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Iran: Hält das Atomabkommen?

Von Ali Fathollah-Nejad

Während des US-Präsidentschaftswahlkampfs äußerte sich Donald Trump abschätzig über den Atomdeal mit Iran. Letzterer sei »der schlechteste Deal, der je ausgehandelt wurde«, den es zu „zerfetzen“ gelte (AlJazeera, 18.7.2017), so der damalige Kandidat der Republikaner. Er versprach, ihn als Präsident aufzulösen.

Unterdessen befand Irans Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Khamenei lobende Worte für Trump, weil er einerseits die Wahrheit über die Verhältnisse in seinem Land ausspreche und weil er andererseits das wahre Gesicht der USA offenbare. Andere Offizielle, wie der Vizechef des Parlaments, Ali Mottahari, begrüßten Trumps Wahlsieg wegen seiner konzilianten Haltung gegenüber Syrien und Russland (Iran-Journal, 9.11.2016 [1]).

Im ersten Halbjahr von Trumps Amtszeit schienen Befürchtungen, er würde den Atomdeal aufkündigen, als grundlos – ganz nach dem Motto »Hunde, die bellen, beißen nicht«. Erst im April und dann noch einmal im Juli hatte der US-Präsident  bestätigt, dass Iran sich an das Abkommen halte. Im Mai hatte Trump auch die Aussetzung der Sanktionen verlängert. Der US-Präsident soll dem Kongress nun alle 90 Tage mitteilen, ob Iran seinen Verpflichtungen nachgekommen ist oder nicht und ob somit die auf das Atomprogramm bezogenen Sanktionen weiterhin ausgesetzt werden sollen (im Folgenden als Überprüfung bezeichnet). Damit war der Unterschied zwischen Trump’scher Rhetorik und tatsächlicher Politik greifbar. Doch wegen der prinzipiell ablehnenden Haltung des Präsidenten gegenüber dem Iran-Deal wurde die nächste Überprüfungsrunde im Oktober weltweit mit Spannung erwartet.

Undurchsichtige US-Außenpolitik: Kaltgestelltes Außenministerium und Gefahren eines Trump-Alleingangs

Die ersten Monate von Trumps Amtszeit waren jedoch von Zerwürfnissen in der Frage des Umgangs mit dem Iran-Atomdeal geprägt. Die Iran-Politik der Trump-Regierung werde gerade noch entwickelt, so Außenminister Rex Tillerson Mitte Juni 2017 bei einer Anhörung im US-Repräsentantenhaus. Schlussfolgerungen zur zukünftigen Iran-Politik der USA sind zwar nicht abschließend möglich,[1] [2] doch kann man bereits die verschiedenen Lager in der Iran-Frage identifizieren.

Zunächst lohnt ein Blick auf die Gesamtlage der US-Außenpolitik unter Trump. In einem wohl einmaligen Akt wurde unter der Trump-Administration das Außenministerium marginalisiert, was seine Rolle in der US-Außenpolitik merklich geschmälert hat: Hohe Beamtenstellen (nicht zuletzt auch jene für den Nahen und Mittleren Osten) wurden nicht besetzt, Karrierediplomaten wurden von Entscheidungsprozessen ferngehalten, was die US-Diplomatie in eine beispiellose Krise manövriert hat. Vorrang hingegen hatten in der Außenpolitik das Weiße Haus (einschließlich Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und Tochter Ivanka) und das Pentagon.

Innerhalb des Außenministeriums selbst hat Tillerson den – mit ihm vertrauten Beratern besetzten – Policy Planning Staff ermächtigt und somit traditionelle Entscheidungsprozesse mithilfe hoher Beamter untergraben. Von der Bildung eines »Mini-Imperiums« ist da die Rede.[2] [3] Tatsächlich haben die Spannungen zwischen Trump und Tillerson längst größere Bedeutung erlangt. Für große Aufmerksamkeit sorgte Anfang Oktober 2017, dass Tillerson Trump womöglich als „Trottel“ bezeichnet hatte, woraufhin dieser ihn ernsthaft zu einem vergleichenden IQ-Test aufforderte. Jedoch konnten schon Anfang Juni in der Katar-Krise sich deutlich widersprechende öffentliche Aussagen von Trump und Tillerson beobachtet werden, weshalb Insider Tillerson bereits Unzufriedenheit mit seiner Rolle als Außenminister attestieren (Gramer et al. 2017).

