| Das Sofortprogramm von Barcelona en Comú (»Barcelona gemeinsam«)

Juni 2015  Druckansicht
Von João França und Pau Rodríguez

Es umfasst unter Anderem garantierte Mahlzeiten für Kinder und Jugendliche, eine Ausweitung des Kampfes gegen Prekarität von Seiten der Kommune, Stop von Zwangsräumungen bzw. Ersatzangebote an Sozialwohnungen, ein sofortiges Moratorium bei der Erteilung von Hotellizenzen sowie exemplarische Maßnahmen wie die Rücknahme von Dienstwagen und »ungerechtfertigten« Diäten.

Im Februar präsentierte Barcelona en Comú ein Sofortprogramm für die ersten Monate im Amt. Daraus stammen die ersten Maßnahmen, die nun nach dem Sieg bei den Wahlen umgesetzt werden sollen. Das Programm hat vier Achsen: menschenwürdige Arbeitsplätze bei einer Diversifikation des Produktionsmodells; die Garantie von Grundrechten; die Überprüfung von Privatisierungen und Projekten, die dem Gemeinwohl abträglich sind; und die Abschaffung von Privilegien.

Für das erste Maßnahmenpaket rechnet das Team von Ada Colau mit Investitionen von ca. 160 Millionen Euro im letzten Trimester 2015 und im ersten Halbjahr 2016, was »einen überschaubaren Teil des Kommunalhaltes darstellt, der sich auf ungefähr 2.370 Millionen Euro beläuft.«

Trotzdem wird sich dies nicht einfach durchsetzen lassen. Eine Koalition mit anderen Gruppierungen ist notwendig – die ERC, PSC und CUP bieten sich als Partner an. Doch besonders schwierig wird es sein, Maßnahmen rückgängig zu machen, die von der vorangegangen Regierung bereits in Gang gesetzt wurden, etwa der Umbau des Hafens Port Vell oder die Arbeiten an der Prachtstraße Avenida Diagonal. Colau erläutert, dass die alte Kommunalregierung von Xavier Trias noch in letzter Minute Verträge schloss, die die Budgets der nächsten Jahre binden.

1. Der Kampf gegen Prekarität von Seiten der Stadtverwaltung

Barcelona en Comú will ein »kommunales Qualitätssiegel für Beschäftigung in der Stadtverwaltung« einführen. Die Mittel der Kommune sollen genutzt werden, um Arbeitsbedingungen von ArbeiterInnen zu schützen, die bei der Stadtverwaltung oder Subunternehmen beschäftigt sind. Die Stadtverwaltung verpflichtet sich, die Bedingungen bestehender Verträge zu revidieren, die dem angestrebten Niveau nicht entsprechen. In alle neuen Verträge will die Stadtverwaltung Klauseln einzufügen, die garantieren sollen, dass Arbeitsrechte respektiert werden. Das Sofortprogramm beabsichtigt auch die Einführung von Kontrollmaßnahmen zur Überprüfung von Arbeitsbedingungen von in der Stadt angesiedelten Unternehmen. Ziel ist es Prekarität zu bekämpfen.

Weiterhin präsentieren Ada Colau und ihr Team ein Programm für Ausbildung und indirekte Schaffung nachhaltiger Beschäftigung, das mit einem Budget von ca. 50 Millionen Euro kurzfristig 2500 Arbeitsstellen schaffen soll. Das Programm wird sich auf fünf Bereiche konzentrieren: a) energetische Gebäudesanierung; b) vorsorgendes und nachhaltiges Ressourcenmanagement; c) Förderung und Unterstützung regionaler Wirtschaftskreisläufe; d) Sorge für Kinder, ältere Menschen und Menschen, die auf Pflege oder Betreuung angewiesen sind; f) Förderung solidarischer Ökonomien und deren technologischer Entwicklung.

2. Soziale Rechte garantieren

Im Bereich der sozialen Rechte gibt es sechs Achsen: Wohnraum, Ernährung und Verpflegung, Grundversorgung, Gesundheit, Mobilität und Recht auf ein ergänzendes Kommunaleinkommen. »Ein Maximum an kommunalen Ressourcen« soll aufgewendet werden, um Zwangsräumungen zu verhindern und für eine »Garantie von menschenwürdigen Wohnungen für die, die sie brauchen«. Mit einem anfänglichen Budget von 50 Millionen Euro wird versucht, der Stadtverwaltung ein Vorzugsrecht für den Aufkauf von Immobilien unter Marktpreis zu verschaffen, um diese einem sozialen Nutzen zuzuführen.

Barcelona en Comú verpflichtet sich weiterhin, Verhandlungen mit Finanzinstitutionen zu institutionalisieren, die Zwangsräumungen ausführen und/oder leerstehenden Wohnraum besitzen. Im Falle, dass diese ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, sollen ihnen Sanktionen auferlegt werden nach dem katalanischen Gesetz zum Recht auf Wohnen von 2007 und entsprechend der vom Stadtrat angenommenen Forderungen der PAH (Plataforma d’Afectats per la Hipoteca, die Plattform der von Hypotheken Betroffenen). Außerdem will Barcelona en Comú die Übertragung von Privatwohnungen an die Kommune vorantreiben, um den Bestand günstiger Mietwohnungen zu erweitern. Auch die soziale Arbeit soll verstärkt werden.

Im Bereich der Verpflegung wird der Schwerpunkt auf Kinder und Jugendliche gelegt und mit einem Budget von 20 Millionen Euro gerechnet. Die Essensversorgung vom Kindergarten bis zur Oberschule wird ausgebaut und das Angebot für kostenlose Betreuungsplätze inklusive Verpflegung und Freizeitaktivitäten in den Ferien wird erweitert, damit Kinder und Jugendliche das ganze Jahr über Zugang zu Mahlzeiten haben. Außerdem sollen die Sätze für Zuschüsse zu Mahlzeiten gesenkt und nicht-stigmatisierende Verteilungskanäle für Lebensmittel ausgebaut werden.

