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Occupy Lenin

von Mimmo Porcaro

Der heimliche Evolutionismus der Linken

Es ist kaum zu leugnen, dass fast alle antikapitalistischen Strategien des 20. Jahrhunderts von einem starken, wenn auch heimlichen Evolutionismus geprägt waren. Gleichgültig ob sie auf die Gegenmacht der Arbeiterklasse, eine radikale (und später partizipatorische) Demokratie oder die Vergesellschaftung der Wirtschaft zielten – immer setzten sie auf je eigene Weise einen sterbenden Kapitalismus voraus. Zur Strecke gebracht durch das langsam wirkende Gift einer historischen Krise oder durch die von ihm selbst hervorgebrachten neuen Verhältnisse und Subjekte. Überraschenderweise finden sich hier strategische Gemeinsamkeiten zwischen dem moderaten Stalinismus der Nachkriegsjahre und der hyperdemokratischen »Multitude«: In beiden Fällen – hier durch Wissenschaft und Zentralisierung, dort durch Kommunikation und Kooperation – scheint der Kapitalismus angesichts hoch vergesellschafteter Produktion zur formalen Hülle geworden zu sein.

Nun kann man sich vormachen, auf diesem höchsten Punkt der Vergesellschaftung könne man sich mit dem Kapitalismus abfinden – als ließen sich in seinem Inneren gleichsam Blasen kommunistischer Verhältnisse schaffen, und als könne man so auf eine fortschrittliche Affirmation dessen hinarbeiten, was bereits existiert. Als Vorsitzender der italienischen kommunistischen Partei wusste Togliatti freilich, dass diese Evolution von der Schaffung politischer, kultureller und assoziativer Institutionen begleitet sein müsste, die sich grundlegend von denen unterscheiden, die das Kapital geschaffen hatte: der Massenpartei, Organisationen der Zivilgesellschaft und rote Kommunen. In Italien haben wir lange von diesem Erbe und seinen Strukturen gelebt, auch wenn wir seine Prämissen und Resultate ordnungsgemäß kritisierten.

Theoretiker der Multitude wie Michael Hardt und Antonio Negri hingegen denken, dass diese Institutionen die kommunistische Kooperation bereits verwirklichen; für sie sind die Institutionen, in denen die Multitude schon produziert und lebt, völlig hinreichend. Wir brauchen eigentlich nur ein bedingungsloses Grundeinkommen, um ohne den Kapitalismus auskommen zu können. Daher keine Revolution, nicht einmal Evolution: einzig die Enthüllung der Tatsache, dass die produktive Gemeinschaft die Kräfte des Kapitals bereits inkorporiert hat. Schade allerdings für diese Theorie, dass sich das Kapital inzwischen sämtliche Grundlagen der Produktion und Reproduktion unterworfen hat – und zwar aufs Extremste!

Zuletzt ist der Evolutionismus im europäischen Altermondialismus quasi zu sich gekommen. In den letzten zehn Jahren hat dieser Ansatz explizit oder implizit viele politische Initiativen in Europa geprägt. Er unterstellt, dass der Kapitalismus im Grunde seinen Gegenspielern zuarbeite, da er die territorialen und institutionellen Schranken des Nationalstaats überschreite und dadurch eine zugleich globale wie soziale Transformation ermögliche. Trotz anfänglicher Probleme für die Subalternen sei die Überwindung der Nationalstaaten ein fortschrittlicher Prozess – so die altermondialistische Theorie. Eine Befreiung von den restriktiven, politizistischen und autoritären Formen des Staatssozialismus werde so möglich und eine neue, soziale und globale, direkte und unmittelbar selbstorganisierte Alternative zum Kapitalismus erreichbar. Die Theorie geht davon aus, dass die Gesellschaft aus sich selbst heraus die Kräfte hervorbringt, das Leben unabhängig von Kapital und Staat zu organisieren. Statt die politische Macht zu ergreifen, müssten entsprechend die inneren Potenzen der Gesellschaft ausgebaut werden. Es geht folglich um die fortschreitende Entleerung der Macht des Kapitals und des Staates. All das trägt zu der Schlussfolgerung bei, dass es weder veränderter Eigentumsverhältnisse an den zentralen Produktionsmitteln noch der Etablierung einer neuen Staatsführung bedarf: Der Kapitalismus werde Schritt für Schritt durch eine Ökonomie der Assoziation ersetzt und an die Stelle seines Staates trete die wachsende selbstorganisierte Demokratie. Auch bedarf es keiner vorausschauenden Theorie oder eines organischen Projekts einer alternativen Gesellschaft. Nicht einmal die gelegentliche Bündelung gesellschaftlicher Kräfte ist von Nöten, um bestimmte mittelfristige Ziele zu erreichen. Das Wachstum der Bewegung selbst ist das grundlegende Ziel.

