| Kämpfe um Uran in Niger

März 2012  Druckansicht

von Hamadou Tcherno Boulama

Der Niger ist nach Kanada und Australien der drittgrößte Uranproduzent weltweit. Die ersten Uranvorkommen wurden 1969 in den Gebirgsregionen im Norden des Landes entdeckt. Die hier lebende Bevölkerung hat bereits mehrfach zu den Waffen gegriffen um sich gegen die Bedingungen unter denen die Uranförderung vom multinationalen Konzern Avera betrieben wird, zu Wehr zu setzen. Der Erzabbau erfolgt auf der Grundlage von Geheimverträgen, die Frankreich den Löwenanteil der Gewinne garantieren. Sie gehen auf ein am 24. April 1961 in Paris unterzeichnetes Schutzabkommen zurück, in dem sich das „Mutterland“ ein Mitspracherecht bei der Nutzung der Erzvorkommen und Energieressourcen seiner Exkolonie sichert. 1967 wurde es durch ein Protokoll ergänzt, das Frankreich ein Vorkaufsrecht für den nigerischen „Yellowcake“ zusicherte. Erst 2007 erlangte  Niger, dank der Unnachgiebigkeit des damaligen Präsidenten Mamadou Tandja, das Recht 300 Tonnen Uranerz frei auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren bereits 100.000 Tonnen Uran gefördert worden. Von den Gewinnen in Höhe von 3,8 Milliarden Euro, erhielt Niger lediglich 445 Millionen.

Areva beutete unter höchst umstrittenen Bedingungen 40 Jahre lang als Quasimonopolist die Uranvorkommen aus. Die Arbeiter wurden jahrzehntelang nicht über die Gefahren, die von der Strahlung ausgehen, aufgeklärt. Die Forderungen der Bevölkerung nach einer Offenlegung der Geheimverträge und einer Begrenzung der durch den Uranabbau verursachten sozialen und ökologischen Schäden liefen ins Leere. Eine Initiative für eine parlamentarische Untersuchungskommission zu den Abbaugenehmigungen scheiterte 2009 in der Nationalversammlung. Immer mehr Stimmen in In- und Ausland prangern die, unter Beteiligung der lokalen Eliten betriebene, organisierte Plünderung der Nationalvermögen an. Schätzungen der Zivilgesellschaft zu Folge sind die aus der Uranförderung stammenden Gewinne nichts im Vergleich zu den Kosten die durch Umweltzerstörung und Kapitalflucht entstehen. Während Areva einen Jahresumsatz von mehr als 13 Milliarden Euro erwirtschaftet, liegt das Bruttoinlandsprodukt des Staates Niger bei nur 2,7 Milliarden Euro. Die nigrische Bevölkerung lebt alltäglich die Paradoxie eines Landes, dass als drittwichtigster Uranproduzent der Welt den letzten Platz des Human Development Index einnimmt.

Im Laufe der Jahre ist der Ruf nach einer Teilhabe an den Gewinnen des Uranabbaus lauter geworden und wurde von den Anwohnern teilweise mit Waffengewalt eingefordert. Andere Teile der Bevölkerung haben einen friedlichen Weg gewählt: in der Region Agadez organisiert die Vereinigung Aghirin Iman unter Führung des Areva-Mitarbeiters Almoustapha Alhacen seit 2000 zivilen Widerstand gegen den Konzern. Mit seiner Initiative blieb Alhacen nicht lange allein. Als die diplomatische Krise zwischen Niamey und Paris um die Neuaufteilung der Anteile an den Mienengesellschaften und die Erhöhung des Uranpreises unter Präsident Tandja 2007 ihren Höhepunkt erreichte, entstand eine mächtige nationale Bewegung. Die kleine Verbesserung zugunsten Nigers wäre ohne die starke Mobilisierung der Zivilgesellschaft nicht möglich gewesen. Diese führt seit 2001 eine intensive Kampagne um die Aufkündigung des kolonialen Vertrages, der den Niger seiner natürlichen Ressourcen beraubt, zu erreichen. Die Erinnerung an die riesige Demonstration, die die Bürger von Arlit, einer Stadt im Uranfördergebiet, organisierten, ist immer noch lebendig.

