| Rechts, das ist eine Männlichkeitskonstruktion

Juli 2009  Druckansicht
Von Marlene Streeruwitz

Rechts, das ist eine Männlichkeitskonstruktion, die ihre Überlegenheit aus einem wahnhaften, meist territorialen Gründungsmythos herleitet. Es ist die Abstammung, die Herkunft, die die Grundlage der so hergestellten Männlichkeit ist. Das Abstammen legt die Grundlage für die Organisation des Rechten in Form von Familienstrukturen. Der Vater als Führer und die Verbindung verschiedener Herkünfte über Brüderlichkeit zu einem größeren Verband des Rechten. Die Führungshierarchie formiert sich entlang der Vorstellung der Brüder des Vaters. Die Kommandokette kann dieser familialen Begründung entsprechend keinen bestimmten Kriterien folgen und sich jeweils auf Verdienst oder Laune des Führers berufen. Die Rotte der Söhne wird über Gewalt gebändigt und diszipliniert. Die Zuneigung des Führers, der auch eine Stellvertreterfigur sein kann, muss über Heldentaten verdient werden. Stammeskrieg wird gegen die Anderen geführt. Die Überfälle werden aus der eigenen Überlegenheit argumentiert. Sie dienen gleichzeitig zur weiteren Festigung dieser Überlegenheit. In der Form der Veteranenerzählung tradiert sich der Mythos der Überlegenheit wiederum aus Herkunft und Überlegenheit.

»Blood and Honour« nennt sich die Gruppe, aus deren Umgebung in Thüringen die Naziaufmärsche organisiert werden. Blut, das beschreibt den Abstammungsmythos. Ehre bezieht sich auf die Notwendigkeit, die Überlegenheit zu demonstrieren. Die Verwendung der englischen Sprache wird einerseits eine Tarnung sein, die sich das Deutsche »Blut und Ehre« der SS-Parole überzieht. Gleichzeitig kann sich die Gruppe so in die internationale rechte Szene einklinken. Sprachlich stellt sich diese rechte Männlichkeitskonstruktion in einem Zirkelschluss dar, der sich in eine Wiederholung rammt und darin seine Irrationalität beschreibt. Sprachlich geht das so.

Blut und Ehre, das kann nur Männer von da, von diesem Ort da, beschreiben, deshalb sind diese Männer von da im Besitz des Anspruchs auf Macht. Macht haben dann diese Männer, weil sie Männer von da sind. Männer von da sind also die Männer von da. Männer sind nur Männer, wenn sie die Männer von da sind.

Grammatikalisch ist das Subjekt »Männer« durch das Gleichsetzungsglied »Männer« beschrieben, wobei das »nur« den Bedingungssatz auslöst, der durch das Ortsadverb wieder die Bedingung für »Männer Sein« zu erkennen gibt. Das Subjekt und das Gleichsetzungsglied und das Subjekt des Bedingungssatzes addieren sich in der Repräsentanz eines einzigen Substantivs, Männer. Einschränkung und Emotionalität werden durch das »nur« eingeführt. Das Adverb schränkt auf einen einzigen Ort ein. Es ist ein grammatikalischer Vorgang, mit dem in diesem Ersten Hauptsatz des »Rechten« der Anspruch auf Vorherrschaft angemeldet wird. Das Ergebnis ist eine Aufhebung der Bedeutung durch das Einsetzen dieses einzigen Substantivs. Das bedeutet aber wiederum, dass die Sprache, so wie wir sie zur Kommunikation und damit zur Herstellung eines Gesellschaftlichen benutzen. Dass diese Sprache in sich implodiert wird. Es wird keine Bedeutung vermittelt, sondern reine Struktur. Der Herrschaftsanspruch wird in der Reduktion der Versprachlichung auf die Grammatik mit der Grammatik angemeldet. Wie die Bedeutungen formuliert werden, das behält sich diese Herrschaft vor. Diese Informationen sind im Besitz der Herrschaft und werden nur in den inneren Zirkeln der rechten Gruppen als Geheimwissen verkündet.

