| »HART AN DER GRENZE« – LuXemburg 1/2016

September 2016  Druckansicht

Der ›Sommer der Migration‹ ist einem Winter rassistischer Übergriffe gewichen und dieser einem Frühjahr, das uns zwischen humanitärer Katastrophe und Wahlerfolgen der AfD erstarren lässt. Wieder ist Griechenland der Schauplatz, an dem europäische Eliten versuchen, die EU autoritär zusammenzuhalten: Koste es, was es wolle. Die Bilder aus Idomeni stehen für eine Militarisierung der Grenzen und für den Zerfall der EU im Innern. Den Flüchtenden sollen sie Abschreckung sein. Genau wie die Asylpakete I & II und zuletzt der schmutzige Deal mit der Türkei. Eine Bearbeitung der Fluchtursachen wird nicht einmal versucht. Die Kanzlerin gibt sich weiter weltoffen, operiert aber mit schwacher politischer Legitimation. Erneut sollen technokratische Maßnahmen politische Probleme lösen: Regieren mit und im Ausnahmezustand. Das Gegenstück zur autoritären EU-Elite ist der grassierende Rechtspopulismus. Mit beidem einher geht eine Entleerung der Demokratie: In Osteuropa steht vielerorts der angebliche Volkswille (keine Flüchtlinge aufzunehmen) über dem Recht – dem nationalen wie dem europäischen. All das ist HART AN DER GRENZE.

Aber auch im emphatischen Sinne steht die Frage der Demokratie auf der Tagesordnung. Die massenhafte Solidarität mit den Geflüchteten hat in Deutschland beeindruckende Formen der Selbstermächtigung und vorsichtigen Demokratisierung von unten offenbart. Wie lassen sich die Willkommensinitiativen in Willkommensstrukturen verwandeln? Wie können aus den neuen solidarischen Praxen Ansätze für weiterreichende Organisierung im Alltag entstehen? Projekte, mit denen die Linke Glaubwürdigkeit erlangen und den Rechten den sozialen Boden ihres Erfolgs abgraben kann? LuXemburg 1/2016 analysiert nicht nur die neuen ›Regierungsweisen‹, sondern auch Konstellationen, die diesen etwas entgegensetzen.

Außerdem nehmen wir Debattenstränge der Konferenz »UmCare – für neue Strategien in Gesundheit und Pflege« auf: Wie können auch hier Alltagskämpfe im Feld sozialer Reproduktion das Terrain verschieben, Grenzen überwinden, zum Ausgangspunkt linker Organisierung werden?

LuXemburg 1/2016 ist erschienen. Das Heft kann hier online gelesen und bestellt werden.
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Inhaltsverzeichnis

Vom Rechtsstaat zum Sicherheitsstaat
Von Giorgio Agamben

Über Grenzen…
Bildstrecke: Walls – Muros
Von Migueltxo Molina und Pablo Iraburu

Das europäische Grenzregime: Regieren im Ausnahmezustand
Was die Troika-Politik mit Merkels Willkommenskultur zu tun hat
Von Bernd Kasparek

Neue Unberechenbarkeit
Wie Migration das politische Feld polarisiert
Von Horst Kahrs

Die Geschichte der nach Europa Geflüchteten hat gerade erst begonnen
Von Paul Mason

Gemeinschaftsunterbringung Geflüchteter? Eine falsch gestellte Frage!
Von Henrik Lebuhn

Migration@Work
Warum Geflüchtete für eineUnterschichtung des Arbeitsmarkts herhalten sollen
Von Peter Birke

Fluchtbekämpfung statt Fluchtursachenbekämpfung
Wie die EU ihre Außengrenzen in Eritrea schützt
Von Maria Oshana

Rollback im Schnellverfahren
Wie das Asylrecht weiter ausgehöhlt wird
Von Marei Pelzer

Post Colonia
Von Massimo Perinelli

Alarm Phone Chat
Was soziale Medien beitragen, um Flüchtende aus Seenot zu retten

Bildstrecke: Idomeni – Leben hart an der Grenze
Von Fotomovimiento

… hinweg

Sicherheit: ein heißes Eisen für die Linke?
Warum Angstfreiheit mehr sein muss als innere Sicherheit
Von Ingar Solty

Interview: »Wie wir das schaffen«
Gespräch über Flüchtlinge und unsere Zukunft
Mit Bodo Ramelow

Offene Grenzen als Utopie und Realpolitik
Wie die Linke in Migrationsfragen aus der Defensive kommt
Von Fabian Georgi

Interview: »›Helfen‹ ist in der gegenwärtigen Situation ein politisches Statement.«
Gespräch über ›Willkommensinitiativen‹
Mit Tina Fritsche, Christoph Kleine und Daniel Tietze

Über den ›Sommer des Willkommens‹ hinaus (erscheint in Kürze)
Von Serhat Karakayali und Olaf Kleist

Flucht in die Rechtlosigkeit
Warum Flüchtlinge das herrschende Verständnis von Menschenrechten und Nation infrage stellen
Von Ferdinand Muggenthaler

Der kälteste Sommer
Von Electra Alexandropoulou und Aliki Kossyfologou

Medizinische Flüchtlingsversorgung als Nagelprobe für das Gesundheitssystem
Von Viola Schubert-Lehnhardt und Anne Urschll

Umcare

Nicht im Gleichschritt, aber Hand in Hand
Von Barbara Fried und Hannah Schurian

»We care« – Aber wer sind ›wir‹?
Von Michael Zander

Die neue Kultur des Helfens
Von Tine Haubner

Engagiert und ungehorsam
Von Hanna Schuh

Interview: »In den nächsten Jahren werden wir Proteste sehen!«
Von Katharina Schwabedissen

Vom bürgerlichen Liebesdienst zur ›Freiwilligenarbeit‹ für alle
Von Gisela Notz

Aktion Ultimatum: ›Freiwillige‹ Leistungen bestreiken
Von Hagen Klee und Nadja Schmidt

Altenpflege organisieren und (lokal)politisch Druck machen
Von Mia Lindemann und Michael Zimmer

Sick of it all. Häusliche Pflege von Kindern mit Behinderung
Von Dörthe Krohn

Eine andere Welt ist möglich – auch im Krankenhaus
Kämpfe um Personalbemessung in den USA
Von Marilyn Albert

Unterstützung auf Augenhöhe
Warum es feministische und ermächtigende Angebote für Betroffene von sexualisierter Gewalt braucht
Von Ann Wiesental

INTERVIEW: »Mehr als Abwesenheit von Krankheit…« Ein Gespräch Über Lokale Gesundheitszentren als Orte politischer Praxis
Mit Gesundheitskollektiv-Berlin

Lokale Gesundheitsversorgung anders machen: Das Sozialmedizinische Zentrum Liebenau (erscheint in Kürze)
von Christoph Pammer

Name der Zeit: Demokratie entgrenzen
Von Mario Candeias

Neue Klassenpolitik

Wer hat Angst vor der Zukunft?
Vom AutorInnenkollektiv Offene Universität Sarajevo

Interview:»Wir müssen im Alltag ansetzen«
Mit David Harvey

Interview: Die Demokratie der Freien und Armen in Europa
Mit Yanis Varoufakis

Der demokratische Aufstand
Von Mario Neumann und Sandro Mezzadra

Vom sozialen Wert. Austeritätspolitik, Big Society und die Krise in Großbritannien
Von Emma Dowling