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»… echtes Umsteuern in der Wohnungspolitik, darum geht es«.

Mit Katrin Lompscher

Gespräch über Mieterproteste, Wohnungsneubau und soziale Stadtentwicklung

Im letzten Jahr haben Zehntausende gegen den Mietenwahnsinn auf dem Berliner Wohnungsmarkt demonstriert. Schmerzt so eine Demonstration, wenn man Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen ist?

Ich war selbst auch bei dieser Demo, die meisten haben sich erfreut gezeigt, mich dort zu sehen. Ich habe mich über die große Beteiligung gefreut, zumal an dem Tag ja echtes Schietwetter war, wie wir uns erinnern.

Wie ist dein Verhältnis zu den Mieterinitiativen?

In Berlin gibt es immer wieder neue Mieterinitiativen, sodass ich gar nicht alle kenne. Insofern kann ich nicht generell sagen, wie mein Verhältnis zu den Mieterinitiativen ist. Mit den Gruppen, die seinerzeit den Mietenvolksentscheid vorangetrieben haben, wie Kotti & Co, gibt es einen andauernden, konstruktiven Dialog. Gleichzeitig sind wir uns auch unserer unterschiedlichen Rollen bewusst. Bei den Initiativen gibt es häufig weitergehende Vorstellungen davon, was ich als Senatorin alles tun könnte, als dann unter den gegebenen Rahmenbedingungen real möglich ist. Aber das hält uns nicht davon ab, im Gespräch zu bleiben. Das ist nicht zu unterschätzen. Ich würde es als eine Art politischer Arbeitsteilung begreifen. Schließlich hat die mietenpolitische Bewegung auch dazu beigetragen, dass es überhaupt eine LINKE Stadtentwicklungssenatorin gibt.

Wie war das zum Beispiel in der Karl-Marx-Allee, wo der Berliner Senat Anfang des Jahres Hunderte Wohnungen per Vorkaufsrecht rekommunalisiert und dem Immobilienkonzern Deutsche Wohnen quasi »weggeschnappt« hat?

Ein sehr schönes Beispiel. Ohne den Mieterbeirat, der großen Respekt unter den Mieter*innen dort genießt, wäre das Vorhaben nicht erfolgreich gewesen. In dieser speziellen Situation hing es davon ab, dass die Mieter*innen mitziehen, denn formal müssen sie das Vorkaufsrecht ausüben, das ihnen bei der damaligen Privatisierung der Wohnung zugesprochen wurde. Das war nicht einfach. Insgesamt kann ich den Menschen in der Mieterbewegung, die sich hier viel Zeit nehmen, um sich nicht nur für die eigenen Interessen, sondern im Sinne einer sozialeren Stadt für andere einzusetzen, nur meinen höchsten Respekt aussprechen.

Mietrecht ist Bundesrecht, aktuell also eine Frage für die ungeliebte GroKo. Welche Stellschrauben gibt es eigentlich für mieterfreundliche Politik auf Landesebene?

Nicht ausschließlich, aber es stimmt, wir brauchen dringend ein soziales Mietrecht auf Bundesebene. Ein wesentliches Steuerungsinstrument sind die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die allerdings als eigenständige Unternehmen organisiert sind – teilweise in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft, was die Handlungsspielräume einschränkt. Mit ihnen haben wir eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, die soziale und wohnungswirtschaftliche Ziele festschreibt, die weit über die bundesgesetzlichen Regelungen hinausgehen. Sie setzt beispielsweise enge Grenzen für Mieterhöhungen und schreibt eine Quote von 50 Prozent sozialen Wohnungsbau fest. Auch dürfen Modernisierungskosten maximal mit 6 Prozent auf die Miete umgelegt werden und die Nettokaltmiete ist bei 30 Prozent des Haushaltseinkommens gedeckelt. Außerdem haben wir einen massiven Ausbau des öffentlichen Wohnungsbestands vereinbart. Derzeit gibt es 308.862 Wohnungen städtische Wohnungen in Berlin. Wir wollen bis 2026 auf 400.000 kommen. Und dann ist es natürlich so: Mit jeder rekommunalisierten Wohnung wächst das bundesweite Interesse an dem, was wir hier tun. Es wäre schön, wenn unser bisher recht erfolgreiches Experiment, für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklungspolitik und eine sozial orientierte Wohnungspolitik zu sorgen, weiter an Ausstrahlungskraft gewinnen würde. Wir müssen das gesellschaftliche Klima und die Stimmung so drehen, dass es auch auf Bundesebene zu den notwendigen Änderungen kommt.

