| Sind wir Auto?

September 2009  Druckansicht

von Michael Brie

In der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 1929 wird die Abwrackprämie vielleicht als größte Massenbewegung in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen. Zwei Millionen Käufer von neuen Autos können jetzt ihre Altwagen wegwerfen und auf einen neuen umsteigen. Alle Demonstrationen gegen die Abwälzung der Krisenfolgen auf die »kleinen Leute« zusammen genommen haben bisher keinen vergleichbaren Massencharakter.
»Auto-Nation« seien wir, so der alte und neue Bundespräsident in der Mitgliederzeitung des ADAC. Der ADAC ist mit 16 Millionen zahlenden Mitgliedern die größte Massenorganisation der Bundesrepublik. Alle im Bundestag  vertretenen Parteien zusammen haben weniger als zwei Millionen Mitglieder. Wie kein anderer Gegenstand, so Horst Köhler, stehe das Auto (er erinnert an Käfer und Trabbi) für Wirtschaft, Soziales, Politik und eben auch für die nationale Identität der Deutschen. Ist das, was gut oder schlecht ist für das Auto, auch gut oder schlecht für die Menschen in der Bundesrepublik? Sollte künftig eine Strophe des Deutschlandliedes heißen:

»Deutsche Autos, deutsche Straßen,/deutsche Tunnels, Motorsang/Sollen in der Welt behalten/ihren alten schönen Klang,/Uns zu edler Tat begeistern/ Unser ganzes Leben lang«? Sind wir Auto?

Über Jahrtausende war Mobilität ausschließlich den berittenen Oberschichten vorbehalten. »Hoch zu Ross« war Adelsprivileg. Hatten die Eisenbahnen, S-, U-, Straßenbahnen und Busse im ausgehenden 19. Jahrhundert begonnen, Mobilität zu demokratisieren, wurde sie durch das Auto individualisiert. Das Auto wurde zur Massenware und keine andere Ware symbolisierte den wachsenden Wohlstand wie das Auto. Das Auto hat so sehr das 20., das »Amerikanische Jahrhundert«, geprägt, dass US-Präsident Barack Obama es – konfrontiert mit der gleichzeitigen Krise der drei großen Automobilhersteller in den USA – glatt für eine amerikanische Erfindung hielt. Are we cars?

Die einst kaum überwindbaren Schranken einer Klassengesellschaft schienen im Laufe des 20. Jahrhunderts in Westeuropa und den USA zu den Abstufungen zu mutieren zwischen Oberklasse, Mittelklasse und der Welt der Kleinwagen, oft als zweites Auto der Familie für die Hausfrau oder Mitverdienerin. Der Klassenkompromiss ermöglichte das Haus im Grünen einerseits und das Auto andererseits. Sich zwischen Arbeitsort, Wohnort und Urlaubsort souverän zu bewegen, wurde zum erfüllbaren »Traum«. Zugeparkte, von Abgasen vergiftete und durch Autobahnen zerrissene Städte und Landschaften, der alltägliche Stau, die Urlaubskolonnen waren die Kehrseite.

Das Auto ist das Symbol für erfolgreiche Innovationen im 20. Jahrhundert schlechthin. Dabei waren es eigentlich Waschmaschine und der elektrische bzw. Gasherd, die wirklich das Leben erleichtert haben. Sie sparten im Haushalt
täglich viel (weibliche) Arbeitskraft. Die Ausbreitung des Autos lässt sich keinesfalls mit dem Drang nach individueller Mobilität allein erklären. Denn diese hätte auch durch Eisenbahn, Straßenbahn, U-Bahn und Busse hergestellt werden können, öffentlich, statt privat. Ein großer Teil heutiger Mobilitätsbedürfnisse resultiert zudem genau aus jener Zersiedlung des Landes, den gigantischen Vorortsiedlungen, die erst im Gefolge der privaten Autonutzung entstanden sind. Weshalb also diese Präferenz des privaten gegenüber dem öffentlichen Mittel individueller Mobilität?

