| WAS EIN KÖRPER VERMAG. EINE GENEALOGIE DER SELBSTVERTEIDIGUNG

Von Elsa Dorlin

Sklaven und Indigenen war im Kolonialismus streng untersagt, was ihren Unterdrückern selbstverständlich gestattet war: sich zu bewaffnen oder zu verteidigen. Woher rührt diese historische Kluft zwischen »verteidigungswürdigen« und wehrlosen Körpern, die organisierte Entwaffnung der Unterworfenen, die in jedem Befreiungsversuch die Frage der Gewalt aufruft? Welche »Kampfethiken des Selbst«, welche Praxen der Selbstverteidigung lassen sich aufspüren, wenn man die Geschichte aus der Perspektive der Unterdrückten neu erzählt?

3. März 1991, Los Angeles. Rodney King, ein junger afroamerikanischer Taxifahrer von 26 Jahren, wird von drei Polizeiautos und einem Polizeihubschrauber gestoppt, die ihn auf der Autobahn aufgrund einer Geschwindigkeitsüberschreitung verfolgen sollten.
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| »Defund the Police« – Wir müssen die finanziellen Mittel für Polizeiarbeit reduzieren

Von Keeanga-Yamahtta Taylor

Polizeibudgets zu kürzen ist der erste Schritt auf einem langen Weg. Am Ende geht es darum, die polizeiliche Bearbeitung gesellschaftlicher Probleme zu beenden. Da ernsthafte Reformen der Polizei immer wieder scheitern, sind substanzielle Mittelkürzungen oder gar die völlige Abschaffung der Polizei heute Teil von Mainstream-Debatten.
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| Der Elefant der Geschichte im Saal C24

Von Friedrich Burschel

Wie das Denken an die Opfer von Halle das Gedenken an die Shoah aufruft

«Das Gericht muss verstehen, dass die Shoah zwar vorbei, aber weiter wirksam ist», forderte die Rabbinerin Rebecca Blady, die am 9. Oktober 2019 in der Synagoge in Halle während eines antisemitischen Anschlags mit 50 weiteren Gläubigen um ihr Leben fürchtete. Mit dem Attentat und seiner gerichtlichen Aufarbeitung wird die von Blady beschworene Gegenwart der Shoah und anderer deutscher Massenverbrechen überdeutlich. Eine Gegenwart, die auch die 247 Stolpersteine zum Gedenken an während der Nazi-Zeit ermordete Bürger*innen der Stadt dokumentieren. Einige davon in der unmittelbaren Umgebung der Synagoge in der Humboldtstraße im Paulusviertel.
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| Zwei Jahrzehnte Zumutungen – 20 Jahre nach der Ermordung Enver Şimşeks durch den NSU

Von Friedrich Burschel

Die Taten des NSU sind noch immer nicht aufgeklärt. Die Angehörigen der Opfer und die Opfer von Anschlägen und Überfällen haben in den letzten zwei Jahrzehnten weder Antworten auf die offenen Fragen noch auch nur so etwas wie Genugtuung erfahren. Stattdessen müssen sie erleben, dass der rechte Terror weitergeht – auch innerhalb der Staatsapparate.
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| Das Land, in dem man nicht mehr atmen kann

Aus dem New Yorker Tagebuch von Robert Cohen

Robert Cohen begann sein New Yorker Tagebuch eines „abwendbaren Abstiegs der USA unter Donald Trump” im November 2016. Es ist eine Chronik schier unglaublicher Nachrichten in schneller Abfolge, die einen neuen Autoritarismus und die gesellschaftliche Polarisierung unserer Zeit nachzeichnet. Vor einem Jahr wurde ein erster Teil, der die Zeit der ersten zwei Amtsjahre Trumps umfasst, im Wallstein-Verlag publiziert. Damals hatten wir daraus eine Auswahl von 16 Tageseinträgen veröffentlicht. In den letzten Wochen haben sich die Ereignisse einmal mehr verdichtet: Wir erleben sie hin- und hergerissen zwischen der Angst vor offenem Bürgerkriegsszenario mit Einsatz des Militärs im Inneren und der Hoffnung einer sich organisierenden neuen Bürgerrechtsbewegung. Erneut dokumentieren wir Einträge des Tagebuches mit freundlicher Genehmigung des Autors.
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| Farbe bekennen. Wie ich lernte, dass Klasse zählt

