| Halle-Neustadt: Das Betriebssystem einer transformierten Stadt

Dezember 2019  Druckansicht
Von Peer Pasternack

Das derzeit gefeierte Jubiläum „100 Jahre Bauhaus“ weist eine Lücke auf. Es fei­ert die Prägungen des Designs und der Architektur, die heute noch als schick gelten. Abwesend im Jubiläumsprogramm ist das andere Erbe: die Ra­dikalisierung des Neuen Bauen in Gestalt von industriell errichteten Plattenbau­sied­lun­gen. Man könnte einwenden, dass in den Bauhaus-Jahren 1919 bis 1933 kein industrialisierter Großsiedlungsbau stattgefunden habe.Doch stünde diesem Einwand mindestens eines entgegen: Diese Form des Wohnungsbaus wur­de (auch) am Bauhaus vor­gedacht, etwa von Ludwig Hilbers­eimer, der dort seit 1929 Bauen und Pla­nen lehr­te.

Zwar blieb in der Ju­biläumsge­stal­tung 2019 das Neue Bau­en “an sich” nicht völ­lig unberücksich­tigt. Doch waren es allein Solitäre und Mu­stersied­lungen, de­­nen Aufmerksam­keit geschenkt wur­de. Die­se indes hatten technologisch und ge­­stal­te­risch den Grund auch für die Serienfer­tigung gelegt: die Priorität des rech­ten Win­kels, die Fensterbän­der, die Se­riali­tät auch in der Detailgestaltung, Funktions­tren­­nung und ra­­di­kale Funktionalität. Als sich in der DDR ab den 1950er Jahren das industrialisierte Bau­en durch­setz­­­te, waren es dann auch vor allem ehemalige Bauhäusler und vom Bau­­haus in­­­spi­­rierte Städtepla­ner gewesen, die an der Spitze dieser Be­­­­wegung stan­­­­den. Am einflussreichsten unter ihnen wurde Richard Pau­­lick, einst Assis­tent bei Bauhaus-Direktor Walter Gropius, dann in Hoyerswerda und Schwedt für die Pla­nun­­gen verantwortlich und in Halle-Neustadt der erste Chefarchitekt.

Sozialistische Reißbrettstadt

Halle-Neustadt, seit 1964 erbaut, war eine Verheißung. Es galt als Ein­lösung eines Versprechens, das nicht nur im Städ­tebau sozialistischer Länder formuliert wurde: modern, funktional, komforta­bel. Dies folgte all­ge­meinen Stadtvorstel­lun­gen des 20. Jahrhunderts in Ost wie West: Ty­pisie­rung, Weite, Licht und grüne Stadt, Nachbarschaft und Planbarkeit urbanen Le­­bens waren die zentralen Ideen, vor al­lem aber: Funktionalität und Rationalität. Beide standen für Modernität. Städtebaulich folgten die Projekte der generellen Vor­liebe der Moderne für Reiß­brettstädte. Dass sich derart soziale Prozesse durch Ar­chi­tek­­­tur und Städtebau steuern ließen, war international weithin geteilte Auffassung in der mo­­dernen Stadtplanung.

Den Ausgangspunkt in der DDR bildeten zwei Probleme, die gleichfalls nicht allein DDR-typisch waren: Wohnungs­mangel und unzulängliche Wohn­qua­li­tät. Sowohl öko­nomische Gründe als auch das Gleichheits­versprechen des Sozialismus führten dazu, dass es genormte Lösungen waren, die den Wohnungsmangel beheben und die Wohnqualität erzeugen sollten. Dies wurde seinerzeit we­ni­­ger als defizitär em­pfunden, sondern als gerecht. Plausibilität gewinnt das, wenn man sich die Wohnsituation der Bevölkerungsmehrheit 20 Jahre nach Kriegsende vergegenwärtigt. Die Wohnqualität, die dann mit den Neu­bauten realisiert wurde, war sei­ner­­zeit nicht selbstverständlich (und ist es in wei­ten Teilen der Welt auch heu­te nicht).