In diesen Bedeutungen offenbart sich der Rückgriff auf wahnhaft Esoterisches. Ob eine Ableitung aus dem Germanischen, dem Arischen, dem Britischen, dem Gallischen. Von einem Motorrad. Einer Marke. Einer Hautfarbe. Einer Religion. Einem Beruf. Einer Sprache. Einer Firma. Immer geht es darum, die eigene Seinsberechtigung aus dem Recht auf Herrschaft und Beherrschung abzuleiten. Die eigene Überhöhung und die Abwertung der anderen beziehen sich immer auf die eine Tatsache der Abstammung, aus der alle Folgemythen erfließen. Nun könnten wir uns darauf beschränken, diese Beschreibung auf obskure Gruppen anzuwenden. Derartige Gruppen illustrieren aber nur in krasser Form, was allgemeiner Konsens ist. Denn. Es ist doch so. Unsere Kulturen. Die deutsche und die österreichische beruhen auf einer kulturell vermittelten Christlichkeit. Der nunmehr ganz Deutschland umfassenden westlich hergeleiteten Kultur und der österreichischen liegt also der biblische Geschlechter gründungsmythos zugrunde, der in der griechischen Philosophie eine quasiwissenschaftliche Bestätigung über die Jahrtausende erhalten hat. Dieser Gründungsmythos ist nicht weniger irrational wie die Vorstellung ein arischer Mann sein zu wollen und daraus eine Überlegenheit abzuleiten. Beim Lesen diverser Rassentheorien stellt sich einer die Wahnhaftigkeit dieser Ableitung durchaus gleichrangig mit der Sündenfalltheorie des Weiblichen dar. Die kulturelle Realität führt uns aber in jedem Augenblick vor, wie sehr die Sündenfalltheorie und die griechisch-philosophische Konstruktion der Naturhaftigkeit des Weiblichen unseren Alltag prägen.

Es ist nicht so sehr weit von »Blood and Honour« entfernt, wenn Sie zum Beispiel die Bildzeitung hernehmen. In der Bildzeitung geht es um eine Balance der Angstbeschreibung (Du wirst alles verlieren und nichts wird dir bleiben, nicht einmal der Sex) mit der fiebrigen Beruhigung, die aus der Masturbationsphantasie des Bildgirls entsteht und aus der heraus die, durch die Bildzeitung mit jedem Text und Bild in Frage gestellte, von allen Seiten bedrohte deutsche und heterosexuelle Männlichkeit wieder positiv fixiert wird. Es gibt das Gerücht, die Bildzeitungsautoren würden für besonders gelungene Schlagzeilen einen Bonus kassieren. Wie überhaupt anzunehmen ist, dass es sich um eine Art Autorenkollektiv handelt und bei den Texten die Stilbildung zum spezifischen Bildzeitungsstil die alles überschießende Absicht darstellt. Interdisziplinarität und Enthierarchisierung durch Konkurrenz aller gegen alle werden hier zum Instrument einer Stilbildung. Es wird also die postavantgardistische Gruppenkonstellation dazu verwendet, nun nicht mehr den Ausdruck des Besonderen zu suchen, sondern den Ausdruck des Allgemeinsten zu optimieren. Alle experimentellen Sprachmittel werden angewandt, dieses Allgemeinste über den Appell auszudrücken. Die Komprimierung der Sprache führt zur äußersten Glätte des Inhalts. Eine so hoch komprimierende Sprache lässt nicht die kleinste Differenzierung zu. Der allgemeinste Text entsteht, der nichts anderes als Undifferenziertes vermitteln will. Der Stil der Kürzung, des Ausrufs, des Befehls, der Klage und der Beschuldigung führt in ein übermächtiges Universum von Schlagzeilen.