Die Überprüfungsrunde im Juli

Bei der letzten Überprüfung des Atomdeals im Juli wurde von einer hitzigen Auseinandersetzung zwischen dem Präsidenten und seinem Außenminister berichtet. Trump warf Tillerson und dem Außenministerium vor, dass ihm entgegen seinen anderslautenden expliziten Vorgaben lediglich eine einzige Option auf den Tisch gelegt worden sei, wonach der Iran-Deal weiterhin als erfüllt zu betrachten ist. Trump wolle aber auch eine Option angeboten bekommen, wodurch er erklären könne, dass Teheran nicht im Einklang mit den Vertragsabsprachen sei. Bei der vorherigen Überprüfungsrunde im April hatte Trump Tillerson aufgefordert, spezifische Vorbereitungen zu treffen, darunter mit ausländischen Bündnispartnern zu sprechen, um sie ins Boot zu holen. Berichten zufolge kam Tillerson dieser Aufforderung jedoch nicht nach, was Trumps Vertrauen in den Außenminister massiv schmälerte, zumal er von ihm nicht mit den gewünschten Optionen ausgestattet wurde.

Berichten zufolge waren in der Juli-Sitzung v.a. Steve Bannon, damaliger Chefstratege des Weißen Hauses, und Sebastian Gorka, stellvertretender Assistent des Präsidenten, besonders entschieden und forderten Tillerson mehrmalig auf, die Vorteile einer Zertifizierung für die Nationale Sicherheit der USA zu erklären. Die Antworten bzw. Nicht-Antworten des Außenministers hätten demnach Trump erzürnt. Neben dem Außenministerium ist aber auch der Nationale Sicherheitsrat verantwortlich dafür, über die Politikgestaltung zu wachen sowie verschiedene Optionen für den Präsidenten vorzubereiten (Vgl. z.B. Tharoor 2017).

Bei der Überprüfungsrunde im April hatte Trump zwar noch sein Einverständnis erklärt, paarte dies jedoch mit der Auferlegung neuer Sanktionen gegen Iran wegen dessen Aktivitäten im nicht-nuklearen Bereich, v.a. wegen des Raketenprogramms, der Schnellboote im Persischen Golf (vgl. U.S. Central Command, 4.08.2017 [4]) und der Unterstützung des »Terrorismus«.

Die Lager in der Iran-Frage

Berichte aus jenen Überprüfungsrunden sowie öffentliche Statements erlauben bereits, verschiedene Lager in der Iran-Frage zu identifizieren. Grob können diese in Befürworter und Gegner des Iran-Deals unterteilt werden.

Auf der einen Seite gelten neben Außenminister Tillerson der Verteidigungsminister James Mattis, der Nationale Sicherheitsberater General H.R. McMaster sowie der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs General Joseph Dunford als Unterstützer des Deals. Ende Juli wurde berichtet, dass McMaster Derek Harvey, den Leiter für Nah-/Mittelost-Angelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat, der Irans regionale Rolle besonders negativ sah, von seinem Posten enthob (Sanger 2017).

Auf der anderen Seite steht neben Präsident Trump auch CIA-Direktor Mike Pompeo dem Deal ablehnend gegenüber. So sprach sich der frühere Kongress-Abgeordnete gegen die Bestätigung des Atomdeals aus. Laut regierungsnahen Kreisen schlug Pompeo zuletzt vor, dass der Kongress sich des Deals annehme, um früher oder später das Abkommen zu Fall zu bringen. Trumps scharfe Iran-Rhetorik hingegen soll innen- und außenpolitische Skeptiker des Deals (v.a. Saudi-Arabien, aber auch Israel) beschwichtigen. Wenn es nach ihm persönlich ginge, wäre der Deal längst zusammengebrochen. Ende Juli erklärte Trump gegenüber dem Wall Street Journal vom 25.07.2017: »If it was up to me, I would have had them [the Iranians, Anm.d.Verf.] non-compliant 180 days ago.«. Zudem befürwortet dieses Lager neue Sanktionen aufgrund von iranischen Aktivitäten im nicht-nuklearen Bereich.