Halle-Neustadt, wie vergleichbare sozialistischen Neubaustädte, galt aber auch als Ausdruck der Überle­genheit des Sozialismus im Sy­stemwettbewerb. Es sollte die Gewissheit des „un­auf­halt­samen Sieges“ des Sozialismus symbolisieren. Dort sollte der „neue Mensch“ entste­hen und dieser die neue Gesellschaft gestalten. Ein „sozialistisches Wohn­­­kon­zept“ und eine „sozialistische Le­bens­wei­se“ wurden angestrebt. Der Aufbau Halle-Neustadts wurde mit einer gleichsam zivilreligiösen Aufrüstung ver­bunden. Recht markan­te Vorstellungen, die in Bezug auf die Stadt – das heißt für sie, in ihr, durch und über sie – produziert wurden, verdichteten sich in den DDR-Jahren zu einem städtischen Ideenhaushalt. Halle-Neustadt sollte vieles sein: sozialistische Stadt, Chemiearbeiterstadt, Modell für den Städtebau in der DDR, Großstadt, Stadt der Jugend. Also: sozialistische Che­mie­arbei­ter-Modellgroß­stadt der Jugend. Für die meisten Be­­­wohner*innen hingegen handelte es sich in erster Li­nie schlicht um eine zufrieden­stellende Lösung ihres Wohnungspro­blems.

Schrumpfende Stadt im deindustrialisierten Osten

Bis 1989 war Halle-Neustadt ein Ort der ge­plan­ten Expan­sion und seit 1990 dann ein Ort der un­ge­plan­ten Schrum­pfung. Es war eine gewesene städtebauliche Leistung und ist eine gewordene soziale Problemzone. Die 1990er Jahre waren geprägt durch den Funktionsverlust als Chemiearbeiterstadt, den Wegzug von 70 Prozent der Einwohner*innen des Jahres 1989 (zugunsten eines Häuschens im Grünen oder weil Arbeitsplätze nur andernorts zu finden waren), den Zuzug von Men­schen, die “vom Amt” finanziert werden, eine symbolische Abwertung der bisher als privilegiert empfundenen Wohnsituation und die (damals berechtigte) Markierung als Neonazi-Hochburg. Der ursprünglich tatsächlich sozial gedachte Wohnungsbau mutierte nun zum sozialen Brennpunkt, gemildert nur durch die Einkommensverhältnisse und All­tags­routinen der alternden Ersteinwohner*innen, soweit diese in der Teil­stadt ver­blieben. Abgerundet wurde all dies durch administrative Rat­losigkeit, wie diesem Problemfall beizukommen sei.

Einzelne Lichtblicke gab es freilich auch: Eine erste Sanierungswelle hatte einen beträchtlichen Teil der Woh­nungen erfasst. 1998 waren bereits 70 Prozent des Neu­städter Wohnungsbestandes voll- oder teilsaniert. Große Investitionen wie das Halle-Neustadt-Center (eröffnet 2000) und die Ein­bindung Neustadts ins Hallesche Straßenbahnnetz (stu­fenweise von 1999 bis 2003) gaben Anlässe zur Hoffnung, dass der Stadt­teil eine positive Zukunft haben könnte.

Mit den Programmen „Stadtumbau Ost“, „URBAN 21“, „Soziale Stadt“ und „Stadtumbau Sachsen-Anhalt 2010“ (IBA) setzte sich dann in den 2000er Jahren die auch schon bisherige Förderprogramm-Taktung der Stadtteilentwicklung fort. Die Stadt beauftrag­te bei einem freien Träger ein Quartiersmanagement, das seither Aufgaben erledigt, die zum Teil wohl eher öffentliche wären. Gelegentlich wackelte selbst für diese heroische Arbeit – lange Zeit zu wenig Leute für zu viele Auf­ga­ben – die Finanzierung.

2014 hatte sich die Grundsteinlegung Halle-Neu­stadts zum 50. Male gejährt. Zwar war dieses 50-Jahres-Ju­biläum ein vornehmlich lokales Ereignis geblieben, obgleich das Entstehen der Plattenbaustadt für fast 100.000 Einwohner*innen seinerzeit international beachtet worden war. Gelegentlich hatte man es gar mit der Niemeyer’schen Umgestaltung Brasilias (1957–1964, seit 1987 Weltkulturerbe) verglichen. Doch auch wenn es keine Aufmerksamkeit von Land und Bund gab, so brachte das Jubiläum 2014 zumindest eine deutliche kommunale Aufmerksam­keits­­steige­rung für die Probleme des Stadtteils mit sich: Schrumpfung, Segregation, SGB-II-Konzentration, Bil­dungsarmut und ein entsprechendes Image.