Diese Theorie kann durchaus gewisse Verdienste vorweisen. Da sie sich aber weigert, sich der Frage des Staates und eines organischen Modells künftiger Produktion zu stellen, bleibt sie paradoxerweise von den Strategien des gegenwärtigen Kapitals und des heutigen Staates abhängig. Sie ist gefangen in den Gegenwartspraxen der Herrschaft. Die aktuelle Krise hat diese evolutionäre Vision einer Überwindung des Kapitalismus jedoch obsolet gemacht.

Die Stunde Lenins

Die Krise läutet daher, einmal mehr, die Stunde Lenins ein. Und tatsächlich bildet sie hier die Trennungslinie: Der Ausbruch der Krise bringt uns zurück zu Marx, ihre momentane ›Lösung‹ bringt uns zu Lenin. Soll heißen, sie bringt uns dazu, die Frage der Klassen und ihrer Kämpfe wie auch des Staates ins Zentrum der Analyse zu rücken und uns eine gesellschaftliche Alternative vorzustellen, die nicht mehr lediglich eine Korrektur des Bestehenden wäre, sondern ein Bruch mit demselben. Und das, ohne sich davor zu drücken, eine neue und kohärente Produktionsweise vorzuschlagen. Es reicht nicht aus, von Globalisierung und von Krise zu sprechen, ohne zugleich (wie es der junge Lenin bei seiner Analyse des russischen Kapitalismus getan hat) präzise zu verdeutlichen, welche Klasse diesen Prozess organisiert, welche Klasse dieser Form der Organisation widerstehen kann und welche andere soziale Ordnung errichtet werden müsste, um den Widerstand effektiv zu machen. Da die Klassen, die für die Krise verantwortlich sind, weiterhin an der Macht sind, sind die Antworten auf die Krise reaktionär. Und nur weil diese Klassen weiterhin über den Staat verfügen, sind solche Antworten überhaupt möglich. Allein die Enteignung dieser Klassen und die Eroberung sowie Transformation des Staates machen folglich einen Neuanfang möglich: Nur so können eine alternative Wirtschaftspolitik und eine andere Gesellschaftsordnung aufgebaut werden. Reform der Finanzmärkte, die Neudefinition der Unternehmensstrukturen, expansive Haushaltspolitiken, fortschrittliche Industriepolitiken, die sozialökologische Konversion der Produktion – aus solchen und anderen vernünftigen Vorschlägen wird nie mehr werden können als gut klingende Meinungen oder faule Ausreden, wenn sie nicht mit der Benennung jener Klassen einhergehen, die sie unmöglich machen. Zugleich müssen aber auch die Klassen benannt werden, die sie möglich machen könnten, und es müssen die Schritte bestimmt werden, die zur Eroberung des Staates und der Gestaltung seiner neuen Formen notwendig sind.

Ab jetzt gibt es deshalb eine doppelte Zielsetzung subalterner Politik. Einerseits müssen sich Grassroot-Institutionen, Formen der Selbstorganisation und der direkten oder partizipativen Demokratie entwickeln. Andererseits muss es die koordinierte Aktion geben, die sich in konkreten Schritten und Phasen auf die Eroberung und Neubestimmung der Staatsmacht richtet. Auf der einen Seite also eine lineare und kumulative Zeit für das stetige Wachsen der Selbstorganisation popularer Subjekte; auf der anderen Seite diskontinuierliche und veränderbare Zeit für Interventionen in die politische Konjunktur. Hier die kooperative, dort die strategische Aktion. Die eine kann es ohne die andere nicht geben. Ohne die erste kann sich kein Wissen über die Kräfteverhältnisse entwickeln, das allein eine Eroberung und Transformation des Staates wie der Produktion möglich macht; und es entstehen keine autonomen Basis-Institutionen, die in Distanz zum Staat ihn dennoch beeinflussen und verändern können, ohne dabei sozialistische Politik auf Etatismus zu reduzieren. Ohne die zweite gibt es keine politischen, rechtlichen und ökonomischen Ressourcen, die es solchen Basis-Institutionen erst ermöglichen, eine neue soziale Ordnung zu errichten und – noch davor – die Krise zu überleben.