Zwar versuche Tillerson, laut einem ranghohen Beamten des Außenministeriums, »ein Gegengewicht zu den Hardlinern zu sein, um den Atomdeal zu retten«, doch bliebe offen, wie lange er dies durchhalten kann (Winter et al. 2017).

Das verfrühte Gerede zur Rückkehr einer »Regime Change«-Politik

In jüngster Zeit hat wieder das Gerede von einer US-Politik des Regime Change gegenüber Iran Konjunktur erfahren. Die Indizien allerdings sind nicht so eindeutig, wie manche Analysten leichtfertig behaupten. Tillerson sagte zwar in der oben genannten Anhörung: »Die US-Politik ist darauf ausgelegt, unter Bezug auf Elemente innerhalb Irans einen friedlichen Übergang der Regierung zu bewirken.« Dies führte zu wilden Spekulationen, dass die Bush/Cheney-Ära mit der damaligen Bereitstellung von Hunderten von Millionen US-Dollar für »Regime Change«-Zwecke (vgl. Fathollah-Nejad 2007) vor der Tür stünde (vgl. von Hein 2017). Trotz beunruhigender Tendenzen unterscheidet sich jedoch die gegenwärtige Lage von jener vor 15 Jahren: Weder wurde eine »Regime Change«-Politik samt der direkten militärischen Drohungen und der Bereitstellung der genannten Gelder konkret in Angriff genommen, noch ist Irans mittlerweile stark gewachsener Einfluss in der Region vergleichbar.

Zwar häufen sich Rufe nach einem Regime Change aus sicherlich einflussreichen Kreisen (wie zum Beispiel durch den Iran-Experten des Council on Foreign Relations, Ray Takeyh). Diese sind dennoch nicht unbedingt dominant. Der Ausgang der Iran-Politik-Debatte bleibt darum schwer vorhersehbar.

Das verfrühte Gerede vom Regime Change ist in jedem Fall eine Zumutung für die iranische Zivilgesellschaft. Deren Räume werden hierdurch wieder enger geschnürt, wenn das Regime etwa mit Verweis auf alarmistische westliche Berichterstattungen, die im Kern durch wirtschaftliche Interessen getrieben sind, eine angebliche äußere Gefahr zur Forcierung der Repression nach innen ausnutzt.[3] [5]

Zukunft des Atomdeals auf tönernen Füßen: Welche sind die neuralgischen Stellen?

Wegen seiner Unzufriedenheit mit Tillerson bildete Trump nach der Juli-Überprüfungsrunde ein Team von Vertrauten im Weißen Haus, um das Außenministerium in der Iran-Frage zu umschiffen und um ihn bei der nächsten 90-Tage-Überprüfung im Oktober mit der Möglichkeit zu versehen, Iran als vertragsbrüchig zu bezichtigen (Winter et al. 2017).

Im Folgenden sollen einige neuralgische Punkte des Atomdeals aufgezählt werden.

US-Strategie der »radikalen Umsetzung«

Die USA könnten den so genannten Spot-inspections-Mechanismus (sprich: kurzfristig angesetzte Inspektionen) des Deals nutzen, um Zugang zu Irans Militäranlagen einzufordern. Sobald Teheran dagegen protestieren sollte, zumal der Mechanismus nur im Falle greifbarer Beweise vorgesehen ist, dass jene Anlagen für unzulässige atomare Aktivitäten genutzt werden, könnte Trump in die Lage versetzt werden, Iran Vertragsbruch vorzuwerfen. Laut einem Bericht der New York Times Ende Juli sei bereits die Grundlage für eine Strategie der »radikalen Umsetzung« des Deals gegeben. So nannte es der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Senats, der Republikaner Bob Corker. »Falls sie [die Iraner, Anm.d.Verf.] uns nicht hereinlassen, [dann] Boom.« Ziel sei es, den Zusammenbruch des Deals Iran in die Schuhe zu schieben, damit es zu keiner Spaltung zwischen den USA und ihren am Atomdeal beteiligten Bündnispartnern kommt.