Die Faszination des Autos liegt darin, den menschlichen Körper des Fahrers mit zusätzlicher Macht auszustatten: Das leichte Drücken eines Pedals beschleunigt eine Masse, die zehnmal größer ist als das eigene Körpergewicht auf ein Tempo, das zehnmal höher ist als das Lauftempo eines Joggers, und trägt über eine Strecke, die ohne Ermüdung das Zwanzigfache dessen darstellt, was ein Fußgänger an einem Tag zurücklegen kann. Diese Potenzierung der eigenen Körperkraft und ihre Verwandlung in die Fähigkeit, den Raum zu »besiegen«, die Mühen von Bergen und Ebenen in das bloße Rauschen des Fahrtwindes auf einer glatten Straße zu verwandeln, ist durch kein anderes Mittel moderner Technik derart jedem Einzelnen zugänglich. Das Auto umhüllt den Körper des Fahrers und gibt ihm ein fahrendes Heim – privat behaust durchquert er den Raum. Häuslichkeit wird ortlos.

Es ist das Auto, das es Menschen erlaubt, mit geringer zusätzlicher Bildung und Erfahrung die Macht der modernen Technik als eigene Macht zu genießen und den Kick des kalkulierten Risikos zu erleben, das schnell zur tödlichen Gefahr werden kann. Seit 1950 sind in Deutschland mehr als 750 000 Menschen bei Verkehrsunfällen getötet worden. Weltweit waren es 2008 über 1,2 Millionen Tote und rund 50 Millionen Verletzte. Die Privatisierung der modernen Mobilität war zugleich der Einstieg in das tödlichste aller Verkehrsmittel.

Das Auto ist ein Geschenk, das die Mehrheit der Bevölkerung sich für die lebenslange Lohnarbeit macht. Zeitweiliger Triebverzicht, alltäglicher Dienst an jenen Fließbändern, an denen die Autos hergestellt werden, an den Schreibtischen, in denen ihre Produktion verwaltet wird. Einfügung als berechenbare Teile in Großorganisationen der Moderne sind das Gut, das die Einzelnen täglich bereit stellen müssen. Im Austausch erhalten sie das Auto. Die Verwandlung des eigenen Körpers in eine Maschine, acht Stunden am Tag, fünf Tage in der Woche, hat die maschinelle Überhöhung männlicher Körperlichkeit in der Freizeit zur Kehrseite und als Ausgleich. Kein öffentliches Transportmittel, nur das private Eigentum kann derartige persönliche Kosten aufwiegen. Lohnarbeit wird als Abhängigkeit, das Auto als Freiheit erlebt. Und die Massenproduktion von Autos durch Lohnarbeit sichert die massenhafte Gleichheit in dieser Freiheit.

Die private Form der Mobilität ist die lustvolle Kehrseite der Entfremdung in der Arbeit. Der Verleih der Arbeitskraft und Lebenszeit zu Bedingungen, die Mann und Frau zumeist nicht selbst bestimmen können, zu Zielen, an denen sie nur selten mitwirken dürfen, ausgeliefert Weisungen, denen sie nur wenig entgegensetzen können, muss sich privat lohnen oder wäre unerträglich. Die Privatheit des Individuellen (auch der Mobilität) außerhalb der Arbeit spiegelt und verstärkt die Fremdheit in der gesellschaftlichen Arbeit.

Der Film Rebel without a Cause (… denn sie wissen nicht, was sie tun) von 1955 und James Deans Unfalltod mit seinem Porsche 550 Spyder am 30. September des gleichen Jahres setzten den Aufstand gegen diesen Preis der Freiheit als tödlichen Wettbewerb filmisch und dann real in Szene. Ein ganzes Zeitalter mit seiner Massendemokratie, dem Wohlfahrtsstaat, den technisierten Haushalten, den motorisierten Panzerarmeen, mit Aspirin und Antibabypille erhielt den einen Namen – Fordismus, benannt nach dem Unternehmer, der die ersten in Serie hergestellten und damit auch für die Arbeiter erschwinglichen Auto produzieren ließ, den berühmten Ford T, der Tin Lizzy von 1908.