In einer postmodernen Säkularisierung wird der christliche Gebotssatz »du sollst« seiner metaphysischen Verantwortung entkleidet. Der Satz »du wirst« trägt dem Verlust des religiös-symbolischen Rechnung in der Überführung der Paradiesvorstellung in ein materialistisches Jetzt. Diese verkürzende Episierung verliert aber nichts von der Drohung. Dafür sorgt das Bewusstsein, dass es sich um dieses Allgemeinste handelt, das alle Bildzeitungsleser einschließt. Es betrifft also sehr viele. Es betrifft ein dadurch erst hergestelltes Volk. Ebenfalls aus der christlichen Tradition der Sünde erklärt sich das Dunkle der Drohung. Das Ergebnis jeder Bildzeitungslektüre ist ein Gefühl von Beraubtheit. Etwas ist einem genommen oder wird einem genommen werden. Alles, was ein glückliches Leben bedeutet. Geld. Benzin. Familie. Liebe. Nahrung. Urlaub. Bier. Und Sex. In inneren Ableitungen wird in jeder Bildzeitung mit jeweils verschiedenen Schwerpunkten der Verlust der Befriedigung vorausgesagt. Aber. Um nicht ein endgültiges Gefühl von Verlust und damit ein Verlorensein zu provozieren, werden zwei Ebenen eingeführt.

Zum einen ist das Bildgirl immer da, auch dem beraubtesten Mann als Masturbationsvorlage zu dienen. So lange dieser Mann die Bildzeitung liest, wird er also immer in seinem Selbstentwurf ein Mann bleiben können.

Zum anderen werden ab der Seite 4 oder 5 Lebenshilfeangebote ausgebreitet. Immer sind es die allerbesten Experten, die aus Schuldenfallen, Gesundheitsproblemen, Konsumentenschwierigkeiten und Kaufentscheidungen heraus helfen. Es ist eine Bewegung des Handreichens und Herausziehens, die da angeboten wird. Als befände sich der Bildzeitungsleser immer in Sümpfen und müsste da herausgezogen werden. Naturmetaphern für Lebenszustände und Zusammenhänge. Und erinnern wir uns. Diese Naturmetaphern müssen durch die Masturbationsvorlage hindurch wahrgenommen werden. Der Bildzeitungsleser befindet sich immer in Not und die Gefahr des Masturbationsverbots schwebt über ihm. Aber die Bildzeitung lässt ihn über das Bildgirl am erlaubt Unerlaubten teilhaben. Zum Trost. Und dann die besten Experten. Mit denen ist der Bildzeitungsleser aber dann schon allein. Wie überhaupt das Zusammenschlagen der Bildzeitung das Verlassen eines durch Drohung und Belohnung ausbalancierten ansexualisierten Universums mit sich bringt. Eine Ermächtigung aber nur während des anschauenden Lesens.

Weil die Geschichte unserer Kulturen immer an die Sexualpolitik gebunden blieb, ist es notwendig, sich des Themas der Homosexualität anzunehmen. Wie frei meint die Bildzeitung es wirklich mit der Sexualität. Die Insistenz auf das Bildgirl, das durch keinen Bildboy ersetzbar wäre. Die Ausschließlichkeit auf die Busen. Nie wird ein Penis gesichtet. Scherze über Männer werden bei Sportlern gemacht. Aber bei Sportlern besonders wird Homosexualität abgelehnt. Das wird nicht direkt ausgedrückt. Aber wenn Daum sich gegen Homosexuelle in der deutschen Bundesliga ausspricht, dann wird ihm großer Raum gegeben. Die Kritik wiederum an solchen Aussagen ist dann nie in die Schlagzeile oder den fettgedruckten Teil des Textes gezogen.