Soziale Segregation und Aufstieg der AfD

Zum heutigen Sozialprofil Halle-Neustadts lässt sich sagen: Die Arbeits­losigkeit geht zurück, ohne dass sich daraus zwingend auskömmliche Familien­einkommen ergeben. Der Transferleistungsbezug nimmt zu: Bis 2018 stieg der Anteil von Leistungsberechtigten in Bedarfsgemeinschaften in der Neustadt auf 29 Prozent, während er in Gesamt-Halle auf knapp 14 Prozent sank. Die individuellen Einschätzungen der eigenen wirtschaftlichen Lage und der Lebenszufrieden­heit verbessern sich. Dabei fallen aber sämtliche dieser Daten deutlich schlech­ter als im Durchschnitt Halles insgesamt aus. Besonders heikel ist der Umstand, dass 60 Prozent der Neustädter Kinder in Bedarfsgemeinschaften leben (und in Gesamt-Halle mit 32 Prozent et­wa halb so viele).

Die Wahlentscheidungen korrespondieren nur gering mit den (Un-)Zufrie­den­heits­werten: Die individuelle wirtschaftliche Lage bewerten heute knapp 16 Pro­­zent als schlecht, unzufrieden mit dem eigenen Leben sind 11,5 Prozent. Zufriedenheit mit ihrem Leben geben 66 Prozent der Neustädter an. Dagegen kann man sich dazu die Zustimmungswerte der Parteien ansehen, die als wesentliche Träger des 1990 über­nommenen politischen Systems wahrgenommen werden, also CDU, SPD und FDP: In Hal­le-Neustadt kamen in den Wahlen 2014–2019 diese drei Parteien zusammengerechnet auf nur noch 30 und 46 Prozent.

Die AfD bindet in Wahlen mittlerweile stabil ein Viertel der (wählenden) Bevölkerung.  Aus den letzten drei Wahlen (Bund, Land, Kommune) ging die AfD in der Neustadt als stärkste Kraft hervor, je­weils mit deutlich besseren Ergebnissen als in der Gesamtstadt. Bei der Landtagswahl 2016 waren es 28 Prozent. Davor lag das Jahr 2015 mit der beträchtlichen Zuwanderung Schutzsuchender aus Krisenregionen und den großen Auseinandersetzungen über die Einwanderungspolitik. Soziale Prekarität macht nicht automatisch solidarisch.

 

Wahlen seit den 1990er Jahren: stärkste Partei in Halle-Neustadt

Jahr 1994 1998 1999 2011 2013 2014 2016 2017 2019
Wahl Stadt Land Bund Land Bund Stadt Land Bund Stadt Land Bund Stadt
stärkste

Partei

PDS CDU SPD PDS Linke CDU Linke AfD
mit % 32,0 31,9 31,4 31,9 38,5 28,6 33,8 33,3 36,2 28,3 24,9 24,6

 

Soweit das rechtspopulistische Wahlangebot angenom­­men wird, ver­birgt sich dahinter aber nicht nur Ressentiment, sondern we­sentlich Institutionen- und Verfahrensskep­sis – die auf eine regressive Weise zum Ausdruck gebracht wird. Hier verschafft sich ein verbreitetes Gefühl Aus­druck: das, abgehängt zu sein, keinen wirklichen Platz in der neuen Gesellschaft gefunden zu haben, einer Politik und einem administrativen Handeln ausgeliefert zu sein, die konkrete Anliegen der Daseinsvorsorge nicht hinreichend ernst neh­men, kurz: das Gefühl, auf den Zusammenhang, in den das ei­ge­ne Leben eingebettet ist, keinen Einfluss zu haben.

