| Prekär und widerständig

Von Ingrid Artus

»Zum Zuschlagen brauchst Du paar feste Meter zum Stehn«

»Die Prekarität beeinträchtigt diejenigen, die sie erleiden, in tiefgehender Weise; indem sie die gesamte Zukunft unsicher macht, untersagt sie jede rationale Antizipation, und insbesondere jenes Minimum an Glauben und Hoffnung in die Zukunft, die nötig sind, um sich aufzulehnen, vor allem in kollektiver Form, gegen die Gegenwart, sei diese noch so unerträglich.«

Dieses Zitat von Pierre Bourdieu (1998) betont die Schwierigkeiten kollektiven Widerstands unter prekären Verhältnissen. Dennoch sind Arbeitskämpfe auch hier möglich, wie eine ganze Reihe von Streiks in Branchen mit überwiegend prekären Arbeitsbedingungen zeigt.
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| Prekär schreiten wir voran? Acht Thesen zu offenen strategischen Problemen

Von Mario Candeias und Anne Steckner

»Wir haben’s richtig gemacht. Seht doch, wie es dem Rest Europas ergeht.« Das grimmige Märchen vom erfolgreichen Krisenmanagement der deutschen Regierung sichert relativ breite Zustimmung in der Bevölkerung. Noch. Bei einigen ist es die Hoffnung, es werde schon nicht so schlimm werden, andere halten still aus Angst. Trotz diffuser Unsicherheit, rasant wachsender Ungleichheit und der Verfestigung sozialer Spaltungen bleibt noch genug, um durchzukommen. Wenngleich sich Prekarisierung nicht mehr im selben Tempo ausbreitet wie in den vergangenen 20 Jahren, sind Unsicherheit, Erschöpfung und Hamsterrad alltägliche Begleiter geworden. Wer lange Zeit arbeitslos ist, bleibt es. Die Zahl der von Armut Betroffenen hat sich auf ein Viertel der Bevölkerung erhöht. Wohnraum zu bezahlbaren Preisen wird nicht nur in den Metropolen zum Megaproblem. Zukunftsperspektiven sind für viele unsicher – alles keine Randgruppenphänomene: Die Angst vor dem Abstieg wirkt auch in den vermeintlich abgesicherten Milieus.
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| Die Zukunft beginnt Heute

Von Christina Kaindl

»… die ewige Unsicherheit und Bewegung zeichnet die Bourgeoisepoche vor allen anderen aus. […]
Alles Ständische und Stehende verdampft.«
(Kommunistisches Manifest)

Im Zentrum des Kapitalismus steht die Zukunft. Seine sozialen Formen können veralten, aber er ist nicht altbacken. Verwertung sucht fortwährend neue Grenzen, die in Schranken verwandelt und überwunden werden: die Poren des Arbeitstages schließen, die weißen Flecken auf dem Globus kapitalisieren, die Mittel der Reproduktion zu Waren machen, Raum und Zeit vernichten, indem die Produktion um den Globus gestreut und just in time kommuniziert wird. Wie Digitalisierung und Industrie 4.0 eine neue Zukunft einläuten, kann noch nicht ausgemacht werden. Technik und Produktivität setzen sicherlich zum nächsten Sprung an. Auch in welchen sozialen Formen das gelebt werden wird, ist unklar: als Massenerwerbslosigkeit, weil Produktivitätswachstum weiter mit steigender Ausbeutung verbunden ist, statt die Arbeitszeit gerechter und zum allgemeinen Wohlsein zu verteilen, oder als ein neues soziales Gleichgewicht auf Grundlage konsequenter Verteilungspolitik? Die Zukunft ist offen, aber nicht beliebig.
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| Kein ruhiges Hinterland. Gegenhegemonie organisieren

Von Bernd Riexinger

Die politischen Verhältnisse in Deutschland scheinen seit der Bundestagswahl seltsam unbeweglich. Die Umfragewerte der Parteien zeigen keine großen Schwankungen, eine Reihe von Gesetzen und Reformvorhaben wurde verabschiedet, der Mindestlohn ist eingeführt – doch lückenhaft und ohne wirkliche Zähne gegen die Möglichkeit, ihn zu unterlaufen. Der Niedriglohnsektor ist nach unten reguliert, aber nicht grundsätzlich infrage gestellt: Die Grenze liegt derzeit bei 9,53 Euro. Trotzdem ist der Mindestlohn ein Erfolg für alle, die seit Jahren dafür gekämpft haben.
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| Caring for Strategy

Von Julia Dück und Barbara Fried

Transformation aus Kämpfen um soziale Reproduktion entwickeln

Zugespitztes Elend, Kriege, Klimakrise und Armut selbst in den Kernländern des Austeritätskapitalismus sowie deren rechtspopulistische Bearbeitung – Argumente für einen Kurswechsel gibt es genug. Zuletzt war es der Erfolg von SYRIZA in Griechenland, der gezeigt hat: Mehr und mehr Menschen wollen dieses Spiel nicht länger spielen. Nur wie kann der Einstieg in einen Ausstieg aus diesem offensichtlichen Wahnsinn aussehen? In den Krisenanalysen und Praxen einer oftmals in libertär-akademische Milieus zurückgezogenen Linken gerät diese Frage trotz pointierter Kritiken häufig aus dem Blick. In die Auseinandersetzungen marginalisierter Gruppen ist die gesellschaftliche Linke hierzulande wenig involviert, auf die alltäglichen Zwangslagen der Menschen hat sie vielfach nur abstrakte Antworten.
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| Im Morgen verankern

Von Katja Kipping

Linke Strategien für eine veränderte Zukunft

An die Zukunft denken viele, zumindest in politischen Begriffen, momentan lieber nicht. Wer kann es ihnen verdenken, Grund für schlechte Laune gibt es, wohin man schaut: Krieg in der Ukraine, Terroranschläge in Paris und Kopenhagen, Elend in Südeuropa, Prekarisierung selbst im Land des ›Exportweltmeisters‹ und Rassismus auf den Straßen. Es scheint heute oft einfacher, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende des Kapitalismus, wie der Kulturtheoretiker Mark Fisher die Hoffnungslosigkeit im Neoliberalismus beschrieb.
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