Die Deutschheit, die in jedem Text mitkonstruiert wird, ist also männlich und heterosexuell. Die sexuelle Freiheit ist beschränkt. Hier auf den deutschen Mann. Diese Deutschheit braucht rassistische Abgrenzung gegen andere. Diese Abgrenzung erfolgt scherzhaft. In dem besonders widerlichen Ton, dass die verachtete Person bitte auch noch über die Verachtung mitlachen soll und so die Verachter vor sich selber freisprechen. Immer geht es in rechten Texten um den Reflexionsstopp. Was in der Bildzeitung das Bildgirl bewerkstelligen muss, das wird in den Texten der FPÖ zum EU-Wahlkampf etwa wiederum grammatikalisch erledigt.

Es ist da immer bedeutsam, wann die FPÖ im Text als handelndes Subjekt auftritt und wann die FPÖ das Objekt der Verfolgung und der Hetze ist.

In einem Artikel zum EU-Betritt der Türkei, der unter dem Titel »Gutmenschen hetzen gegen FPÖ: Israel soll kein Thema sein!« in einer Wahlkampfaussendung erschien, bezieht sich kein Satz grammatikalisch auf den vorhergehenden. Nicht einmal Konjunktionen stellen einen inneren Zusammenhang des Texts her. Jeder Satz bezieht sich ausschließlich auf sich selbst. Feststehend ist nur, dass die FPÖ immer als Satzsubjekt auftritt und damit immer auch das Prädikat bestimmt. Zu Beginn des Texts wird die FPÖ als angegriffene Partei vorgeführt, die daran gehindert werden soll, so zu sprechen, wie sie es sich vorstellt. Dabei wird impliziert, dass das, was die FPÖ zu sagen hat, die Wahrheit sei. Diese Vermutung wird mit Hilfe der Vokabel »hetzerisch« und »antisemitisch« hergestellt. Die Aussagen der FPÖ zum EU Beitritt von Israel werden nämlich als hetzerisch und antisemitisch »verunglimpft«. Es wird nicht gesagt, wer hier verunglimpft. Es bleibt dem Leser und der Leserin überlassen, die Gutmenschen des Titels dafür verantwortlich zu machen. Aber. Und darin ist dieser Text ist vollkommen ehrlich. Wenn der Satz lautet »Freiheitliche Inserate werden als hetzerisch und antisemitisch verunglimpft.« In der Klage über die Verunglimpfung können die Begriffe »Hetze« und »Antisemitismus« eingeführt und zur Bestätigung des Muts zur Wahrheit und zur harten Aussage eingesetzt werden. Gleichzeitig stehen die Begriffe zur Benutzung frei. In einer ironischen Volte können Gesinnungsgenossen im Wohlgefühl der Eingeweihtheit zu diesen Angriffen lächeln. Denn selbstverständlich sind diese Inserate hetzerisch und antisemitisch. Die Verunglimpfung durch die Gutmenschen wird im Einvernehmen des Subtexts zur Verunglimpfung der Gutmenschen gewendet. Die Bedrohung der Freiheitlichen Inserate setzt jenes identifizierende Lesen in Gang, in dem uns unsere Kultur so gut schult und setzt im Lesevorgang eines solchen Satzes ein winziges Einverständnis über die Benutzung der Grammatik selber her. Das Passivum wird hier zur Standarte, hinter die wir uns grammatikalisch angeleitet, automatisch versammeln. Es sind sehr basale Schichten, die da in uns angesprochen werden. Mit diesem Passivum im zweiten Satz des Artikels wird der Leser oder die Leserin über die Grammatik in den Text hineingezogen. Eigentlich müsste die Beschreibung lauten, unter den Text gezogen. Von diesem Satz an gibt es keinen Sinnzusammenhang, der eine Entscheidung nach sich ziehen könnte. Nach diesem Satz gibt es nur noch ein Übereinstimmungslesen. Da wir aber nun dazu angehalten sind, immer einen Sinn herzustellen, stellen wir ihn auch her. Im Fall dieses Texts ist das dann ein Lesen ohne denken zu können. Die Zusammenhanglosigkeit lässt keinen Raum dafür. Die Information ist aber nicht inhaltlich fragmentiert. Die Information ist in ganze Sätze zerstückelt und simuliert so Sinnhaftigkeit. Affekte werden ausgelöst. Bedrohung und der Kampf gegen diese Bedrohung. Unbehagen macht das, aus der der letzte Satz befreit. Das Unbehagen wird hauptsächlich durch die Begriffe »hetzerisch« und »antisemitisch« hergestellt. Mühelos können so die ungeheuren Begriffsräume des Antisemitismus in Gebrauch genommen werden. Jeder Leser und jede Leserin muss im reinen Ablesen der Begriffe die jeweils spezifischen Bedeutungen dieser Worte durchlaufen. Das Ablesen im Kontext der Verunglimpfung verdreht diese Bedeutungen und die übliche Gerichtetheit. Der nächste Satz lässt keine Klärung der Richtung dieser Angriffe zu. Im nächsten Satz will die FPÖ wieder »nur« verhindern, dass Österreich in »den blutigen Nahostkonflikt hineingezogen wird«. Wieder eröffnet sich diese Oberflächenwahrhaftigkeit des Texts. Der Vorgang des Hineinziehens wird benannt. Wer noch nicht in den Text hineingeraten ist, der findet hier eine doppelte Leseanleitung. Österreich soll in einen Krieg hineingezogen werden. Im gedanklichen Abwehren eines solchen Vorgangs ist das Hineingezogen Werden in den Text unvermeidlich. Der blutige Nahostkonflikt. Antisemitisch. Diese Bedeutungen führen zu der, in Österreich medial vermittelten Einstellung, dass es doch seltsam wäre, dass ein Volk wie Israel, das so viel »durchgemacht« hätte, nun seinerseits die Palästinenser derart kaltblütig aggressiv behandle. Wir sind nach den ersten drei Sätzen dieses Wahlkampftexts mitten im tiefsten Antisemitismus angelangt, ohne dass es notwendig geworden wäre, das klar auszusprechen. Der Satz des Titels »Israel soll kein Thema sein!« kann leichthin eine Wörtlichkeit erreichen, die atemberaubend deutlich das Ziel des Antisemitismus offen legt, ohne das deklarieren zu müssen.