Aber wird auch das 21. Jahrhundert ein Zeitalter des Autos sein? Bleibt der Zusammenhang von Kapitalismus, Erwerbsarbeit und Privatkonsum intakt? Sind die Verheißungen des Fordismus noch einlösbar? Die  Verallgemeinerung der modernen Lebensweise insbesondere in den sich schnell ausdehnenden Mittelschichten Asiens wird bei ungebrochenen Trends dazu führen, dass sich die Zahl von Autos von über 600 Mio. bis 2030 noch einmal verdoppeln wird – auf rund 1,2 Mrd. Globalisierung der Rohstoff- und Energie verbrauchenden Produktions- und Lebensweise einerseits und Zuspitzung der ihr eigenen Widersprüche in einer endlichen und für die Menschen tödlich verwundbaren Welt andererseits fallen zusammen. Die fordistische Welt wird im Augenblick ihres sicheren Untergangs global. Das triumphierende Wachstum privaten Wohlstands scheint die einzig mögliche Form, in der ein reiches Leben möglich ist – und es zerstört dessen Grundlagen. Privater Luxus ist nicht mehr verallgemeinerbar und zieht Verelendung nach sich. Die Klima-Migrantinnen und -migranten werden nicht den BMW wählen können, um die Zentren der Autowelt zu erreichen.

In der Krise ist eine Weichenstellung entstanden, deren Konturen mehr und mehr sichtbar werden. Die »Umweltprämie« verkörpert wie keine andere politische Entscheidung eine Richtungsentscheidung des offensiven, aggressiven Strukturkonservatismus, des Weiter-So nur besser, ökologischer, sauberer, si cherer. Deshalb wurde diese Prämie, ins Spiel gebracht von IG Metall und SPD, zum erfolgreichsten Exportschlager deutscher Politik im Krisenjahr 2009. Unter anderem Österreich, Frankreich, Portugal, Rumänien, Spanien, Italien und Zypern zogen mit und selbst die USA führten sie ein.

Wir sind Auto sagen unisono Regierungen, Unternehmensführungen, Belegschaften und die Auto fahrende  Bevölkerung. Das wirtschaftliche Wachstum und damit auch die Finanzierung des Sozialstaats würden ohne exportstarke Autoindustrie und kauflustige Kunden wegbrechen. Wir sind Auto bedeutet, mit Steuergeldern eine Nachfrage nach genau jenen Gütern neu zu erzeugen, deren Wegwerfen belohnt wird. Wir sind Auto schließt ein, dass es jenseits der Autoindustrie und ihren Zulieferern (in Deutschland sei dies rund jeder siebente Arbeitsplatz) keine hinreichende Zahl gut bezahlter qualifizierter Arbeitsplätze gibt, für die gekämpft werden könnte. Wir sind Auto heißt für die Beschäftigten in der Autoindustrie, gegen den Abstieg in Arbeitslosigkeit und Hartz-IV zu kämpfen. Dies ist auch ein Kampf um menschliche Würde, die so angreifbar ist. Die Umweltprämie soll rund 200 000 Arbeitsplätze erhalten haben. Wir sind Auto drückt aus, dass die stärkste Industriegewerkschaft der Welt, die IG Metall, in den Großbetrieben der Autoindustrie ihre Machtbastionen hat. Wir sind Auto resultiert aus dem Umstand, dass das Auto immer noch das lustschenkende Glied jener Kette ist, die Kapitalismus, Lohnarbeitergesellschaft und konsumorientierte Lebensweise aneinanderschmiedet zu einem alternativlos scheinenden Zyklus von Wachstum des Ressourcenverbrauchs, Unterordnung unter die Zwänge des Arbeitsmarktes und genussvollem Haben der Symbole von Freiheit und Gleichheit.