Als prägnantes Beispiel lässt sich der Gimritzer Damm nennen, der Halle-Neustadt einst vor Überflutung schützte. Seit dem letzten Saale-Hoch­wasser 2013, bei dem der Damm endgültig marode wurde, wird um des­sen Neubau gerungen. Sechs Jahre nach dem Hoch­wasser und damit poten­ziell elfmal nach einem ver­gleich­­baren Ereignis steht der neue Damm noch nicht, sondern ist „in Planung“. Einsprüche durch Landesbehörden, Gerichtsverfahren, Beteiligungsverfahren und Uneinigkeit im Stadtrat verzögern fort­während den Baubeginn. Jeder Verfahrensschritt hat je für sich genom­men seine Gründe. Doch das Ergebnis – kein Dammbau – ist vor allem geeignet, ver­­breitete (Vor-)Ur­tei­­­le über die man­geln­de Lei­­stungs­fä­hig­keit von Politik, Verwaltung und Justiz in Fragen an­ge­messener Daseins­vor­­sorge zu bekräfti­gen. Ver­fahren, die dies be­­wirken, sind offensicht­­lich weder ge­eignet, Gefährdungslagen zu bewältigen noch sich aus­­brei­tender Institutionen- und Ver­fahrens­skep­sis entgegenzuwirken. Rhetorisch könnte man fragen: Wieviel Prozente der AfD-Zustimmung in Halle-Neustadt stecken im stockenden Verfahren des Dammneubaus?

Die Erwartungen an die Politik sind bei den Bewohnern angesichts solcher Erfahrungen gering. Die AfD dagegen ist zu der Par­tei geworden, mit der sich in der Wahrnehmung vie­ler der etablierte po­litische Betrieb am in­tensivsten ärgern lässt. Das wird nicht zu­letzt an der be­trächt­lichen Zahl von Wäh­ler*innen erkennbar, die sich zuvor qua Wahlver­weigerung be­reits aus dem politischen Pro­zess verabschiedet hatten.

Aber immerhin: Als sich Halle unlängst am bundesweiten Zukunftsstadt-Wettbewerb be­teiligte (2015–2018), rückte es auf Betreiben Hallescher Wissenschaftsakteure die Neu­stadt in den Mittelpunkt der Bewerbung. Denn von Halles Cha­rakter als Kultur- und Wissenschafts­­­­stadt ist die Neustadt bis­lang na­hezu völlig unberührt, obgleich der zweitgrößte Wis­senschaftscampus Ostdeutschlands unmittelbar an die nördliche Neu­stadt grenzt. Eine ganze Reihe von Hochschul- und Forschungsinstituten en­gagierte sich drei Jahre lang, um unter dem Titel „neu.stadt.campus“ Konzepte für eine „Bildungshochburg“ Neustadt zu entwickeln und räumliche wie funktio­nale Ver­bindungen zwi­schen dem Wissenschaftsquartier Weinberg-Campus/Hei­­de-Süd und Neustadt zu entwerfen.

Der Wettbewerb ist genutzt worden, um Energien zu bün­deln. Er bot die Chance, für das, was ohnehin zu er­ledigen ist, Un­­terstützung zu organisieren. Die Stadt will trotz des Ausscheidens aus dem Wett­bewerb nach der zweiten Runde zentrale Vorhaben weiterbetreiben. Da die Saale zwischen Alt- und Neustadt bislang als „Bildungsäquator“ gilt, er­scheint das als sehr sinnvoll.

Bildung ist die Voraussetzung für ge­sellschaftliche Teilhabe. Dazu muss die Ge­neration der heuti­gen Kinder und Jugendlichen für ein Leben jenseits der Prekarität ertüchtigt werden. Das Ziel lässt sich schlicht formulieren: Es soll dereinst kein biografischer Nachteil gewesen sein, seine Kindheit und Schullaufbahn in Halle-Neustadt verbracht bzw. absolviert zu haben. Dies muss ins Konkrete über­­­setzt werden, zum Beispiel so: schrittweise Absenkung der Schulabbrecherquote pro Jahr um ein Prozent, schrittweise Herstellung der Ausbildungsfähigkeit al­ler, indem diese jährlich um ein Prozent gesteigert wird, schrittweise Angleichung der Übergangsquote von der Grundschule zum Gymnasium an den Landes­durch­schnitt, auch hier pro Jahr ein Prozent Steigerung als Zielmarke.