Trump zeige sich zuversichtlich, dass Iran im Oktober eine Verletzung des Abkommens angekreidet werden könne (Sanger 2017).

Zugang zu Irans Militäranlagen

Die USA fordern derweilZugang zu Irans militärischen Anlagen, um eine iranische Reaktion zu provozieren, die ihren Rückzug vom Deal legitimieren könnte. Im Vorfeld ihres Besuchs bei der IAEA in Wien, um deren Inspektionsregime in Iran zu diskutieren, sagte die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley, dass Teheran für »seine Raketenwerfer, Unterstützung des Terrorismus, Missachtung der Menschenrechte und Verletzungen von UN-Sicherheitsresolutionen« (Daniels 2017, Übersetzung des Verf.) zur Rechenschaft geozogen werden sollte Bei ihrem Treffen mit der IAEA, forderte Haley die Behörde auf, auch Irans militärische Anlagen zu inspizieren (Smith-Spark & El Sirgany 2017 [6]). Die IAEA ihrerseits lehnte diese Forderung prompt ab. Gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press erklärte IAEA –Direktor Yukiya Amano, dass seine Organisation Zugang zu allen Anlagen hätte, ohne „zwischen militärischen und zivilen Orten zu unterscheiden“. Denn im Atomdeal ist ein Mechanismus eingebaut, wonach die IAEA Zugang zu sensiblen Anlagen beantragen und sogar einfordern kann, falls fünf der sieben in der so genannten Gemeinsamen Kommsission vertreteten Vertragsunterzeichner dem zustimmen (Borger 2017).

Bislang gibt es jedoch keine Anzeichen dafür, dass die IAEA – anders als noch während des jahrzehntelangen so genannten Atomstreits – sich dem US-Druck beugen wird, zumal Washingtons Position von keinem der anderen Mitunterzeichner des Iran-Deals getragen wird. Tatsächlich ist die Erklärung der IAEA vom 30. Oktober, derzufolge, wie gesagt, der Iran seine Auflagen erfüllt habe, konsequent.

»Geist« des Atomdeals unterschiedlich interpretiert

Neben diesen politisch motivierten Schritten hin zu einem Zusammenbruch des Atomdeals gibt es aber auch eine Reihe von objektiven Aspekten, die dasselbe Ergebnis zeitigen könnten. Dazu gehören vor allem unterschiedliche Vorstellungen zum sogenannten Geist des Abkommens. Die Verletzung des Geistes des Abkommens allein hat jedoch keinerlei rechtliche Bewandtnis (Al Jazeera, 18.7.2017 [7]).

Dazu gehört auch die implizite Vorstellung, vor allem in den USA, infolge des Atomdeals werde es zu Kurskorrekturen des Iran kommen. Dort hieß es, dass die Unterzeichnerstaaten des Abkommens davon ausgehen (»anticipate«), dass die »vollkommene Implementierung dieses [Abkommens] sich positiv auf Frieden und Sicherheit regional und international auswirken werde« (EEAS 2015). Teherans Regionalpolitik war seit dem Abkommen in der Tat nicht mit diesen Zielen vereinbar.

Des Weiteren könnte die weithin ignorierte Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrates vom 20. Juli 2015 [8], die den Atomdeal aufgriff, eine wichtige Rolle einnehmen. Darin wird nämlich Iran »aufgefordert, bis zu dem Tag acht Jahre nach dem Tag der Annahme des Gemeinsamen umfassenden Aktionsplans oder bis zu dem Tag, an dem die IAEO einen Bericht vorlegt, der die breitere Schlussfolgerung bestätigt, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher liegt, keine Tätigkeiten im Zusammenhang mit ballistischen Flugkörpern durchzuführen, die dazu angelegt sind, Kernwaffen zum Einsatz bringen zu können, einschließlich Starts unter Verwendung von Technologie für solche ballistischen Flugkörper« (ebd.). Ob diese Aufforderung rechtlich bindend ist oder nicht, ist unter Experten umstritten. Dennoch besteht durchaus die Möglichkeit, dass neue Sanktionen mit der Fortführung des iranischen Raketenprogramms und damit einhergehenden Tests begründet werden könnten (Deutsche Welle, 30.3.2017 [9]).