Derzeit wird ein sogenannter Mietendeckel diskutiert, also eine durch das Land Berlin festgelegte Mietobergrenze.

Die Idee ist charmant. Hierbei gilt es allerdings, komplizierte Rechtsfragen zu klären. Im Kern geht es darum, ob seitens des Bundes mit der Mietpreisbremse eine konkurrierende Gesetzgebung vorliegt. Kürzlich hat der Senat auf meinen Vorschlag hin verabredet, dass das Thema ressortübergreifend bearbeitet wird und Eckpunkte eines Gesetzentwurfs sowie ein Zeitplan bis zum Inkrafttreten eines Gesetzes durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen noch bis zur Sommerpause vorgelegt werden.

In Berlin heißt es manchmal, die Stadt habe 13 Bauminister, zwölf in den Bezirken und einen im Senat. Das spielt auf die zweigeteilte Berliner Verwaltung und die Macht der Bezirke an. Wie kompliziert ist das Verhältnis?

Der Ausspruch beschreibt die politische Realität und zugleich die Herausforderung. Jede Kommune in Deutschland hat mit ihrer Planungshoheit ein wichtiges Steuerungsinstrument für die soziale Stadtentwicklung in der Hand. Denn ohne Bebauungspläne gibt es keine Verträge, in denen beispielsweise förderfähiger Wohnraum oder die Finanzierung von Kitas und Schulen festgelegt werden. Diese kommunalen Aufgaben werden in Berlin überwiegend von den Bezirken wahrgenommen. Eine zielgerichtete Zusammenarbeit mit den Bezirken ist deshalb eine wichtige Grundlage für uns, aber eben nicht immer konfliktfrei. Ohne die Bezirke kann der Senat nicht und ohne den Senat können die Bezirke nicht. Auch mit den Bezirken habe ich deshalb Kooperationsvereinbarungen geschlossen: mit jedem Bezirk einzeln. Dass der Senat Bebauungspläne gelegentlich auch mal an sich zieht, weil etwa der Anteil an Sozialwohnungen zu gering ist, deren Bau aber einheitlich vorgegeben ist, oder weil ein Vorhaben gesamtstädtisch bedeutsam ist, gehört auch dazu. In diesem Jahr haben wir zusätzlich eine neue Idee umgesetzt: eine Stadtbaukonferenz. Hier haben wir die Themen Bauen und Planen sowie damit verbundene Fragen nach Hemmnissen, Blockaden und Lösungsansätzen in einem neuen Format ergebnisorientiert besprochen. Ein erster Aufschlag, dem weitere folgen werden, so auch die Resonanz der Bezirke.

2021 endet die Legislatur. Wie fällt deine Halbzeitbilanz aus?

Die Koalition hat versprochen in der Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik grundlegend umzusteuern. Das tun wir real, und es sind auch erste Erfolge dessen zu sehen. Die Stadt war nicht vorbereitet auf das massive und auch für die Zukunft prognostizierte Wachstum. Wir haben die städtischen Planungsgrundlagen aktualisiert und werden die Pläne in Kürze beschließen. Wir haben die neue Institution ‚Wohnraumversorgung Berlin’ aufgebaut, ein direktes Resultat des Mietenvolksentscheids. Und mit der Karl-Marx-Allee oder dem Kosmos-Viertel gibt es gute Beispiele dafür, dass Rekommunalisierung und Kommunalisierung hohe Priorität haben. Wir treiben diese mit allen Mitteln, rechtlich, planerisch und finanziell voran. Natürlich bewegen wir uns dabei auch in einem engen Korsett: Zu den gegenwärtigen Preisen können wir nicht die ganze Stadt zurückkaufen, auch wenn das ein schöner Slogan ist. Was wir im gegebenen Rahmen tun können, das machen wir sehr konsequent. Und ich sehe, dass das auch Wirkung zeigt.

Das war jetzt doch etwas bescheiden. Du könntest doch noch einige ganz konkrete Erfolge nennen, etwa dass öffentliches Land nur noch in Erbbaurecht vergeben wird, also nicht mehr privatisiert wird.

Ja, das stimmt, das ist mittlerweile bis auf ganz wenige Ausnahmen die Praxis und soll auf Vorschlag der LINKEN auch per Gesetz festgeschrieben werden. Außerdem übernehmen wir inzwischen die Kosten für einen Mietrechtsschutz für Menschen, die Hartz IV oder Grundsicherung beziehen, und es gibt in allen Bezirken eine kostenlose offene Mieterberatung. Das ist nicht zu unterschätzen. Auch haben wir das Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum verschärft. Dabei ist es besonders wichtig, dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Stadt auch im Wachstum funktioniert: dass wir planerisch und infrastrukturell einen Zuwachs an Wohnraum, Gewerbe, Infrastruktur gut und auch in überschaubaren Zeiträumen realisieren können. Wo wir Einfluss haben, wirken wir bremsend auf die Mietpreisentwicklung ein, sei es über den Milieuschutz, sei es über Kooperationsvereinbarungen mit den städtischen Wohnungsunternehmen oder über bundesrechtliche Initiativen, die an dem einen oder anderen Punkt durchaus erfolgreich sind.

Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass es bis 2021 55.000 neue Wohnungen in öffentlicher Hand geben soll, 25.000 durch Ankauf, 30.000 durch Neubau. Seit deinem Antritt werfen dir die Immobilienwirtschaft und Teile der SPD vor, den Neubau zu vernachlässigen. Warum?

Das ist eine interessante Auseinandersetzung, weil eigentlich allen klar sein müsste, dass wir Bestand und Neubau gleichermaßen und gleichzeitig Aufmerksamkeit schenken müssen. Was immer wir neu bauen, wird nur ein Bruchteil dessen sein, was wir schon haben, und deshalb können wir eine soziale Stadtentwicklung natürlich nur dann sicherstellen, wenn wir auch die Mieten im Wohnungsbestand im Blick haben. Was den Neubau und den kommunalen Besitz angeht, beschäftigen wir uns mit drei Themen: Wohnungen, die noch aus den Resten der alten Berliner Bankgesellschaft stammen. Wir sprechen also über die Berlinovo, eine landeseigene Verwaltungsgesellschaft, die derzeit ca. 20.000 Wohnungen bewirtschaftet. Diese Wohnungen gelten nicht im klassischen Sinne als kommunal, weil sie den früheren Fondsregeln unterliegen und dort Gewinnmaximierungsansprüche bestehen. Wir werden sie aus diesem Rechtsrahmen herauslösen, um sie für eine soziale Wohnraumpolitik verfügbar zu machen. In den genannten Zielzahlen sind sie schon enthalten. Der übrige Zuwachs soll für 30.000 Wohnungen durch Neubau und für 10.000 durch Ankauf realisiert werden. Das ist kompliziert, weil Bauprojekte zunehmend schwerer zu realisieren sind: Es gibt weniger Akzeptanz für solche Projekte in den jeweiligen Nachbarschaften, die Bodenpreise sind enorm hoch, gleiches gilt für die Baupreise und die notwendigen Infrastrukturen sind oft nicht vorhanden. Wir versuchen all das Schritt für Schritt anzugehen und können relativ sicher sagen, dass wir bis 2021 diese 30.000 Wohnungen entweder fertiggestellt haben oder sie sich im Bau befinden werden. Für Letztere werden wir genau begründen können, warum es zu Verzögerungen kam.

Das Problem dieser Diskussion um Zahlen ist, dass sie die konkreten Bedingungen, unter denen bestimmte Ziele zu erreichen sind, außer Acht lässt – und die Hürden bestehen großteils im politischen Raum. Da sind wir wieder beim Zusammenspiel von Senat und Bezirken und zwischen verschiedenen Ressorts, entsprechend muss man daran auch politisch arbeiten. Und was das Ankaufsziel von 10.000 Wohnungen angeht, gibt es andere Probleme, etwa dass die bundeseigene BIMA dem Land Berlin nun doch keine Wohnungen verkaufen möchte. Wir werden das Ziel trotzdem erreichen und voraussichtlich übertreffen, indem wir das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten konsequent ausüben und große Portfolio-Ankäufe im Rahmen von Fondsumschichtungen im alten Westberliner sozialen Wohnungsbau realisieren, wie etwa beim Pallasseum in Schöneberg. Anders lässt sich das – angesichts der Bodenpreis- und Kaufpreisentwicklungen im Immobiliensektor – auch immer weniger wirtschaftlich machen.

Die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« stellt sich genau diesem Problem und DIE LINKE unterstützt dies. Zwischenzeitlich hat selbst der Regierende Bürgermeister laut darüber nachgedacht, die 2004 verkauften GSW-Wohnungen zu rekommunalisieren. Das wären 66.000 Wohnungen. Wie stehst du dazu?