Ohne Klassenanalyse und Klassenkampf und ohne den Staat kommt man nicht voran. Das Verhalten der dominanten Klassen zeigt das sehr gut. Wie die arbeitenden Klassen unterscheiden sie sich ziemlich stark von ihren Vorgängern, und sie sind ebenfalls fragmentiert, aber in der Krise sind sie imstande, einen Block zu bilden und sich genau auf den Staat als dem finalen Garanten ihres Überlebens zu fokussieren. Die Rückkehr dieser Fragen erinnert uns daran, dass die Überwindung des Kapitalismus nicht durch eine Evolution, sondern durch einen Bruch erfolgt – oder besser durch eine ganze Serie von Brüchen, zu denen auch jene gehören, die die Staatsmacht und deren Form betreffen. Sie erinnert uns daran, dass diese Überwindung nicht durch die Entwicklung des Potenzials einer gegebenen Situation geschieht, sondern durch die Schaffung einer Situation, die noch nicht existiert.

Wendung zu Lenin, nicht zum Leninismus

Was uns hier an Lenin interessieren sollte, ist ein Stil des Denkens und Handels, der zusammengefasst werden kann als kontinuierliche und konstante Veränderung im Verhältnis zu der gegebenen Situation. ›Lenin‹ bedeutet die kontinuierliche Neubestimmung einer gegebenen Situation auf der Grundlage der Dynamik der Klassenkonflikte und der Räume, die sich von Zeit zu Zeit für die Aktivität der subalternen Bewegungen öffnen oder schließen. Lenin ist daher die kontinuierliche Bewegung in und von Brüchen gegenüber jenen Überzeugungen, politischen Linien und Organisationsformen, die in einer vorherigen Konstellation gereift sind, träge ihre Problemsichten und Lösungen wiederholen und somit Gefangene der alten Klassenverhältnisse bleiben. Das ist der Kern des Parteikonzepts bei Lenin: die Idee einer Politik, die kontinuierlich die einfachen und direkten Reaktionen der Bewegungen und der Partei selbst so entwickelt, dass es möglich wird, die wechselseitigen Beziehungen zwischen allen Klassen und dem Staat zu verstehen und deshalb auch den ständigen Wandel dieser Beziehungen zu begreifen – letztlich für ein kommunistisches Ziel, das selbst ständig Gegenstand unaufhörlicher Neubestimmung ist.

Eine wichtige Veränderung in den kapitalistischen Gesellschaften des Westens liegt im Wandel vom »inklusiven Kapitalismus«, in dem Profitkrümel umverteilt wurden, zu einem »Nullsummen-Kapitalismus«, in dem die Gewinne der einen die Verluste der anderen sind. In dem also die Profite entweder durch weitere Lohndrückerei gesichert werden oder (zunehmend) durch das Ausplündern der Ressourcen, die früher durch den Sozialstaat an die Arbeiter umverteilt wurden. Man kann auf die Bedeutung dieses Wandels nicht genug hinweisen. Er hat das Szenario, unter dem die politisch Aktiven der heutigen Zeit aufgewachsen sind, vollständig verändert und entsprechend ihre Überzeugungen, Interessen und Werte geprägt. Auch wenn dieser Wandel nur graduell, zögerlich und langsam geschieht (in Wirklichkeit passiert er oft schroff und klar), so untergräbt er dennoch zunehmend die Effizienz eines Kontrollsystems, das an Verbreitung, Detailliertheit und Raffinesse alle wackligen Übereinkünfte zwischen Parteien, Gewerkschaften und dem Staat weit übertroffen hat: das glanzvolle und ununterbrochene Warenspektakel, dessen Zeugen wir nun schon seit Jahrzehnten sind. Die Verlockung des Hyperkonsumismus verträgt sich mit trügerischer Opulenz, aber nicht mit wirklicher Verelendung: Sie wird wirkungsarm, wenn jene, die daran gewöhnt sind, sich alles zu wünschen, sich in einem Zustand wiederfinden, in dem sie nichts mehr besitzen können. Die Grundlage des Massenkonsenses in den westlichen Gesellschaften wird in ihrem Fundament brüchig. Die Trennung zwischen Konsumenten und Waren wird das Tempo noch weiter verschärfen, in dem sich die Massen von den Parteien und damit vom Staat lösen – das ist das wahre, grundlegend Neue der gegenwärtigen Zeit. Das allerdings macht es auch leichter, sich für eine neue Politik zu engagieren.