Die EU und die USA pflegen jedoch unterschiedliche Lesarten, was die Frage nach dem Geist des Abkommens anbelangt. Europa sieht dessen Verletzung durch den Iran eher als punktuell und versehentlich an, während Washington darin eine Systematik sieht. Die Position Europas erklärt sich durch dessen Wirtschaftsinteressen gegenüber dem Iran (vgl. Cunnigham 2017).

Teheran seinerseits macht Washington für den Bruch des Geistes des Abkommens verantwortlich. Vor allem wirft die iranische Regierung den USA vor, sie würden die Aufhebung der Sanktionen ausbremsen. Zuletzt wurde Trump vorgehalten, am Rande des G20-Gipfels in Hamburg explizit Artikel 29 des Atomabkommens verletzt zu haben, indem er dort andere Länder aufrief, keine Geschäfte mit dem Iran zu betreiben (vgl. auch NIAC 2017).

Auswirkungen der US-Politik auf die europäische Iran-Politik: US- versus EU-Politik

Der Graben zwischen der Iran-Politik der EU einerseits und jener der USA andererseits bleibt erheblich. Während die EU-Staaten weiterhin am Annäherungskurs gegenüber Iran festhalten, verfolgt die US-Außenpolitik nunmehr eine Eindämmungspolitik gegenüber Iran (vgl. Fathollah-Nejad 2017b).

Derweil drohte der iranische Präsident Hassan Rohani im August bei einer Rede vor dem Parlament, das Atomprogramm in verstärkter Weise wieder aufzunehmen, falls die USA ihre Politik »der Sanktionen und des Zwangs« fortsetzten. Doch diese Drohung ist nicht besonders glaubwürdig (vgl. Hasselbach 2017). Denn immerhin hat das Regime in Iran durchaus vom Abkommen und seinen Folgen profitiert. Die Wiederbelebung der Wirtschaftsbeziehungen begünstigte allerdings ausnahmslos den autoritären Staat. Die Kritik aus dem Westen gegenüber der sich verschlimmernden Menschenrechtslage – Iran hält seit einigen Jahren den Weltrekord in puncto Exekutionsrate – verstummte.[4] [10] Der gesamte Annäherungsprozess ist getrieben von Europas Wirtschaftsinteressen. Diese sind derart groß, dass es ungeachtet der US-Politik weiterhin an diesem Prozess festhalten dürfte, der bereits Elemente der jahrzehntelangen, jedoch als gescheitert zu betrachtenden westlichen Nah- und Mittelost-Politik der »autoritären Stabilität« beinhaltet.

»Dezertifizierung« des Iran-Deals im Oktober und die Gefahr eines Kollapses im Januar

Am 13. Oktober verkündete US-Präsident Trump die »Dezertifizierung« des Iran-Deals, ohne jedoch Sanktionen wieder aufzuerlegen. Damit verlegte er die Verantwortung auf den Kongress. Dieser jedoch wird aller Wahrscheinlichkeit nach bis Dezember aufgrund anderweitiger Belange keine neuen Sanktionen gegen Iran beschließen. Hinsichtlich der nächsten «Review«-Runde Mitte Januar wird jedoch befürchtet, dass Trump nicht nur wieder eine »Dezertifizierung«, sondern Sanktionen wiederauferlegt (snap-back). Damit wäre der Iran-Deal de facto kollabiert, zumal Teheran in solch einem Falle Gegenmaßnahmen hinsichtlich der Wiederaufnahme des Atomprogramms angekündigt hat.