Bedeutungsfragmente mittels intakter Grammatik zu Bedeutungszusammenhängen verkitten und der so hergestellte Text löst den Reflexionsstopp aus, der notwendig ist, die Bedeutung des Texts rekonstruieren zu können. So wird Glaube fabriziert. In der österreichischen Kultur wird sich das auf eine kulturell vermittelte Katholizität beziehen. Erinnern wir uns. 1942 musste Baldur von Schirach nach Wien geschickt werden, um den Wienern die Kriegsmüdigkeit auszutreiben. In Wien hatten die Mittelaltermythen und Herleitungen aus den germanischen Femegesellschaften der Nazipropaganda keinen Erfolg. In Wien wurde dann durch Baldur von Schirach das Barock stilbildend für den nationalsozialistischen Allanspruch. In unzähligen Barockdramen auf breiten Freitreppen wurde die abendländische Sendung Österreichs dem Osten gegenüber beschworen. Und. Von den Wienern begeistert aufgenommen. Diese »abendländische Sendung« wurde in der Kultur Österreichs nach dem Jahr 1945 in die Musik verschoben und wird dort unverbrüchlich weiter vertreten. Bei der offiziellen Konferenz »Sound of Europe« zur österreichischen EU-Präsidentschaft am 28. Jänner 2006 sagt der Dirigent Franz Welser-Möst in seinem Impulsreferat: »Wenn wir unter Europa die abendländische Kultur verstehen, dann stellt sich uns die Frage, welchen Stellenwert Mozart in der abendländischen Kultur hat und weiter gefragt, was die abendländische Kultur ausmacht. Unter den Künsten ist die Musik die eigenständigste und höchst entwickelte, die von der abendländischen Kultur hervorgebracht wurde. Dichtung und Malerei – sie gibt es auf höchstem Niveau auch in anderen Kulturen.« Franz Welser Möst ist heute einer der Direktoren der Wiener Staatsoper. Solche Wortwahl und solche grammatisch stilistische Positionierung der Affirmierung der Überlegenheit des »Abendländischen« als Antwort auf die Frage, was denn die höchst entwickelte Kunst sein könnte. Ein solcher Gebrauch der Sprache bleibt uneingesprochen. Denn rechts. Das sind die Hooligans in den Wehrsportgruppen mit der Hakenkreuzbinde. Bei der Konferenz in Salzburg. Bei »Sound of Europe«. Es stand niemand auf und ging wenigstens weg. Ein Satz wie »Israel soll kein Thema sein!« kann sich auf solche Aussagen berufen und tut das auch. Subtextuell und im Wohlbehagen der affirmierenden Zuhörer. Der Zuhörer, die sich selbst nie als »Rechte« sehen würden, die aber, durch die Nicht Bearbeitung der eigenen unbewussten Auftragsstrukturen den Raum eines Rechten mitschaffen.

