu entwickeln.

Das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung enttäuscht selbst jene, die nichts davon erwartet hatten. Statt dem »großen Wurf« ist es ein unkoordiniertes Bündel an Reförmchen. In der Klimabewegung herrscht Frust und das Gefühl, gegen eine Betonwand zu laufen. Wie viele Kohlegruben müssen noch besetzt werden, wie viele Millionen auf die Straße gehen, bis wir greifbare Fortschritte erleben? Die Ironie des Ganzen: Politiker*innen, die es ganz okay finden, dass die ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung nur etwa ein Prozent des Nettovermögens besitzt, entdecken beim Klimathema plötzlich ihr Herz für soziale Gerechtigkeit.
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| Revolution heißt, für die Zukunft sorgen

Von Verónica Gago

Über eine Zukunft des Sozialismus nachzudenken impliziert, sich eine Vorstellung davon zu machen, was kommen wird. Die Frage, die sich dann notwendigerweise anschließt, ist: Wie erreichen wir dieses ersehnte Ziel? In jeder revolutionären Theorie hat die Utopie folglich auch eine pragmatische Seite, die sich auf die Frage des Übergangs bezieht. Dieser Übergang stellt insofern eine Herausforderung dar, als sich historisch immer wieder gezeigt hat, dass es dabei keine Linearität gibt, keinen direkten Weg, der von dem einen zum anderen Punkt führt.
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