Literatur

Borger, Julian, 2017: Iran is adhering to nuclear deal limits, UN says, despite Donald Trump claim [11], in: The Guardian, 01.09.2017
Cunnigham, Erin, 2017: The United States and Europe are on a collision course over Iran [12], in: Washington Post, 14.7.2017
EEAS, 2015: Joint Comprehensive Plan of Action [13], 14.7.2015
Daniels, Jeff. 2017: ›Strong indications‹ Trump won’t recertify Iranian compliance with nuclear deal [14], CNBC, 25.08.2017
Fathollah-Nejad, Ali, 2007: Iran in the Eye of Storm: Backgrounds of a Global Crisis [online], in: Peace and Conflict Studies, Mai 2007

Ders., 2017a: Deutsche Iran-Politik jenseits des Atomdeals: Außen- und entwicklungspolitische Neujustierungen, in: Christian Mölling & Daniela Schwarzer (Hg.) Außenpolitische Herausforderungen für die nächste Bundesregerung: Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken [15], Berlin, (DGAPkompakt, Nr. 6, Sommer), 37–39
Fathollah-Nejad, Ali, 2017b: The Iranian–Saudi Hegemonic Rivalry [16], in: Iran Matters (a special research initiative of the Harvard Kennedy School Belfer Center’s Iran Project, Harvard University, Cambridge, MA), 25.10.2017

Gramer, Robbie/De Luce, Dan/Lynch, Clum, 2017: How the Administration Broke the State Department [17], in: Foreign Policy, 31.7.2017
Hasselbach, Christoph, 2017: Rohani-Rede »eine leere Drohung« [18], in: Deutsche Welle (DW), 18.8.2017

National Iranian American Council (NIAC), 2017: NIAC Statement on the Trump Administration’s Undermining of the JCPOA [19], Washington, 18. 7.2017

Sanger, David E., 2017: Trump Looks for Way to Find Iran in Violation of the Deal [20], in: New York Times, 28.7.2017
Smith-Spark, Laura/ El Sirgany, 2017: , Iran rejects US for UN nuclear watchdog to inspect more sites [6], CNN, 30.08.2017.
Tharoor, Ishaan, 2017: The U.S. and Iran are heading toward crisis [21], in: Washington Post (online), 19.7.2017

von Hein, Matthias, 2017: Regimewechsel in Teheran? [22], Deutsche Welle (DW), 17.6.2017

Winter, Jana/ Gramer, Robbie/ De Luce, Dan, 2017: Trump Assigns White House Team to Target Iran Nuclear Deal, Sidelining State Department [23], in: Foreign Policy, 21.7.2017

Anmerkungen

[1] [24] Was die gesamte Ausrichtung der US-Außenpolitik betrifft, so sehen manche Beobachter die Herausbildung einer Allianz zwischen Falken der Demokratischen Partei und den Neocons der Republikanischen Partei. Diese befürworte eine forschere US-Außenpolitik, v.a. gegenüber Russland, dem Assad-Regime in Syrien sowie der Islamischen Republik Iran, die einer neuen Tendenz des Isolationismus entgegentreten soll. Vgl. Katrina vanden Heuvel, The emerging unholy alliance between hawkish Democrats and neoconservatives [25], Washington Post, 08.08.2017.

[2] [26] Zu Tillersons Top-Berater*innen gehören vor allem seine Stabschefin Margaret Peterlin sowie sein Politikplanungsdirektor Brian Hook, ein Mainstream-Republikaner, der während der Bush/Cheney-Administration im Außenministerium und Weißen Haus arbeitete.

[3] [27] Zur Rolle kritischen Denkens in Zeiten der westlichen Annäherung an die Islamische Republik, vgl. die Diskussion mit und Vortrag von Hamid Dabashi, »Peace Utopias and War Interludes: What is Our Task in this Time of Rapprochement with Iran? [28]«, organisiert und moderiert vom Verfasser, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin, 25.11.2015.

[4] [29] Vgl. Ali Fathollah-Nejad, Westliche Iranpolitik: Wandel durch Handel? [30], Qantara.de: Dialog mit der islamischen Welt, 23.08.2017. Ausführlicher, vgl. ibid., Wandel durch Handel und Annäherung? Ernüchternde Bilanz und Lehren nach vier Jahren Rohani-Präsidentschaft in Iran, multipolar: Zeitschrift für kritische Sicherheitsforschung, Jg. 1, Nr. 2 [31], 75–82.