Rechts. Das beginnt also ab dem Punkt, ab dem sich eine Männlichkeitskonstruktion der Hegemonie bemächtigt. Das ist praktisch unsere gesamte Welt. Rechts. Das ist aber gerade durch die Funktion der Abwertung die Geschlechterlinie entlang nicht demokratisch und bildet das Modell für alle anderen Minderheitenabwertungen. Rechts. Das ist in dieser Funktion, das Hierarchische zu argumentieren, antidemokratisch.

Es ist immer Geschlechterpolitik, die die Hierarchien beschreibt. Wir leben in einer postantikommunistischen Geisteswelt, die sich ausführlich der Konstruktion der entsprechenden Hierarchien widmet. Die hegemoniale Männlichkeitskonstruktion greift da weiter auf eine irrational begründete Überlegenheit zurück und entwickelt darin eine tief verborgene Verbindung mit dem radikal Rechten.

Männlichkeitskonstruktionen, die sich nicht der Aufrechterhaltung des Rechten geben, werden ihrerseits als weiblich abqualifiziert. Der Mann des Austromarxismus wurde als jüdisch und darin schon weiblich, aber auch als einer, der der Frau Gleichberechtigung zugestehen wollte, als den Frauen unterlegen, geschmäht. Ich denke, der in der DDR anders als christlich sozialisierte Mann stellt eine ähnliche Provokation dem westlich geprägten Bildzeitungsideal der deutschen heterosexuellen Männlichkeitskonstruktion gegenüber dar. Die Frage ist doch, wie wird die DDR und die andere Geschlechterpolitik da in Erinnerung behalten. Wie sieht die offizielle Geschichtsschreibung das heute. Ich könnte mir vorstellen, dass der Anpassungsdruck, der auf die ehemalige DDR ausgeübt wird, die Erinnerung an diese andere Handhabung der Geschlechterpolitik auslöscht. Eine demokratischere Männlichkeit ist unerwünscht, weil nicht westlich deutsch. Das löscht wiederum die Männlichkeitskompetenz vieler Vätergenerationen in der ehemaligen DDR. Die Söhne müssen auf die Großvätergenerationen zurückgreifen, sich eine männliche Identität zu verschaffen.