Wiederkehr der schweren Geschütze

Nicht länger also geht es um eine Strategie, die Gramsci in den westlichen Gesellschaften mit der Eroberung des robusten »Systems der Festungen und Kasematten« der Zivilgesellschaft jenseits des Staates assoziierte: Die Schulen, Apparate des Sozialstaats und der kulturellen Produktion sowie die Fabriken und Arbeitersiedlungen sind in den 1970ern bereits infiltriert und zuweilen sogar erobert worden. Doch sie wurden zersetzt und zerstückelt durch Privatisierung, Flexibilisierung, Dezentralisierung und die Verwandlung kultureller Produktion in ein kapitalistisches Unternehmen. Seit den 1970ern wird Kontrolle nicht mehr von soliden Institutionen ausgeübt, sondern von scheinbar unregierbaren Strömen der Finanzen, Waren, Bilder und Kommunikationen. Das ist tatsächlich ein Netz, in dem heute große Teile der sozialen Intelligenz gefangen sind – nämlich insofern, als sie sich einbilden, dass die zum Teil freien und gleichen Beziehungen des Webs (die faktisch über Kommunikationskonzerne vermittelt werden) die Zunahme realer Ungleichheiten kompensieren würden.

Um diese Veränderung der Strategie nachzuvollziehen, muss man zwei Revolutionsmodelle verstehen, die nicht zuletzt in Italien weit verbreitet waren. Das erste Modell kommt aus einer gradualistischen Interpretation einer Beobachtung Gramscis, dass das Management der »intermediären Einrichtungen«, die zwar vom Staat unterschieden, aber direkt mit ihm verknüpft sind, von großer Bedeutung für den Kapitalismus ist: also der Schulen, kulturellen und religiösen Apparate, der Strukturen sozialer Reproduktion und auch der Fabriken als Orte der Vergesellschaftung. Diese vermittelnden Einrichtungen müssen in einem langen »Stellungskrieg« erobert werden, bevor die »Hauptquartiere« – also die Staatsmacht und die allgemeine politische Macht des Staates okkupiert werden können. In den gradualistischen Interpretationen ersetzt die Eroberung der zivilgesellschaftlichen Einrichtungen die Eroberung der politischen Macht durch den Staat. Das zweite Modell ist postfordistisch und geht von der Vorstellung einer »flüssigen Gesellschaft« aus, in der alle sozialen Verhältnisse gleichermaßen mobil und diffus geworden sind, ohne dass eines dieser Verhältnisse eine dominante Position einnähme – sodass es gar kein Hauptquartier mehr gibt. Folglich stellt die Frage, wie es denn zu erobern sei, auch kein Problem mehr dar. Nach meiner Ansicht ist daher heute der »Stellungskrieg« durch den »Bewegungskrieg« ersetzt worden.

Mit der Vertiefung der Krise reichen die Ströme nicht mehr aus, um Kontrolle zu behalten. Die herrschenden Klassen greifen wieder auf die nie vollständig aufgegebenen alten Instrumente des ökonomischen Zwangs und der autoritären Entscheidungen zurück. Wer dachte, das Aufkommen der flows sei der Beginn der Auflösung der Macht, hat sich gründlich getäuscht. Diese werden von erschreckend stabilen und strategisch denkenden und handelnden Institutionen arrangiert: den ›vertikalen‹ Staatsapparaten und den großen Unternehmen. Auch wenn die Regierungen, supranationalen Agenturen und Konzerne auch heute noch die ›soft power‹ der flows einsetzen, so rekurrieren sie doch und nunmehr ohne Beschränkungen auf die ›hard power‹, also die schweren Geschütze der wirtschaftlichen Erpressung und der politischen Gewalt. Sie werden zur bevorzugten Aktionsform der herrschenden Klassen in Zeiten der Krise.