Es ist ein hegemonialer Block von neoliberaler Politik, Traumfabriken, Großkonzernen, Gewerkschaften und abhängig Beschäftigten sowie der breiten Masse der Bevölkerung entstanden, für die das Wir sind Auto alternativlos zu sein
scheint – materiell wie geistig, rational wie emotional, wirtschaftlich wie politisch. Die »Umweltprämie« hat genau jene, die in diesem historischen Block in der unteren Mitte eingeordnet sind, in Bewegung gesetzt, hat sie aktiviert in
einer Weise, die ihre Subalternität zementiert, hat ihnen Gewinne versprochen, die in jeder Hinsicht teuer bezahlt werden – durch Verschuldung der öffentlichen Haushalte, Verfestigung überholter Industriestrukturen, Fort setzung von Umwelt und Klima zerstörender Produktions- und Lebensweise, der knechtenden Unterordnung unter die Teilung der Arbeit, Ausbeutung der Dritten Welt. Dieser Konservatismus des Wir sind Auto ist nicht blind für die Umweltfragen, sondern will sie durch eine ökologische Modernisierung innerhalb der gegebenen Strukturen bearbeiten. Er ist auch nicht ignorant für die ärmeren Länder, sondern behauptet die Möglichkeit der Ausdehnung der Autogesellschaft auf die ganze Menschheit. Er gibt sich sozial, weil er die Bevölkerung beteiligen will – als Lohnabhängige wie als Konsumenten, als mobile Kraft in der Welt der Erzeugung wie des Verbrauchs der Waren. Die Ideologie des Wir sind Auto ist die Ideologie der heilen Welt des utopischen Kapitalismus – jeder ist Unternehmer der eigenen Arbeitskraft und Daseinsvorsorge in einer Welt der hunderttausend und einen Ware. Doch die Welt kann nicht zur Ware gemacht werden, ohne dass sie dabei zerstört wird – genauso wenig wie der Mensch dabei menschlich bleibt. Die Rohstoffe für die Autos des 21. Jahrhunderts werden nicht nur gekauft, sondern auch durch Panzer und motorisierte Infanterie erobert werden müssen. Die bewaffneten Streitkräfte der USA verbrauchen insgesamt zehn Mal mehr Treibstoff als Bangladesh mit seinen über 150 Millionen Einwohnern (Klare, 2007).

Es gibt aber die Möglichkeit einer anderen Weichenstellung: In den Poren der Autogesellschaft sind längst Elemente neuer Produktions- und Lebensweisen entstanden. Weder ist die klassische Arbeitsteilung von männlichem Familien»ernährer« und Hausfrau/Mutter noch vorherrschend, und auch Fließband und Großbüros von Großkonzernen sind nicht mehr uneingeschränkt dominant. Individualisierung, Flexibilisierung, Subjektivierung der Arbeit, Teamwork und Netwerkorganisationen, flache Hierarchien und Enterprise 2.0 sind nicht nur ideologische Schlagworte, sondern beschreiben neue Realitäten. In den eigenen vier Wänden verdrängt das Internet mit Chatrooms und Rollenspielen das bloß passive fremdbestimmte Fernsehen. Dort sind die Einzelnen viel freier unterwegs als auf den Straßen der Städte. Der Reichtum menschlichen Geistes, des Spiels, der direkten  kommunikation über den Erdball hinweg mag pervertierte Formen angenommen haben, aber er kann auch emanzipatorisch erschlossen werden.

Wir sind nicht verdammt, Auto zu bleiben. Aber wie immer ist es kurzfristig einfacher und preiswerter, auf den bisherigen breiten Autobahnen zu bleiben als neue Pfade einzuschlagen. Die Wiederherstellung eines bisherigen Einverständnisses ist viel leichter zu erreichen als ein neuer Konsens beim Aufbruch in eine bisher unbekannte Welt. In die Strukturen heutiger privater Fortbewegung und des Güterverkehrs auf der Straße sind global Dutzende
Billionen Euro investiert. Und die Fantasien von Freiheit sind immer noch autobesetzt. Die Anschubkosten einer neuen Entwicklung sind zunächst viel höher als die, einfach so weiter zu machen, auch wenn sie langfristig deutlich
geringer wären. Dies sind Gründe, warum so selten in der Geschichte neue Entwicklungswege eingeschlagen werden.
Dabei liegen die Alternativen auf der Hand (Brie, 2009). Es sind dies aber nicht das Elektroauto oder Biosprit, die nur die gleichen Bedürfnisse innerhalb der gleichen Strukturen mit etwas verbesserten Mitteln zu befriedigen sucht.
Es ist vor allem der öffentliche Personen- und Güterverkehr. Im Vergleich zum Auto und LKW liegen die gesamtgesellschaftlichen Kosten für diesen Verkehr bei der Hälfte, die CO2-Emissionen betragen nur zehn bis 20 Prozent, die Zahl der Verkehrstoten je zurückgelegten Kilometer würde auf ein Sechstel oder Achtel sinken. Kommunale Angebote von Taxen und elektronisch betriebenen Leihautos könnten das Problem lösen, wie man zur nächsten Haltestelle kommt, wenn sie weiter als einige hundert Meter weg ist. Ein entgeltfreier Öffentlicher Personennahverkehr würde die Städte von den Autos befreien und ganz neue Orte der Begegnung, der geschäftigen Ruhe, der Arbeit und Erholung schaffen. Es würde eine Zivilisation entstehen, die global verallgemeinert werden kann – sozial wie ökologisch. Verkehrsberuhigung im Kiez, der Bau neuer Straßenbahnen, das Kaufen vor der Haustür sind kleine, aber unverzichtbare Schritte auf diesem Weg.

