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Die Katastrophe des Grenfell-Towers: Klassenpolitische Folgen der Austerität


Bei der Brandkatastrophe des Londoner Grenfell-Tower im Juni 2017 starben mindestens 80 Menschen – nur ein unfassbares Unglück? Oder ein Menetekel, ein ›Denkmal‹ für die Folgen einer Kürzungspolitik, hier am Beispiel der Vernachlässigten des sozialen Wohnungsbaus. Ursache des Brandes war wohl, dass bei der Modernisierung des Gebäudes ein Jahr zuvor die knappen Mittel für die Fassade und andere Schönheitsarbeiten eingesetzt wurden, aber an entscheidender Stelle, nämlich den Brandschutzmaßnahmen, gespart wurde. Auf eine Sprinkleranlage und Feuermelder wurde verzichtet.

Nach dem Unglück versuchte die Premierministerin Teresa May vor Ort ihr Mitgefühl für die Opfer auszudrücken und bescheidene Hilfsmittel der Regierung in Aussicht zu stellen. Sie wurde von einer wütenden Menge vertrieben und musste unter Polizeischutz flüchten. Jeremy Corbyn hingegen wurde wohlwollend empfangen. An May gerichtet sagte er: »Wenn man die kommunalen Budgets um 40 Prozent kürzt, zahlen wir alle einen Preis mangelnder öffentlicher Sicherheit« – schlechtere Ausstattung und Infrastrukturen, weniger Brandschutzinspektoren, weniger Feuerwehr. Und weiter: »Die Tragödie des Grenfell Tower hat die katastrophalen Folgen der Austerität zutage gefördert, die Geringschätzung von Nachbarschaften der Arbeiterklasse, die schrecklichen Konsequenzen von Deregulierung und Kürzungen […]. Die Stimmen aus der Arbeiterklasse werden nicht gehört« (The Guardian, 28.6.2017 [1]) .

Mainstream Medien warfen Corbyn vor, das Unglück zu instrumentalisieren. Es ginge nicht um Politik, sondern um »die Menschen«. Corbyn versuche doch nur einer weißen Arbeiterklasse das Wort zu reden. Ein Interview-Team von Sky versuchte Menschen aus der Community dazu zu befragen. Die wütende Antwort, die sie von Ismael Blagrove erhielten, einem schwarzen Anwohner aus der Gegend des Grenfell Tower, lautete etwa wie folgt: »Sie (die Regierung) denkt, sie können das mit einen Pflaster regeln, aber sie ignorieren die Rechte der Menschen, die dort leben. Das ist die Realität, wenn sie auf Corbyn anspielen. Das soll nicht politisch sein? Es geht um das Leben der Menschen! […] Es geht um ihre alltägliche Marginalisierung und Not. […] Auf uns als Community wird herabgesehen von Seiten der Regierung, auf die weiße wie auf die nicht-weiße Arbeiterklasse. […] Wenn du auf die Gegensätze in dieser Community blickst, geht es nicht um Weiß oder Schwarz, die indische oder Muslim-Community, die Community ist vielfältig zusammengesetzt, […] die Gegensätze sind bestimmt durch Reiche oder Arme, es geht um Klassenfragen. Das ist die Realität.«

Der wütende Appell Ismael Blagroves macht deutlich, wie eine neue Klassenpolitik gedacht werden muss. Den Furor und die Energie seiner Rede kann von dieser Zusammenfassung nicht annähernd eingefangen werden. Deshalb hier das Video im englischen Original:

www.facebook.com/thedeepleft/videos/649061075299366/ [2]

Eine lesenswerte Analyse von Dan Renwick (Englisch) findet sich auch im Red Pepper unter: www.redpepper.org.uk/grenfell-two-months-on-still-living-in-limbo/ [3].