Hier kommt nun der dogmatische Antifaschismus zum Tragen, der die persönliche Aufarbeitung überdeckte. Das ist eine mir sehr verständliche Konstruktion. In Österreich wurde nach 1945 die Entnazifizierung in dem Augenblick abgeschlossen, als der Antikommunismus offizielle Politik wurde und der Krieg gegen Russland die politische Fantasie zu beherrschen begann. Das war spätestens 1948. Der in keiner Weise bearbeitete, kulturell über 100 Jahre vermittelte Antisemitismus des Österreichischen wurde in den Antikommunismus übergeführt. Dass die FPÖ offen antisemitisch auftreten kann, leitet sich aus dieser geschichtlichen Entwicklung her. Der Anspruch des FPÖ Vorsitzenden auf das Amt des Wiener Bürgermeisters ist ebenfalls aus der Tradition des Antisemtismus abgeleitet und bezieht sich auf die antisemitische Tradition eines Lueger oder Schönerers. Während also in dem winzigen Staat Österreich der Antisemitismus in Antikommunismus umgegossen wurde, passierte in der DDR das andersherum. Eine offene Konfrontation und ein Durcharbeiten der nationalsozialistischen Vergangenheit wurde in beiden Fällen vom Staat verhindert. Ja. Zunächst sogar verboten. Das jedenfalls in Österreich. Die Großväter konnten also in Ruhe ihre Veteranenmythen pflegen. Auf genau diese Veteranenmythen können wiederum die Enkel zurückgreifen. In den täglich in den Medien gepflegten Bedrohungsszenarien macht das in der so erhaltenen Irrationalität ja auch Sinn. Und in diesem Zusammenhang macht es auch Sinn, mit der Erinnerung an die DDR auch ihre Geschlechterpolitik zu verdrängen. Eine solche Geschlechterpolitik äußert sich in den nonverbalen Kommunikationen und wird von allen nach Hegemonie Strebenden verstanden. Und so viel Ehre hat sich kulturell erhalten, dass ein demokratischer Mann verstehen muss, wenn er, weil er das ist, abgewertet wird. Der Selbsterhalt von Macht ist immer ein Zirkelschluss und damit sind wir wieder am Anfang angelangt.

WAS TUN?

Wenn ich höre, dass bei der Ausstellung »60 Jahre/60 Bilder« im Gropius Bau. Hier in Berlin. Wenn da bei einer Diskussion eine Frau aufsteht und fragt, warum keine Frauen ausgestellt sind. Wenn dann diese Frau erstens gebeten wird, beim Thema zu bleiben und das wäre »Die Kunst und Zeit« und nicht »Kunst und Frauen«. Und außerdem. Frauen wären in der bildenden Kunst eben nicht zu finden. – Wie gesagt. Macht kann sich nur in Zirkelschlüssen beschreiben. – Wenn sich in so einem Fall keine andere Person findet, die ein solches Begehren unterstützt und den Zirkelschluss über die Frauen in der bildenden Kunst nicht offen legt. Wenn die Frage nicht gestellt wird, warum keine Frauen in der in dieser Ausstellung repräsentativ vorgeführten Westkunst zu »finden« sind. Dann stellt sich doch ausführlich dar, dass die Sprache, die diese Zirkelschlüsse entlarvte. Dass diese Sprache nicht zur Hand ist. Dabei. Für die Offenlegung des Problems reichte der derzeitige Stand unserer Sprache durchaus. Es genügte das Verlassen der Gründungsmythen des Geschlechtlichen dafür. Dass in dieser Ausstellung keine Künstler oder Künstlerinnen aus der DDR ausgestellt worden sind, führt die Argumente der Ausgrenzung in eine zweite Ebene. Die DDR Kunst ist aber wie die Frauen behandelt worden. Fragen, die hinter den Machtgebrauch führen würden, wurden nicht gestellt. Und werden das nicht. Wie das Beispiel hier zeigt.

WAS TUN?

Für eine Welt, in der demokratische Geschlechterverhältnisse entwickelt werden. Und solche Verhältnisse müssten je weiter entwickelt werden. Richtige Demokratie ist ja ein je neu zu überlegender Zustand und kann immer nur provisorisch erreicht werden. Richtige Demokratie spiegelte ja das Leben als eine Fortsetzung von Augenblicken und begibt sich der autoritären Sicherheit eines alles überwölbenden Gründungsmythos. Richtige Demokratie benötigte eine je neue Sprache, die die je neuen Konstellationen reflektieren vermag. Aber. Eine solche Welt beruhte auf einer ganz neuen Sprache, von der wir nur wissen, dass sie möglich sein muss.