Der Kampf gegen die Rohstoffunternehmen wird heute durch das Netzwerk für Transparenz und Kontrolle des Staatsetats (le réseau des organisations pour la transparence et l’analyse budgétaire, ROTAB) und die Gruppe für Reflexion und Aktion für die nigrische Rohstoffindustrie (le groupe de réflexion et d’action pour les industries extractives au Niger, GREN) weitergeführt. Beide Vereinigungen entstanden aus der Dynamik der Kampagne >publiez ce que vous payez< (>Macht öffentlich, was ihr zahlt<). Vor der Gründung dieser beiden Vereinigungen leistete die von linken Intellektuellen und Globalisierungsgegnern ins Leben gerufene Organisation Alternative Espaces Citoyens (AEC, dt. Alternative Bürger-Räume) Pionierarbeit im Widerstand gegen Areva. Bevor die Debatte über die Transparenz im Uranabbau Schlagzeilen machte, ging AEC in die Offensive und formulierte drei Hauptanliegen für ihren Kampf gegen die Ausbeutung der Uranvorkommen durch Areva: Erstens sollten die Auswirkungen der kolonialen Verträge, die dem Niger durch die Franzosen aufgezwungen wurden, öffentlich angeprangert werden. Zwar generiere der Uranabbau Einnahmen für das Land, im Vergleich zu den enormen Gewinnen der Unternehmen seien diese jedoch gering, da der Staat ihnen weitgehende Steuerfreiheit einräume. AEC begann eine breite Medienkampagne, in deren Rahmen sie eine eigene Zeitung herausgab und drei Radiostationen betrieb, eine davon in der Region Agadez. Zweitens forderte AEC eine gerechte Nutzung der mit dem Bergbau erwirtschafteten Dividenden. AEC kämpfte für ein Ende der aus der Uranförderung entstandenen Rentenökonomie in der die Eliten des Landes die Einnahmen ohne Rücksicht auf die zukünftigen Generationen verschwenden. Um ihre Forderung durchzusetzen hat AEC landesweite Sensibilisierungs-Kampagnen organisiert.

Die abschließende Forderung betrifft den Umweltschutz in den Bergbauregionen und die Zusammenhänge, die zwischen den bewaffneten Konflikten und den Rohstoffvorkommen bestehen. Mit Hilfe von Runden Tischen und Pressearbeit hat AEC die Verbindung zwischen neuen Rohstofffunden durch die Bergbauindustrie, die mit der Enteignung und Vertreibung der lokalen Bevölkerung einhergehen, und der Bildung bewaffneter Rebellengruppen in diesen Regionen aufgezeigt. In Radiosendungen wurde auf die Trinkwasserverschmutzung und die verantwortungslose >Entsorgung< radioaktiver Abfälle durch Areva hingewiesen. Mit Vor-Ort-Reportagen, Bürgerforen im Radio, Kundgebungen und öffentlichen Zeugenaussagen der Anwohnern in den Bergbauregionen ist es AEC gelungen, ein Bewusstsein für die mafiösen Machenschaften des Konzerns zu schaffen: Areva steht für prendre, polluer et partir (nehmen, verschmutzen und verschwinden).

Nach dem Putsch im Februar 2010 betrieben AEC und ROTAB erfolgreich Lobbyarbeit gegenüber den Regierungsgremien und gesetzgebenden Organen der Militärregierung, die dazu führte, dass Bestimmungen für mehr Transparenz in der Rohstoffindustrie in die Verfassung aufgenommen wurden. Allerdings wird der Widerstand durch die in den Organisationen vorherrschende Korruption und die Kooptation ihrer führenden Köpfe geschwächt. Ein ehemaliger Rebellenchef ist jetzt Direktor der Minen von Imouraren.

 

Hamadou Tcherno Boulama ist einer der Gründer von Alternative Espaces Citoyens (AEC), Niger. Er ist Journalist und derzeit Vollzeitaktivist und Programmkoordinator bei AEC, die er auch auf dem Weltsozialforum vertritt. AEC setzt sich für eine soziale, solidarische und gerechte Gesellschaftsordnung ein und engagiert sich in Kampagnen für alternative Medienberichterstattung, die Erhaltung öffentlicher Infrastruktur, Demokratie und Menschenrechte.

Aus dem Französischen von Birgit Niederhafner und Louisa Prause