Man kann viel über die Hindernisse beim Übergang zu einer post-automobilen Gesellschaft sagen – Macht- und Eigentumsverhältnisse, gigantische Aufwendungen des technologischen Umbaus, die Notwendigkeit der Mobilisierung von riesigen Mitteln und ihre Umverteilung von privat zu öffentlich und von Nord nach Süd. Auch der Zeitfaktor spielt eine entscheidende Rolle: Dieser Umbau müsste innerhalb von zwei Jahrzehnten stattfinden und die übergroße Mehrheit aller Gesellschaften erfassen. Lester Brown, Chef des World-Watch-Instituts, schreibt, dies müsste in der Geschwindigkeit der Umstellung einer Friedens- in eine Kriegswirtschaft geschehen (2009, 22). Der Vergleich macht deutlich, dass eine solche Transformation möglich wäre – wenn sie gewollt und als Chance begriffen würde. Er erklärt auch, wieso es nicht durch Ausnahme- und Kriegszustand geht: Wer möchte, wer könnte, wer sollte den Kriegszustand ausrufen. Wieder per Befehl in eine bessere Welt?

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen solchen Wandel liegt in der Veränderung der Arbeit: Erst eine weitere deutliche Verkürzung der Arbeitszeit und die Verwandlung der freien Zeit in Zeit der Entwicklung der eigenen körperlichen und seelischen Kräfte jenseits bloßer Erholung der Arbeitskraft kann eine Bedürfnisstruktur freisetzen, die sich der Faszination des Autos zu entziehen vermag. Denn auch und gerade die Muße, die freie Entfaltung der eigenen Physis und Kultur ist anstrengend und aufwendig. Dafür müssen Bedingungen geschaffen werden. Es bedarf befördernder öffentlicher Einrichtungen und ihres privat unerreichbaren Luxus’ (Mike Davis), es braucht Hilfe und Gemeinschaftlichkeit. Dies schließt ein, dass der öffentliche Raum seinen Charakter der Fremdheit verliert und zu einem Raum respektvoller Begegnung und solidarischer Gemeinsamkeit wird, gegen den kein Schutz notwendig ist. Es bedürfte einer wahrhaft lebendigen partizipativen Demokratie. Erst dann würde die Beteiligung an den öffentlichen Angelegenheiten so wichtig wie die Erwerbsarbeit.

Die Kluft zwischen der heutigen Gesellschaft des Wir sind Auto und einer Gesellschaft, die ihren Frieden mit der Natur macht, kann nur geschlossen werden, wenn die Gegensätze einer privatistisch ausbeutenden Produktions- und Lebensweise solidarisch vermittelt und dabei Schritt für Schritt neue und freiere Lebensmöglichkeiten erschlossen werden. Dies bedarf einer Transformationsperspektive, die an den realen Widersprüchen der Autogesellschaft ansetzt und ihre Überwindung bewirkt. Die Menschen werden nur bleiben, wenn sie nicht Auto bleiben und den Planeten nicht als Autobahn vernutzen. Dies aber ist nur erreichbar, wenn wir, Naturwesen, die wir sind, endlich lernen, schonend und behutsam mit der Welt umzugehen und uns den Reichtum des Öffentlichen erschließen. Dann vielleicht würden solidarische Menschen das Maß der Dinge bestimmen und die Erde würde zur Heimat.

 
Literatur

Brown, Lester, 2008: Plan B 3.0 Mobilizing to Save Civilization, New York
Brie, Michael: Entgeltfreier Öffentlicher Personennahverkehr statt »Abwrackprämie«! Standpunkte der RLS 8/2009, www.rosalux.de/cms/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Standpunkte/standpunkte_0908.pdf
Klare, Michael T., 2007: The Pentagon v. Peak Oil. How Wars of the Future May Be Fought Just to Run the Machines That Fight Them, www.tomdispatch.com/post/174810/

Aus Luxemburg 1-2009, 165 ff.