| Stationen einer Flucht

Von Ghaith Abdul-Ahad

Ein kurdischer Freund von mir aus Sulaimaniyya im Nordirak hat vor Kurzem auf seiner Facebook-Seite ein Foto von einer handgemalten Skizze gepostet. Mit kleinen Pfeilen, Strichmännchen und Zeichnungen von ein oder zwei Zügen und Booten zeigt sie, wie man in 20 einfachen Schritten von der Türkei nach Deutschland kommt. Wenn du die 1 500 Kilometer bis in die West-Türkei geschafft hast, beginnt die eigentliche Reise erst. Ein Taxi bringt dich an die Küste – nach Izmir. Ein Pfeil deutet auf die nächste Etappe: mit dem Boot über das Ägäische Meer zu einer ›griechischen Insel‹ – Kostenpunkt: zwischen 950 und 1200 Euro. Ein weiteres Boot bringt dich nach Athen, ein Zug, der aussieht wie ein demoliertes Raupenfahrzeug, nach Thessaloniki.
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| »Wir sind die Borg!«

Von Dagmar Fink

CYBORGS QUEER GELESEN

»Wir sind die Borg! Deaktivieren sie ihre Schutzschilde und ergeben sie sich. Wir werden ihre biologischen und technologischen Charakteristika den unsrigen hinzufügen. Ihre Kultur wird sich anpassen und uns dienen. Widerstand ist zwecklos!« (Das Borg-Kollektiv in Star Trek: First Contact)

Mit körperloser Maschinenstimme fordern die Borg, das schreckenerregende kybernetische Kollektiv, die bösesten der Bösen, im Film Star Trek: First Contact (USA 1996) die vorwiegend menschliche Besatzung der Enterprise auf, sich zu ergeben.
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| »Alles was du brauchst, ist ein smartphone«

Von Vassilis S. Tsianos

Migration und die Mobile Commons

MigrantInnen, soviel wissen wir mittlerweile, sind medial gut vernetzt: Handys und Social Media gehören ebenso zur Erfahrung der ›Balkanroute‹ wie Grenzzäune und Robocops. Mediale Konnektivität ist, auch unter asymmetrischen Machtbedingungen, nicht nur potenziell mobilitätssichernd, sondern lebensrettend. In diesen umkämpften transnationalen Räumen stellen diese mobile commons eine wichtige Ressource für MigrantInnen dar.
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| Die »Kalifornische Ideologie« und die Linke

Von Nina Scholz

Der Spiegel fragte neulich in einem Leitartikel seine Leser: »Das Morgen-Land: Im Silicon Valley formt sich eine neue Elite, die nicht nur bestimmen will, was wir konsumieren, sondern wie wir leben. Sie will die Welt verändern und keine Vorschriften akzeptieren. Müssen wir sie stoppen?« Auch das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung haben schon früh vor einer Netzeuphorie gewarnt und sich kritisch mit der sharing economy, einem wichtigen Phänomen der »kalifornischen Ideologie« befasst.1 In der deutschen Linken dagegen scheint das Thema verspätet und auch noch nicht in seiner ganzen Reichweite angekommen zu sein.
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| Rationale Diskriminierung

Von Stefan Selke

oder: die Ausweitung der sozialen Kampfzone durch Lifelogging

Lifelogging – zur Relevanz eines Booms

Lifelogging, also die digitale Selbstvermessung und Lebensprotokollierung, spiegelt den Zeitgeist perfekt: Nach einer Studie von Yougov können sich 32 Prozent der BundesbürgerInnen vorstellen, gesundheitsbezogene Daten an Krankenversicherungen weiterzuleiten, um Vorteile zu erhalten. Jede/r fünfte Befragte zieht die digitale Vermessung der eigenen Kinder in Betracht.1
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| Im WWW nichts Neues

Von Tanja Carstensen

Warum die Digitalisierung der Arbeit Geschlechterverhältnisse kaum berührt

Die Kinder sind im Bett, der Tisch ist vom Abendessen abgeräumt. Paul nimmt sich sein Notebook und setzt sich ins Wohnzimmer, Anna kommt wenige Minuten später dazu und setzt sich mit ihrem Tablet daneben. Sie überfliegt kurz die Beiträge in ihrer Freundinnen-Facebook-Gruppe, schreibt einen aufmunternden Kommentar unter den Beitrag einer gefrusteten Freundin, erinnert sich dann aber, dass sie dringend noch eine E-Mail an eine Kundin zu Ende schreiben muss, die sie nachmittags auf dem Spielplatz angefangen hatte.
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| Digitale Dominanz

Von Malte Daniljuk

Wie Informationstechnologie globale Herrschaft verändert

Die durch die Digitalisierung verursachten Umbrüche in ihrer Tragweite zu verstehen, heißt zunächst, einige Voraussetzungen in Erinnerung zu rufen, die den Umgang mit Technik seit jeher prägen. Ihnen kommt nicht zuletzt deshalb zeitlose Bedeutung zu, weil sie die ideologischen Schemata bedingen, auf denen strategische Herangehensweisen in der Technologiepolitik aufsetzen.
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| Populismus: Projekt ohne Subjekt?

Mit diesen Beiträgen setzen wir eine Debatte um Populismus fort, die wir mit dem posthum veröffentlichten Text von Ernesto Laclau Warum Populismus in LuXemburg 1/2014 begonnen haben.

Über Laclau, die Multitude und Hegemonie
Von Antonio Negri

Negri und Laclau mit Klasse lesen
Von Alex Demirović

| Über Laclau, die Multitude und Hegemonie

Von Antonio Negri

Ich möchte mich dazu äußern, was mir Laclaus Werk und der Dialog, den wir beide in den letzten Jahren geführt haben, bedeutet. Es war ein intensiver und zugleich kritischer Dialog, der von klaren Differenzen, aber auch großem Respekt gekennzeichnet war. Für mich stellt Laclaus Analyse eine neukantische Variante dessen dar, was sich als »post-sowjetischer Sozialismus« bezeichnen ließe. Bereits in der Epoche der Zweiten Internationale bot der Neukantianismus eine kritische Perspektive auf den Marxismus. Ohne ihn als Feind zu betrachten, versuchte er ihn seinen eigenen Zielen unterzuordnen und ihn in gewisser Weise zu neutralisieren. Die Kritik richtete sich gegen den politischen Realismus und die Ontologie des Klassenkampfes.
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| Negri und Laclau mit Klasse lesen

Von Alex Demirović

Der vorliegende Beitrag von Antonio Negri ist eine kritische Würdigung von Ernesto Laclau, der am 13. April 2014 verstarb. Mit zahlreichen Anleihen bei den Theorien von Althusser, Derrida und Lacan hat Laclau seit Mitte der 1980er Jahre gemeinsam mit Chantal Mouffe eine besondere Spielart des Postmarxismus entwickelt. Bekannt wurde er für eine hegemonietheoretische und postfundamentalistische Demokratie- und Populismustheorie. Dass es zwischen Laclau und Negri, wie Letzterer voller Wertschätzung betont, seit Langem einen Austausch gegeben hat, ist bemerkenswert, denn ihre Theorien und politischen Positionen differieren erheblich.
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