Als Antwort auf Energiearmut will Barcelona en Comú einen Fond von fünf Millionen Euro für die dringendsten Fälle bereit stellen. Darüber hinaus werden eine Überprüfung der Servicekosten und Verhandlungen mit Energieversorgern angestrebt, damit auch sie einen Beitrag zur Gewährleistung des Zugangs zur Grundversorgung leisten. Im Bereich des Wasserversorgung bekennt sich Barcelona en Comú zur „Einführung gerechterer Tarife“ und verspricht, Gutachten zur Re-Kommunalisierung von Wasser in Auftrag zu geben – einer der meist beachteten Vorstöße ihrer Wahlkampagne.

Die öffentlichen Ausgaben für Gesundheit sollten eigentlich von der Landesregierung Kataloniens getragen werden. Es wird jedoch ein Budget von ca. fünf Millionen Euro dafür eingerechnet. Eine Kampagne zur Begleitung von Personen mit erhöhter Vulnerabilität ist geplant. Außerdem soll über die kommunalen Gesundheitsverbände Druck auf die Landesregierung ausgeübt werden, um „die aktuelle Politik der Kürzungen und Privatisierungen umzukehren“.

Beim Transport ist die Auslobung einer Ausschreibung zum Ausbau der Straßenbahn auf der Avenida Diagonal innerhalb der ersten 100 Regierungstage beabsichtigt. Das Projekt soll dann innerhalb von 100 Tagen nach Redaktion durchgeführt werden, obwohl diese Straße gerade erst von dem Trias-Regieruung umgebaut wurde. Außerdem ist ein kostenfreier Nahverkehr für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren geplant sowie 80 Prozent Ermäßigung bei den Trimester-Abos für Arbeitslose und Menschen mit einem Einkommen, das geringer ist als das Mindesteinkommen.

Weiterhin soll ein ergänzendes kommunales Einkommen für Familien unterhalb der Armutsschwelle geschaffen werden. Es soll auf schon erhaltene Leistungen aufgeschlagen werden bis eine Summe von 60 Prozent des Durchschnittseinkommens in der Stadt erreicht wird, also ca. 600 Euro. Eine anfängliche Investition von 25 Mio. Euro ist dafür eingeplant. Außerdem will Barcelona en Comú von Barcelona aus den Kampf für ein garantiertes Bürgereinkommen in Katalonien anführen.

3. Keine Dienstwagen und keine »ungerechtfertigten« Diäten

»Privilegien aufgeben und mit gutem Beispiel vorangehen.« So lautet ein weiteres der unmittelbaren Vorhaben des Colau-Teams. Zu diesen Privilegien zählen Dienstwagen sowie „ungerechtfertigte“ Diäten, also z.B. Vergütungen für Sitzungen, die schon zum Aufgabenbereich gehören oder bestimmte Gehälter, die gekürzt werden sollen – bisher noch ohne genaue Angaben, um welche es sich handelt. Das Dokument erwähnt auch die Revision „unnötiger“ Subventionen wie etwa die vier Millionen Euro, die die Kommune jährlich der Rennstrecke von Montmelo gewährt.

Der Plan sieht ein Audit vor, das »den wirklichen Zustand der Institutionen und der kommunalen Konten« offenlegen soll, obwohl Colau bisher nicht konkretisieren wollte, welche kommunalen Institutionen überprüft werden sollen. Genannt werden in dem Dokument die Konsortien der Messe von Barcelona und der Zona Franca, Barcelonas großem Industrie- und Logistikbezirk. Beides sind öffentliche Körperschaften, an denen die Stadtverwaltung entscheidende Anteile hält und bei denen Subventionen überprüft und „die Rolle der sozialen Körperschaften gestärkt werden soll«, so Barcelona en Comú.

4. Schluss mit Outsourcing

Das Team von Colau beabsichtigt, die Privatisierungsprozesse, die durch die bisherige Kommunalverwaltung angestoßen wurden, »rückgängig« zu machen, obwohl ihnen durchaus bewusst ist, dass das in vielen Fällen nicht einfach sein wird und man sich angesichts des fortgeschrittenen Stadiums einiger dieser Privatisierungen mit »diversen rechtlichen Strategien« wappnen muss. Hier werden noch viele Auseinandersetzungen zu erwarten sein. Barcelona en Comú plant außerdem ein sofortiges Moratorium für die Erteilung von Lizenzen für Hotels und Ferienwohnungen; besonders erwähnt wird hier der Fall der Deutschen Bank.

Neben anderen großen – und heiß diskutierten – Vorstößen von Ex-Bürgermeister Trias sieht der Plan von Colau eine Revision des Umbaus der Luxusmarina von Port Vell vor (die als potenzielles Einfallstor für Geld aus Steueroasen stark kritisiert wird) sowie der kommunalen Teilhabe an Projekten wie Kids Sagrera (einem Vergnügungspark) und einer Skipiste in der Zona Franca. Darüber hinaus ist die Umkehr beim Outsourcing von Kindergärten vorgesehen. Man muss jedoch anmerken, dass das Sofortprogramm hier immer von »Stilllegung oder Überprüfung« dieser Projekte spricht, eben weil die rechtlichen Hürden schwer zu kalkulieren sind.

Im Spanischen erschienen in El Diario (CC BY-SA 2.0 ES) am 25.5.2015. Aus dem Spanischen von Anna Matthias

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