Ebenso ist die Anwesenheit von Kultur und Wissenschaft – unter anderem auch durch Stu­dierende als Einwohner – die Voraussetzung, um eine kulturelle Heterogenisierung zu erreichen. Diese wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass Halle-Neu­stadt eine Imagewandlung dahin vollziehen kann, als normale Option bei der Abwägung möglicher Wohnstandorte in Betracht gezogen zu werden. Die Versorgungsin­frastruktur immerhin ist in Halle-Neustadt heute bereits bes­ser als in manchen altstädtischen Quartieren Halles.

Aber auch für die Generation am Ende der Lebensspanne, die in Halle-Neustadt lebt, sind in­ten­sivierte Anstrengungen nötig, um Wohnraum und -um­­feld bar­rierefrei zu gestalten. Einige Wohnungs­ge­sell­schaften investieren be­reits entsprechend, um Menschen bis ins hohe Alter ein selbstbestimmtes Le­ben in der eigenen Häus­lichkeit zu ermöglichen, sie also nicht als Mieter zu verlieren. Zugleich erreicht inzwischen eine Generation das Ren­tenalter, die deutlich öfter von Arbeits­losigkeit und Trans­ferlei­s­tungs­bezug betroffen war und ist. Deren Renten­bezüge fallen sehr viel geringer aus als die der vorangehenden Generation. Die Menschen mit gebrochenen Erwerbsbiografien werden genau die preiswerten Wohnungen be­nötigen, die in den Platten­bau­siedlungen heu­te zur Verfügung stehen. Vor dem Hin­tergrund der zu erwartenden Al­ters­armut müs­sen daher Sa­nie­rungs­maß­nahmen und Investitionen mit den entspre­chen­den Teuerungseffekten ge­­nau abgewo­gen werden.

Das aktuelle Hauptproblem ist die soziale Se­­gregation. Die räumliche Kon­zentration ein­kom­mens­schwacher Haushalte in Halle-Neustadt hat be­­nennbare Ursachen: selektive Fort- und Zuzüge mit der Folge einer sukzessiven sozialen Entmi­schung, die politisch kalkulierten Sät­ze für die Ko­sten der Unterkunft (KdU), für die sich Woh­nungen zum größten Teil nur in den Plattenbausiedlungen fin­den lassen, sowie rein renditeorientier­te Strategien ei­niger privater Eigentümer, insbesondere Investmentfonds, die auf Sanierungen gänzlich verzichten oder nur Schlicht­sanierungen realisieren. Die beiden letztgenannten Ursachen ste­hen politischer Bearbeitung durchaus of­fen. So greifen die Städte über die KdU-Re­gelungen in die Wohnungs­märkte ein und sind damit wichtige Akteure bei der Erzeugung sozialer Segregation.

Indem Halle-Neustadt nicht nur mangelnde bauliche Attraktivität zu­ge­­schrieben wird, sondern es auch zum so­zialen Brennpunkt geworden ist, sinkt seine Attraktivität zu­sätz­lich. Ein we­sentlicher Grund dafür: Sozialwohnungen sind bisher vor allem dort zu fin­den, wo ohnehin die Einkommens­schwachen wohnen. Wird dort Neu­bau weiterer So­­­zialwohnungen realisiert, ver­stärkt das eher die Segregation. Hier be­­steht die Option, Neubauten in besseren Wohn­lagen mit strikten Auf­lagen für ei­nen Anteil von Sozialwohnungen zu ver­se­hen. So­zi­aler Woh­nungsbau sollte daher eher in der Innenstadt stattfinden.

Aufgeben jedenfalls lässt sich Halle-Neustadt weder als Baubestand noch als So­zial­raum. Es wird ge­braucht, da seine 48 000 Be­woh­ne­r*in­nen anderweitig nicht menschenwür­dig un­terzu­bringen wären. Und indem dort Menschen ihr Le­ben leben, han­delt sich um einen der lebendig­sten Teile des Bauhaus-Erbes bzw. seiner Wir­kungsgeschichte.