Mit der Deutschen Wohnen haben wir vielfältige Konflikte. Einer besteht darin, dass sie den Mietspiegel konsequent nicht anerkennt. Sie ist damit bis vor das Landesverfassungsgericht gezogen, hat dort allerdings eine Niederlage erlitten. Andererseits gibt es einige Beispiele, wo es im Zusammenwirken von Mieterinitiativen, Stadtöffentlichkeit, Bezirk und Senat zu Vereinbarungen kam, die eine sozialverträgliche Modernisierung sicherstellen sollen. Da stellt sich die Frage, ob die Deutsche Wohnen bereit wäre, so etwas auch auf Landesebene mit dem Senat zu verabreden. Meine Zuversicht ist begrenzt, aber ich halte es für wichtig, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen.

Was das Volksbegehren angeht, stehen wir ganz am Anfang. Die Initiative hat eine wichtige Diskussion angestoßen: Die haltlose Profitmacherei mit Wohnraum wird breit kritisiert und die Pflicht der öffentlichen Hand, hier notfalls auch Eigentumsrechte einzuschränken, findet immer mehr Zustimmung. Das ist ein echter Fortschritt. Konkret haben wir einen langen Weg vor uns: Mittlerweile scheint klar zu sein, dass auf der Grundlage des Artikels 15 Grundgesetz ein neues Gesetz auf den Weg gebracht werden kann, dass Vergesellschaftung ermöglicht und regelt. Gleichzeitig ist klar, dass die Immobilienwirtschaft dagegen bis in die höchsten Instanzen klagen wird. Es ist also ein langfristiges Projekt. Wer aber glaubt, dass wir jetzt einfach alles zum Marktpreis zurückkaufen und damit ein solches Gesetz überflüssig machen können, irrt, denn die Preise haben sich ja inzwischen vervielfacht. Da würde Berlin ganz schnell an seine finanziellen Grenzen stoßen.

Das wäre dann mit einer Enteignung anders, dann müsste man ja nicht den Marktpreis zahlen.

Das kommt auf die gesetzlichen Regelungen an. Hier könnte man zum Beispiel den Bewirtschaftungsaufwand als Kriterium zugrunde legen, dieser liegt natürlich weit unter der heutigen Marktmiete. Oder man könnte den Ertragswert zum Maßstab nehmen, da werden die derzeit erzielten Mieten und nicht die künftig erzielbaren Mieten für die Wertermittlung herangezogen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten und ich sehe da noch viel Diskussionsbedarf. Klar ist jedoch, dass kein Ausgangspunkt auf Entschädigung zu Marktwert orientiert.

Auf Initiative der LINKEN wurde das Zweckentfremdungsverbot verschärft. Das Gesetz sieht bei spekulativem Leerstand sogar Beschlagnahmung vor, um den Wohnraum für Mieter*innen nutzbar zu machen. Wann wird in Berlin beschlagnahmt?

Beschlagnahme ist eine Regelung des allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsrechts, also des Polizeirechts. Beschlagnahmungen hat es in Berlin bereits gegeben, um Flüchtlinge unterzubringen. Im Zweckentfremdungsgesetz haben wir geregelt, dass wir die Maßnahmen, die nötig sind, um zweckentfremdete Wohnungen wieder verfügbar zu machen, auch durch einen Treuhänder statt durch den Eigentümer durchführen lassen können. Die Kosten werden diesem dann in Rechnung stellt. Das setzt allerdings voraus, dass der Eigentümer in einem Verwaltungsverfahren nachweislich nicht kooperationsfähig oder -willig ist. Das heißt, wird können diese Treuhänderregelung in Einzelfällen nutzen, wenn klar ist: Der Eigentümer kann oder will seiner Verantwortung für eine Immobilie nicht gerecht werden.

Fällt das Thema illegale Ferienwohnungen, Airbnb und deren Kontrolle auch in die Zuständigkeit der Senatsverwaltung?

Die Regelung hierzu ja, die Umsetzung liegt bei den Bezirken. Da wir die ministerielle Verantwortung für das Gesetz zur Bekämpfung der Zweckentfremdung von Wohnraum haben, interessiert uns natürlich, wie die Bezirke damit umgehen. Mit dessen Einführung sind bei den Bezirken 60 zusätzliche Stellen für die Kontrolle und Ahndung von Verstößen geschaffen worden. Einige Bezirke könnten konsequenter sein. Gerichtsverfahren gegen Airbnb waren in Berlin bislang erfolglos. Aber das ist ein Lernprozess. Wir werden auch in Berlin in den Verfahren und auf dem Rechtsweg alles unternehmen, um Airbnb an die Einhaltung seiner Pflichten zu binden.

Das Gespräch führte Moritz Warnke. Er arbeitet seit März 2019 als Referent für Soziale Infrastrukturen am Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Dieser Beitrag ist der Auftakt zum Thema Wohnungspolitik, das im Zentrum der LuXemburg 2/2019 stehen wird.