Von bell hooks

»Ich habe viele Bücher zum Thema Ungerechtigkeit geschrieben; darüber, wie man der Ausbeutung von races, Geschlechtern und Klassen ein Ende setzen kann. Dies ist das einzige Buch, das sich konkret mit dem Thema Klasse befasst. Mehr als je zuvor rief das Schreiben einen Schmerz in mir hervor, der mich häufig im Herzen tief verletzt und weinend über meinem Schreibtisch zusammenbrechen ließ.«

Meine Reise zu einem Klassenbewusstsein begann für mich als Studentin am College, als ich die Politik der amerikanischen Linken kennenlernte, Marx, Fanon, Gramsci, Memmi, das Kleine Rote Buch und vieles mehr las. Doch als mein Studium endete, empfand ich meine Sprache noch immer als unzulänglich. Ich fand es noch immer schwierig, die Bedeutung von Klasse in Bezug auf race und Gender zu verstehen.
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| Autoritarismus in Frankreich – eine Anatomie perfider Strukturen

Von Sebastian Chwala

Teile der Öffentlichkeit schauen derzeit beunruhigt nach Frankreich. So wurde selbst in deutschen Medien zurückhaltend darauf hingewiesen, dass die Strategien zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in Frankreich äußerst gewalttätig sind und einer Revision bedürfen. Aktueller Höhepunkt war der Tod des jungen Steve Maia Caniço, der während eines Polizeieinsatzes gegen die Besucher*innen eines Technokonzerts in Nantes in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni in der Loire ertrank, dessen sterbliche Überreste aber erst mehr als einen Monat später aus dem Fluss geborgen werden konnten.
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| Mit Rechten reden?

Von Volker Lösch

Im Herbst stehen Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen an. Es drohen neue Wahlerfolge der AfD. Doch es gibt auch Widerstand. Das zivilgesellschaftliche Bündnis #unteilbar ruft zu einem “Sommer der Solidarität” und zum Kampf gegen Ausgrenzung und rechte Hetze auf. Den Auftakt machte am 6. Juli ein Aktionstag in Leipzig mit 7500 Menschen, am 24. August ist eine Großdemo in Dresden geplant. Auf der Demonstration in Leipzig forderte Theaterregisseur Volker Lösch mehr Mut zur Konfrontation und mehr Phantasie im Kampf gegen Rechts. Wir dokumentieren seine Rede im Wortlaut.


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| Zur Verleugnung von Race

Von Stuart Hall

Dies ist das leicht gekürzte vierte Kapitel des demnächst im Argument-Verlag erscheinenden Buches »Vertrauter Fremder«. Darin zeichnet Stuart Hall ein komplexes Ganzes widersprüchlicher Spannungsverhältnisse zwischen den Zeiten, den Orten und dem verschieden Gelernten seines Lebens. Das Buch ist gewollt keine Biografie, sondern der Versuch einer Reflexion, und es folgt einem roten Faden: »Es gab keinen einzigen Augenblick auf meinem Entwicklungsweg, der nicht von meiner rassisierten Positionierung befeuert worden wäre.«
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| Bevölkerung und Klassenpolitik. Gramscis hegemonietheoretische Annäherung an die Frage der Migration

Von Alex Demirovic

Die Migrationsfrage als Herausforderung für die Linke

Seit dem Sommer 2015 und der Nichtschließung der deutschen Grenzen für die zahlreichen Flüchtlinge vor allem aus dem Kriegsgebiet Syriens, die in Ungarn und Österreich sowie in den Balkanländern gestrandet waren, wird in der deutschen Öffentlichkeit wieder einmal erregt über die Fragen von Asyl und Einwanderung diskutiert und gestritten. Bereits Anfang der 1990er Jahre gab es einen Diskurs mit ähnlichen Frontstellungen. Nach der undemokratisch betriebenen Vereinigung der zwei deutschen Staaten wurde die große Zahl von Asylsuchenden vor allem aus Osteuropa von den konservativen Parteien und der Regierung offensichtlich genutzt, um eine nationalistische Stimmung zu erzeugen. Im Ergebnis wurde das Grundrecht auf Asyl 1993 faktisch abgeschafft; nach diesem Recht wurden 2017 weniger als ein Prozent der 600 000 gestellten Anträge bewilligt (vgl. taz, 9.8.2018).
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