Der Lenin’sche Moment

Am Ende sind es nicht die Festungen der Zivilgesellschaft, die eingenommen werden müssen, und wir müssen uns auch nicht vormachen, wir könnten auf den Wellen des Kapitalismus surfen, um im Kommunismus zu landen. Stattdessen sind es die Hauptquartiere des Kapitals und des Staates, die es einzunehmen gilt. Dorthin gilt es in vielen Phasen und Schritten zu gelangen, durch Brüche, Vereinheitlichungen und Vorschläge zur Zukunft. Die ›Stunde Lenins‹ meint weder die Rückkehr Lenins zu uns noch unsere Rückkehr zu Lenin. Es ist eher eine Rückkehr des ›Lenin’schen Moments‹, wie wir ihn in Analogie zum Minsky Moment nennen wollen.1 Seine Rückkehr erfolgt in einer Zeit, in der viele Bedingungen fehlen, die es zu Zeiten des bolschewistischen Führers gab. Man kann eher sagen, dass alle einzelnen Antworten, die Lenin auf die Fragen des Imperialismus gab – Klasse, Diktatur des Proletariats, Kommunismus –, nicht mehr länger zufrieden stellen. Aber alle seine Fragen sind weiterhin unvermeidlich. Deshalb kehrt auch die Frage der Partei zurück. Dabei war die grundlegende Forderung Lenins, immer zwischen zwei Modalitäten des Kampfes zu unterscheiden: jener, die innerhalb der Reproduktionslogik des Kapitals verbleibt, und jener, die organisatorische, kulturelle und politische Bedingungen entwickelt, um diese zu überwinden. Es stellt sich also auch die Frage nach den sozialen Subjekten, die die »Lenin’sche Funktion« übernehmen könnten. Die derzeit aktiven Führungsgruppen sind in der Zeit des Evolutionismus entstanden, also der Zeit der Anpassung, der poetischen Deklamation und der prosaischen Praxis, der Naivität und des Durchwurstelns; der Zeit eines Pluralismus, der nicht als Methode der Erarbeitung bestimmender Ideen verstanden wurde, sondern als unbestimmte Ansammlung widersprüchlicher Beteuerungen. Heute brauchen wir relativ eng gestrickte Führungsgruppen, die zuweilen oligarchisch oder halb-autoritär regredieren mögen, aber sie müssen miteinander kooperieren und konkurrieren, und dies mit dem gemeinsamen Ziel eines pluralistischen Sozialismus. Die Repräsentanten der Lenin’schen Funktion sind also diejenigen, die politische Formen immer neu auflösen mit dem Ziel, bessere Bedingungen für die Emanzipation zu schaffen – in diesem Sinne sind sie die besten Kritiker der Politik, weil sie alles unter das Kriterium der Emanzipation stellen.

Literatur
Candeias, Mario, 2010: Passive Revolution vs. sozialistische Transformation, Berlin, www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/rls_papers/rls-paper-Candeias_2010.pd
Gramsci, Antonio, 1991–2002: Gefängnishefte, 10 Bde., hgg. v. K. Bochmann, Wolfgang Fritz Haug und Peter Jehle, Berlin-Hamburg
Grasberger, Lukas, 2012: Bewaffnet mit Würsten, in: ver.di Publik 5/2012, publik.verdi.de/2012/ausgabe-05/spezial/jugend/seiten-20-21/A0 [1]
Juberías, Luis, Edgar Manjarín, Quim Cornelles, Ayoze Alfageme und Celestino Sánchez, 2012: Zwei Jahre Mobilisierungen. Perspektiven eines demokratischen Bruchs in Spanien, in: LuXemburg 3/2012, 126–31
Porcaro, Mimmo, 2011: Linke Parteien in der fragmentierten Gesellschaft, in: LuXemburg 4/2011, 28–34
Rehmann, Jan, 2012: Occupy Wall Street – eine gramscianische Analyse, in: Das Argument 300, 54. Jg., 897–909
Wainwright, Hilary, 2012: Griechenland: Syriza weckt Hoffnungen, in: LuXemburg 3/2012, 118–25

 

Dieser Text erschien zuerst in Socialist Register 2013. Aus dem Englischen von Rainer Rilling

Auf den Text haben Jan Rehmann und Mario Candeias geantwortet:
Rehmann: Verbindende Partei oder Zurück zum „Bewegungskrieg“? [2]
Candeias: Eine Situation schaffen, die noch nicht existiert [3]

 

Der Artikel ist in Heft 1/2013 erschienen.