Der ›Sommer der Migration‹ ist einem Winter rassistischer Übergriffe gewichen und dieser einem Frühjahr, das uns zwischen humanitärer Katastrophe und Wahlerfolgen der AfD erstarren lässt. Wieder ist Griechenland der Schauplatz, an dem europäische Eliten versuchen, die EU autoritär zusammenzuhalten: Koste es, was es wolle. Die Bilder aus Idomeni stehen für eine Militarisierung der Grenzen und für den Zerfall der EU im Innern. Den Flüchtenden sollen sie Abschreckung sein. Genau wie die Asylpakete I & II und zuletzt der schmutzige Deal mit der Türkei. Eine Bearbeitung der Fluchtursachen wird nicht einmal versucht. Die Kanzlerin gibt sich weiter weltoffen, operiert aber mit schwacher politischer Legitimation. Erneut sollen technokratische Maßnahmen politische Probleme lösen: Regieren mit und im Ausnahmezustand. Das Gegenstück zur autoritären EU-Elite ist der grassierende Rechtspopulismus. Mit beidem einher geht eine Entleerung der Demokratie: In Osteuropa steht vielerorts der angebliche Volkswille (keine Flüchtlinge aufzunehmen) über dem Recht – dem nationalen wie dem europäischen. All das ist HART AN DER GRENZE.
Aber auch im emphatischen Sinne steht die Frage der Demokratie auf der Tagesordnung. Die massenhafte Solidarität mit den Geflüchteten hat in Deutschland beeindruckende Formen der Selbstermächtigung und vorsichtigen Demokratisierung von unten offenbart. Wie lassen sich die Willkommensinitiativen in Willkommensstrukturen verwandeln? Wie können aus den neuen solidarischen Praxen Ansätze für weiterreichende Organisierung im Alltag entstehen? Projekte, mit denen die Linke Glaubwürdigkeit erlangen und den Rechten den sozialen Boden ihres Erfolgs abgraben kann? LuXemburg 1/2016 analysiert nicht nur die neuen ›Regierungsweisen‹, sondern auch Konstellationen, die diesen etwas entgegensetzen.
Außerdem nehmen wir Debattenstränge der Konferenz »UmCare – für neue Strategien in Gesundheit und Pflege« auf: Wie können auch hier Alltagskämpfe im Feld sozialer Reproduktion das Terrain verschieben, Grenzen überwinden, zum Ausgangspunkt linker Organisierung werden?
LuXemburg 1/2016 ist erschienen. Das Heft kann hier [1] online gelesen und bestellt [2] werden.
Kostenlos Abonnieren [3]
Inhaltsverzeichnis
Vom Rechtsstaat zum Sicherheitsstaat [4]
Von Giorgio Agamben
Über Grenzen…
Bildstrecke: Walls – Muros [5]
Von Migueltxo Molina und Pablo Iraburu
Das europäische Grenzregime: Regieren im Ausnahmezustand [6]
Was die Troika-Politik mit Merkels Willkommenskultur zu tun hat
Von Bernd Kasparek
Neue Unberechenbarkeit [7]
Wie Migration das politische Feld polarisiert
Von Horst Kahrs
Die Geschichte der nach Europa Geflüchteten hat gerade erst begonnen [8]
Von Paul Mason
Gemeinschaftsunterbringung Geflüchteter? Eine falsch gestellte Frage! [9]
Von Henrik Lebuhn
Migration@Work [10]
Warum Geflüchtete für eineUnterschichtung des Arbeitsmarkts herhalten sollen
Von Peter Birke
Fluchtbekämpfung statt Fluchtursachenbekämpfung [11]
Wie die EU ihre Außengrenzen in Eritrea schützt
Von Maria Oshana
Rollback im Schnellverfahren [12]
Wie das Asylrecht weiter ausgehöhlt wird
Von Marei Pelzer
Post Colonia [13]
Von Massimo Perinelli
Alarm Phone Chat [14]
Was soziale Medien beitragen, um Flüchtende aus Seenot zu retten
Bildstrecke: Idomeni – Leben hart an der Grenze [15]
Von Fotomovimiento
… hinweg
Sicherheit: ein heißes Eisen für die Linke? [16]
Warum Angstfreiheit mehr sein muss als innere Sicherheit
Von Ingar Solty
Interview: »Wie wir das schaffen« [17]
Gespräch über Flüchtlinge und unsere Zukunft
Mit Bodo Ramelow
Offene Grenzen als Utopie und Realpolitik [18]
Wie die Linke in Migrationsfragen aus der Defensive kommt
Von Fabian Georgi
Interview: »›Helfen‹ ist in der gegenwärtigen Situation ein politisches Statement.« [19]
Gespräch über ›Willkommensinitiativen‹
Mit Tina Fritsche, Christoph Kleine und Daniel Tietze
Über den ›Sommer des Willkommens‹ hinaus (erscheint in Kürze)
Von Serhat Karakayali und Olaf Kleist
Flucht in die Rechtlosigkeit [20]
Warum Flüchtlinge das herrschende Verständnis von Menschenrechten und Nation infrage stellen
Von Ferdinand Muggenthaler
Der kälteste Sommer [21]
Von Electra Alexandropoulou und Aliki Kossyfologou
Medizinische Flüchtlingsversorgung als Nagelprobe für das Gesundheitssystem [22]
Von Viola Schubert-Lehnhardt und Anne Urschll
Umcare
Nicht im Gleichschritt, aber Hand in Hand [23]
Von Barbara Fried und Hannah Schurian
»We care« – Aber wer sind ›wir‹? [24]
Von Michael Zander
Die neue Kultur des Helfens [25]
Von Tine Haubner
Engagiert und ungehorsam [26]
Von Hanna Schuh
Interview: »In den nächsten Jahren werden wir Proteste sehen!« [27]
Von Katharina Schwabedissen
Vom bürgerlichen Liebesdienst zur ›Freiwilligenarbeit‹ für alle [28]
Von Gisela Notz
Aktion Ultimatum: ›Freiwillige‹ Leistungen bestreiken [29]
Von Hagen Klee und Nadja Schmidt
Altenpflege organisieren und (lokal)politisch Druck machen [30]
Von Mia Lindemann und Michael Zimmer
Sick of it all. Häusliche Pflege von Kindern mit Behinderung [31]
Von Dörthe Krohn
Eine andere Welt ist möglich – auch im Krankenhaus [32]
Kämpfe um Personalbemessung in den USA [32]
Von Marilyn Albert
Unterstützung auf Augenhöhe [33]
Warum es feministische und ermächtigende Angebote für Betroffene von sexualisierter Gewalt braucht
Von Ann Wiesental
INTERVIEW: »Mehr als Abwesenheit von Krankheit…« Ein Gespräch Über Lokale Gesundheitszentren als Orte politischer Praxis [34]
Mit Gesundheitskollektiv-Berlin
Lokale Gesundheitsversorgung anders machen: Das Sozialmedizinische Zentrum Liebenau (erscheint in Kürze)
von Christoph Pammer
Name der Zeit: Demokratie entgrenzen [35]
Von Mario Candeias
Neue Klassenpolitik
Wer hat Angst vor der Zukunft? [36]
Vom AutorInnenkollektiv Offene Universität Sarajevo
Interview:»Wir müssen im Alltag ansetzen« [37]
Mit David Harvey
Interview: Die Demokratie der Freien und Armen in Europa [38]
Mit Yanis Varoufakis
Der demokratische Aufstand [39]
Von Mario Neumann und Sandro Mezzadra
Vom sozialen Wert. Austeritätspolitik, Big Society und die Krise in Großbritannien [40]
Von Emma Dowling